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ungarische und an die d„nische Regierung herantreten soll, mit dem Ziel, die
Judendeportationen aus diesen L„nadern in Gang zu setzen.
Nur bezglich Italien habe sich der Reichsauáenminister das Weitere selbst
vorbehalten; denn diese Frage solle entsprechender zwischen Hitler und
Mussolini, oder zwischen den Auáenministern Deutschlands und Italiens,
pers”nlich besprochen werden. (28)
Inzwischen hatte sich n„mlich nicht nur die Haltung Frankreichs bezglich der
weiteren Judendeportationen versteift, sondern auch – und ganz besonders –
seitens Italien wurden dem diesbezglichen Wollen der Deutschen
Reichsregierung, die grӇten Schwierigkeiten in die Wege gelegt.
Auf die von Himmler befohlene v”llige Entjudung aller besetzten Gbiete, bis
Mitte 1943, schickte sein ”stlicher Vertreter in Frankreich, der H”here SS u.
Polizeifhrer , /Zeile gestrichen/, an Himmler ein Fernschreiben, in dem er ihm
die besonderen Schwierigkeiten der Regierung Laval und die Einstellung P‚tain`s,
schilderte; insbesonderlich im Hinblick auf eine Deportation von Juden mit
franz”sischer Staatsangeh”rigkeit. Die Haltung Italiens war fr
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die franz”sische Regierung gleichsam das Fanal.
Himmler schloá sich auch – wenigstens rein „uáerlich – der durch Oberg?
Dargelegten Auffassung an und verfgte, daá zun„chst keine Juden franz”sischer
Staatsangeh”rigkeit festgenommen werden drften. Damit war eine weitere
Deportation in gr”áerem Stil zun„chst nicht m”glich.
Himmler hatte augenscheinlich seinen eigenen ,Entjudungsbefehl”
zurckgenommen; aber wie gesagt, nur augenscheinlich.
Er hatte um jene Zeit, es sit der September 1942 noch immer die Leistung seines
Reichsicherheitshauptamtes selbst in H„nden und er befrchtete ein Ausbreiten
einer versteifenden Haltung in der Judenfrage auf die anderen europ„ischen
L„nder, insoweit sie unter deutschem Einfluá standen. (29)
Er schickte daher nun seinen h”chsten milit„rischen Dienstgrad ber den er
befahl, den SS-Oberstgruppenfhrer und Generaloberst der Polizei, Daluege, zur
Kl„rung der Situation nach Paris und Marseille. Vor allem konnte er sich an Ort
und Stelle ber eine neue Note der italienischen Regierung an Laval, dem
Ministerpr„sidenten der Vichy-Regierung,
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informieren, in der die Italiener den Franzosen mitteilten, daá sie zwar keine
Einwendungen gegen Maánahmen franz”sischerseits, in den von Italien besetzten
Gebiet, betreffend die Juden franz”sischer Staatsangeh”rigkeit machen, daá sie
aber ihre H„nde von den Juden ausl„ndischer Staatsangeh”rigkeit weg zu lassen
h„tten.
Dies muáte Laval naturgem„á in groáe Schwierigkeiten bringen. Er brachte dies
den deutschen Stellen offiziell zur Kenntnis und bat sie um entsprechende
Untersttzung.
Der Bericht Dalueges an Himmler liegt nicht vor; aber der Inhalt ist nicht sehr
schwer zu erraten. Im brigen werden die n„chsten Seiten, die nun folgende
Aktivit„t in gengendem Maáe aufzeigen.
Neben dieser Informatinsreise des Generalobersten Daluege, schrieb der
Befehlshaber der Sicherheitspolizei u. des SD Paris, am 13. Jan. 1943 an meinen
Amtchef Mller und bat ihn, Himmler m”glichst umgehend von dieser Methode
der Itliener in Kenntnis zu setzten; und er schloá mit der Feststellung, daá beim
derzeitigen Stand der Dinge nicht damit gerechnet werden k”nne, daá in den
n„chsten Zeiten Juden franz”sischer Staatsangeh”rigkeit berstellt werden
k”nnen. (30)
/347/ AE 27
So also hatten sich die Dinge seit dem Schreiben des H”heren SS- u.
Polizeifhrers in Frankreich an Himmler, vom 26. Sept. 1942, versteift. Auch der
an der deutschen Botschaft unter dem Botschafter Abig diensttuende Gesandte
Schleier, berichtet am 23. Jan. 1943, an das Ausw„rtige Amt, daá eine
grunds„tzliche Bereinigung der Judenfrage nur durchgefhrt werden k”nne, wenn
es gelingt, die Italiener auf die Linie der deutschen Judenmaánahmen zu bringen
und er erbitttet Drahtanweisungen ber weitere Behandlung der Angelegenheit.
(31)
Der Schwerpunkt der Deutschen sicherheitspolizeilichen Dinge in dieser Hinsicht
auch der des Ausw„rtigen Amtes, wird nun vorbergehend nach Rom verlegt.
Ein Geheimbericht des franz”sischen Pr„fekten in Nizza, den dieser nach Vichy,
an seinen Ministerpr„sidenten gerichtet hat, gelangt zur Kenntnis der deutschen
Sicherheitspolizei in Paris und Dr. Knochen schickt ihn an Mller ebenfalls mit
der Bitte um umgehende Vorlage an Himmler, da er auáerordentlich
aufschluáreich fr die Haltung der Italiener in der Judenfrage sei. (32)
In diesem Zusammenhang ist es interessant, die damalige offizielle Lesart der
italienischen Haltung zu h”ren. Der Befehlshaber der IV. Italienischen
/348/ AE 28
Armee, hatte den zust„ndigen franz”sischen Stellen mitgeteilt, ,die italienische
Regierung gestatte nicht, daá Personen, die sich einer anti-italienischen oder anti-
deutschen Propaganda hingeben k”nnteb, ihrer Aufsicht entzogen wrden.” Dies
teilte der Befehlshaber der Sicherheitspolizei Dr. Knochen, am 3. Februar 1943,
dem deutschen Oberbefehlshaber West, ber den Milit„rbefehlshaber in
Frankreich, mit. Und er bemerkte, daá auf eine Entfernung aller Juden aus allen
Grenz- und Kstendepartements des neubesetzten Gebietes, aus dringenden
Sicherheitspolizeilichen Grnden bestanden werden máte und bat um
Intervention bei dem italienischen Oberbefehlshaber in Sdfrankreich. (33)
Inzwischen wurde seitens des Ausw„rtigen Amtes die deutsche Botschaft in Paris
mobil gemacht und zur ersten offiziellen Fhlungnahme beim ital.
Auáenministerium veranlaát. (34)
Auch ich wurde durch meinen Amtchef Heinrich Mller nach Paris in Marsch
gesetzt, um Knochen, dem Befehlshaber der Sicherheitspolizei, die Weisung ui
berbringen, ungeachtet aller Schwierigkeiten, die Deprtierung aller Juden
franz”sischer Staatsangeh”rigkeit durchzufhren. Ich berbrachte dies, gem„á
Befehl meiner Vorgesetzten. Nichts zeigt deutlicher, meine
/349/ AE 29
Rolle als Nachrichtenbermittler, als der sofort nach meiner Auftragerledigung
von Dr. Knochen an Mller gerichtete Brief vom 12.Febr. 1943. Er nimmt auf
meine Mitteilung Bezug, nimmt ferner Bezug auf seine verschiedenen Berichte in
dieser Angelegenheit, geht sodann auf die m”glicherweise entstehenden
Komplikationen in politischer Hinsicht ein und teilt mit, falls die Deportationen
befohlen werden sollten, damit zu rechnen sei, daá das franz”sische
Staatsoberhaupt P‚tain, sich dagegen stellen wrde und sie verbeitet. Um die
Maánahmen fr Gesamtfrankreich durchzufhren, sei Voraussetzung, daá auch
im italienisch besetzten Gebiet, die Maánahmen durchgefhrt werden drfen. (35)
Nun folgen einige aufregende Stunden. Sowohl im Reichsicherheitshauptamt, als
auch im Ausw„rtigen Amt.
Ribbentrop selbst, der sich pers”nlich die Regelung der Frage in Italien
vorbehalten hatte, wurde lebendig. Er teilte dem Chefadjudanten beim
Reichsfhrer SS – Himmler, dem General der Waffen SS Wolff, am 24. Februar
1943, morgens mit, daá die Reichsfhrung SS, ihm unverzglich Mitteilung aller
ihrer Wnsche, die Judenfrage in Italien und den von Italien besetzten Gebieten
betreffend, machen m”ge. Diese sollten in Rom be-
/350/ AE 30
sprochen werden. Er wnschte alle Einzelheiten mitgeteilt zu haben, damit in
eingehender Besprechung mit Mussolini, eine klare, konkrete Regelung erzielt
werden k”nne. Es wurde ferner gebeten, dafr Sorge zu tragen, daá diese Antwort
,uns noch am 24. Februar, vormittags in Rom zugehet”. Dies schrieb der
Gesandte Sonnleithner, aus dem Sonderzug Ribbentrops, ,Westfalen”, der sich
bereits auf dem Wege nach Rom befand.
Noch am gleichen Tage wurden dem Sonderzug die Wnsche durch
Fernschreiben gesandt. Ich hatte sie nicht bearbeitet, also máen sie von Mller
an das Ausw. Amt gegeben worden sein; auáerdem scheint es gem„á den
Dokumenten so, als sei ein Teil der Wnsche auch direkt von Himmler
durchgegeben worden. N„mlich ,Judenmaánahmen in Italien, gleich wie in
Deutschland”. Ferner, daá ,Judenmaánahmen im neubesetzten Franreich und in
Griechenland von den italienischen Milit„rbefehlshabern in diesen Gebieten, nicht
weiter sabotiert werden sollen”.
Auáerdem wurde nach dieser ersten Reakiondas Reichssicherheitshauptat ersucht,
seine Wnsche noch zu konkretisieren und diese am 25. Februar, dem
Ausw„rtigen amt zu bermitteln. Bisher spielte sich dies alles innerhalb der
/351/AE 31
Regionen meiner Vorgesetzten ab. Aber im Ausw„rtigen Amt, wurde der
damalige Schabearbeiter, Legationsrat von Hahn seites seiner Vorgesetzten
entsprechen ,getreten”, die vermaledeite ,Konkretisierung”, endlich
herbeizuzaubern, auf die Ribbentrop in Rom wartete. Nun einen Himmler konnte
man nicht treten, meinen unmittelbaren Vorgesetzten, den Generalleutnant der
Polizei wollte man wohl auch nicht ber Gebhr hetzen. Aber da gab es ja im
Reichssicherheitshauptamt noch den Obersturmbannfhrer Eichmann; den konnte
man wohl treten. ,Weisungsgem„á teile ich Ihnen mit, so schrieb mir Hahn, mittel
Schnellbrief am 25. Frebr., durch Boten berbracht, daá der Herr
Reichsauáenminister heute morgen erneut sich nach dem Verbleib der von Ihnen
in Aussicht gestellten Konkretisierung der Wnsche der Reichsfhrung SS, zur
Judenfrage in Italien und den von Italien besetzten Gebieten, erkundigt hat.
Der Gesandte Bergmann hat die šbermittlung dieser Angaben fr heute abend
zugesagt.” –
Ich muáte ja selbst auf die ,Konkretisierung” warten, die meine Vorgesetzten
zusammen brauten. Ich konnte auch nichts weiter tun, als das Ausw„rtige amt,
gem„á den erhaltenen Terminen, zu vertr”sten.
/352/AE 32
Schlieálichbekam ich diese mit dem Befehl fr die Reinschrift und Vorlage wecks
Unterschrift durch Mller, Sorge zu tragen.
Sie bestanden aus einem alten Schreiben Himmlers an Ribbentrop v. 29. Jan. 43;
hier schrieb er unter u.a., daá das Verbleiben der Juden im italienischen
Machtbereich fr viele Kreise in Frankreich und in ganz Europa der Vorwand
w„re, in der Judefrage leiser zu treten, weil darauf hingewiesen wrde, daá nicht
einmal unser Achsenpartner Italien, in der Judenfrage mitginge.
Ferner wurden gem„á der Bitte des Gesandten Bergamnn einige der wichtigsten
F„lle in dieser Angelegenheit angefhrt.
So, eine Mitteilung des Beauftragten des franz„sischen Polizeichefs Bousquet, an
den Befehlshaber der Sicherheitspolizei in Paris, mit dem Inhalt der Note, welche
die italienische Regierung dem franz. Ministerpr„sidenten Laval berreicht hat.
Ferner den Bericht Marcel Ronaix, Missionsbeauftragter bei Laval, den dieser
nach einer Dienstreise, Laval erstattete, u.„.m-
Mller unterschrieb die Reinschrift und das Schreiben ging am 25. Februar 1943
an das Ausw„rtige Amt aus. (36)
Unterschriftkrzel
/353/AE 33
Ich erhielt nun Befehl, unter Bezugnahme auf das Fernschreiben Dr. Knochens an
Mller, vom 13.1.1943, indem er meldete, daá der Generaloberst der Polizei
Daluege, in Paris und Marseille zur Information war, dem Befehlshaber der
Sicherheitspolizei Paris, mitzuteilen, daá sein Fernschreiben inhaltsgem„á dem
Ausw„rtigen Amt mitgeteilt wurde und Ribbentrop mit Mussolini, die Haltung
Italiens zur Judenfrage zur Sprache bringen werde.
Der deutsche Botschafter v.Mackensen in Rom, erheilt im weiteren Verlauf der
Dinge den Auftrag, Mussolini am 18. Mrz 1943 eine Aufzeichnung Ribbentrops
zu berreichen und zwei Tage sp„ter wurde ihm unter anderem, im auftrage
Mussolinis mitgeteilt, daá der ,vom Duce pers”nlich als besonders energische
bekante” Polizeiinspekteur Lospinoso, den Befehl erhalten habe, die
gegest„ndlichen Schwierigkeiten aus dem Wege zu r„umen. (37)
Genauere Angaben ber die T„tigkeit dieses neuen Mannes, vermittelt ein
Fernschreiben meines damaligen Chefs, Mller, an Knochen Paris, vom 2.4.1943.
Darin gibt er Bericht un Aweisung wie folgt: ,W„hrend meines Aufenthaltes in
Rom am 27.3.43, habe ich im Auftrage des Reichsfhrers SS, sowohl mit dem
deutschen Botschafter, als auch mit dem Chef der
/354/AE 34
italienischen Polizei, die Judenfrage in dem neubesetzten franz”sichen Gebeit
besprochen. Die italienische Polizei hat auf Grund einer klaren und energischen
Anweisung des Duce, den Generalinspekteur der italienischen Polizei Lospinoso
und als dessen Vertreter, den Vizequestor Luceri, mit einigen Mitarbeitern, in das
von Italien besetzte Gebiet entsandt, um in engster Zusammenarbeit mit der
deutschen Polizei, die Judenproblem wie sie insbesondere zu Zeit aufgetaucht
sind, im deutschen Sinne einer Regelung zuzufhren.
Generalinspekteur Lospinoso befindet sich bereist seit einigen Tagen in
Frankreich. Ich gebe hiervon Kenntnis, mit der Bitte, mit Lospinoso sofort
Verbindung aufzunehmen und zu erforschen, mit welchen Auftr„gen er versehen
ist. Ich bitte um Mitteilung.”
Jetzt beginnt die Suche nach dem Generalinsekteur der italienischen Polizei.
Knochen muá an Mller Fehlanzeige durchgeben und dieser sieht sich gen”tigt,
am 9.4.43 abermals pers”nlich einzugreifen, indem er den Polizeiattach‚ bei der
deutschen Botschaft in Rom veranlaát, beim italinischen Polizeichef zu erwirken,
daá Lospinoso entweder nach Berlin kommt, oder sich unmittelbar pers”nlich mit
dem Befehlshaber der Sicherheitspolizei,
/355/AE 35
Paaris, in Verbindung setzt.
Auch ich wurde mit der Lospinoso-Suchaktion befasst, indem ich Befehl erhielt,
dem zust„ndigen Referenten im Ausw„rtigen Amt, Legationsrat Dr. von Thadden,
die Wnsche meines Chefs, zu bersenden. Sie gipfelten darin, auch das
Ausw„rtige amt m”ge sich in die Suchaktion mit einschalten. Mackensen, der
deutsche Botschaften in Rom wird erneut in Trab gesetzt; er schl„gt vor, daá sich
der zust„ndige italienische Polizeifhrer mit dem zust„ndigen deutschen
Polizeifhrer treffen m”gen. Als Termin nannte er den 18. Mai, in der Dienststelle
des Befehlshabers der Sicherheitspolizei u. des SD in Paris Avenue Foche 72.
Aber selbst am 24. Mai muá der Befehlshaber dem Amtchef IV des
Reichssicherheitshauptamtes berichten, daá auch die italienische Botschaft in
Paris weder ber Lospinoso noch ber seine geplante Reise Auskunft zu gben in
der Lage ist; und er bittet nochmals bei der italienischen Regierung anzufragen,
ob beraupt noch mit dem Besuch gerechnet werden kann.
Die Sache kl„rte sich aber am 1. Juni 1943 insofern auf, als die italienischen
Stellen anl„álich des letzten Besuches v. Mackensen im italienischen
Auáenministerium, ,eine derartige Zusammenkunft fr zur Zeit als
unzweckm„áig erachten”. (38)
/356/AE 36
Inzwischen tat sich in Frankreich etwas anderes. Laval, sowie der neue
Justizminister Cabolde hatten einen gesetzentwurf unterzeichnet, nachdem alle
seit dem 10.8.1927 naturalisierten Juden, fr staatenlos erkl„rt wurden. Dieses
Gesetz wurde mit den italienischen Beh”rden besprochen und am 30.6.1943
wurde mit Bosquet, dem franz”sischen Polizeichef vereinbart, wie die
betreffenden Juden, schlagartig mit dem Tage der Verkndung des Gesetzes
festzunehmen seien.
Dr. Knochen forderte von Mller die Abstellung von mindestens 250
Sicherheitspolizei zus„tzlich, fr die Dauer von 10 Tagen welche die franz”sische
Sprache einigermaáen beherrschen máten.
Mller antwortete postwendend; die Wiederingangsetzung der Aktion sei zwar
erfreulich, zumal Himmler gerade in diesen Tagen eine Beschleunigung der
Arbeiten verlangt habe, aber er máe leider mitteilen, daá er zus„tzlich lediglich 4
Mann, abzustellen in der Lage w„re, und er verwies auf die, dem H”heren SS- u.
Polizeifhrer in Frankreich, zur Ver?gung stehenden Polizeikr„fte,von denen
jener, Kontingente abstellen m”ge. (39)
/357/AE 37
Dafr konnte am gleichen Tage, n„mlich am 2. Juli 1943, der H”here SS- u.
Polizeichef SS-Gruppenfhrer und Generalleutnant der Polizei Oberg an
Kaltenbrunner und Himmler die Nachricht durchgeben, daá der franz”s.
Polizeichef Bousquet ein Vichy den Besuch von Lospinoso empfing, der ihm
mitteilte, daá er sich z.Zt. mit der Konzentrierung von 60.000 Juden ausl„ndischer
Staatsangeh”rigkeit, im italienischen Operationsgebiet befaáe. /1 « Zeilen
gestrichen/ Nach Bousquet, habe sich Lospinoso ihm gegenber ge„uáert, daá die
Deutschen sehr hart in der Durchfhrung der Maánahmen gegen die Juden seien,
die Franzosen h„rter als die Italiener, w„hrend Italien eine humane L”sung
anstrebe.
Himmler verfgte, diese Meldung des H”heren SS- u. Polizeifhrers, dem
Reichsauáenminister zu bermitteln. (40)
Auf Weisung seiner Vorgesetzten suchte der Legationsrat im Ausw„rtigen Amt,
Dr. von Thadden, am 16.10.43, meinen Chef, SS-Gruppenfhrer Mller auf,
wegen der technischen Ddurchfhrung der Judenfrage in den neubesetzten
Gebieten und fhrte dabei aus, daá das Ausw„rtige amt, nach den Erfahrungen
/358/AE 38
in D„nemark besonderes Interesse daran habe, daá Judenaktionen in anderen
Gebieten mit ausreichenden Mitteln und ausreichender Vorbereitung durchgefhrt
wrden, damit schwere politischen Komplikationen im Rahmen des M”glichen
vermieden wrden. Mller meinte dazu, auch das Reichssicherheitshauptamt habe
aus den Erfahrungen von Kopenhagen vieles gelernt. Der Zeitpunkt jedoch, zu
dem ausreichenden Polizeikr„fte zur Verfgung stnden, um die in den besetzten
Gebieten notwendigen Judenaktionen schlagartig durchzufhren, wrde fr die
Dauer des Krieges wohl nicht mehr kommen. Man k”nne daher nur mit den zur
Verfgung stehenden Mitteln das Beste herausholen, was bei dieser Aktion
m”glich sei, um die befohlenen Aktionen durchzufhren. Zu dem bisher von
italienischen Truppen besetzten Gebiet Frankreichs meinte er, daá die
beschleunigte Durchfhrung einer Aktion ein sicherheitspolizeiliches Problem
erster Ordnung seu, dessen L”sung trotz der beschr„nkt zur Verfgung stehenden
Kr„fte sofort in Angriff genommen werden máe. (41)
/gestrichen – Hitler hatte auf Vorschlag Rosenbergs angeordnet, in den besetzten
Gebieten Bibliotheken, ?, Logen und sonstige weltanschauliche und kulturelle
Einrichtungen aller Art nach entsprechendem Material zu durchforschen und
sicherzustellen.
/359/AE 39
Ebenfalls Kulturgter ,Die im Besitz oder Eigentum von Juden herrenlos oder
nicht einwandfrei zu kl„render Herkunft waren”.
Mit der Durchfhrung dieser Aufgabe wurde der Einsatzstab Reichsleiter
Rosenberg beauftragt und im Zuge dieser Erfassung wurden auch die M”bel und
sonstigen Einrichtungsgegenst„nde aus jdischen Wohnungen ebenfalls
sichergestellt und diese fr die besetzten Ostgebiete zu dortigen Verwendung
abgefahren.
Auf Vortrag des Reichsleiters Rosenberg hatte Hitler durch Schreiben des
Reichsministers und Chef der Reichskanzlei vom 31.12.41, hierzu seine
Zustimmung gegeben.
« Zeile unleserlich./
/360/AE 40
– 3 –
Holland:
Es fing mit 400 Judenan, welche in das Konzentrationslager Mauthausen, in
Ober”sterreich liegend, deportiert wurden.
Der Generalkommisar fr das Sicherheitswesen fr die besetzten niederl„ndischen
Gebiete hatte die Verfgung erlassen. Es war dies der H”here SS u. Polizeifhrer
beim Reichskommisar fr die besetzten niederl„ndischen Gebiete; sein Dienstgrad
und Mane war: SS Gruppenfhrer und Generalleutnant der Polizei Rauter. Der
Reichskommisar jener Zeit, war Dr. Seyss Inquart, der ehemalige ”sterreichische
Regierungschef, zur Zeit der Wiedervereinigung ™sterreichs mit den Deutschen
Reich im Jahre 1938. Der Vertreter des Ausw„rtigen Amtes, beim
Reichskommisar, ein Gesandter Bene, teilte seiner Berliner Zentrale mit, daá die
Deportation aus Anlaá der Niederschlagung eines SA-Mannes verfgt wurde und
der Gesandtschaftsrat Mohr, erg„nzte tags darauf, dam 26. Februar 1941, diese
Meldung seines Chefs mit dem Bemerken, daá auch eine deutsche Patronille im
Amsterdamer Judenviertel mit Giftstoffen bespritzt worden sei.
Die Folge dieser Deportation war ein Sympathiestreik verschiedener ”ffentlicher
Einrichtungen im Amsterdam.
Im Juni desselben Jahres wurde aber
/361/AE 41
noch etwa 260 Juden in ein Konzentrationslager ans Holland verbracht. Am 5.
Nov. 1941 ben”tigte der Legationsrat Rademacher vom ausw„rtigen Amt, eine
Stellungnahme des Reichssicherheitshauptamtes, zur Frage der weiteren
Behandlung der in deutschen Konzentrationslagern einsitzenden niiederl„ndischen
Juden. Er ben”tigte sie zur Beantragung der von der Schwedischen Gesandtschaft
als Schutzmachtvertretung der Niederlande, eingereichten diesbezglichen
Verbahnten.
Der Hauptanlaá hierzu war der, daá dem Jdischen Rat von Amsterdam mitgeteilt
wurde, es seien bisher ber 400 dieser H„ftlinge verstorben.
Rademacher schrieb daher an Mller, daá das Ausw„rtige Amt zwar grunda„tzlich
auf dem gleichen Standpunkt wie das Reichssicherheitshauptmat stehe und es
befrworte seinerseits die Reppressalien-Maánahmen gegen Juden als Urheber
der Unruhen, aber es m”ge Sorge dafr getragen werden, daá bei der Mitteilung
der Todesf„lle m”glichst nicht der Eindruck entstehe, die Todesf„lle ereigneten
sich jeweils in bestimmten Tagen. (42)
Im Juni 1942 wurde die Kenzeichnung der Juden angeordnet, der alsbald weitere
Beschr„nkungsauflagen, wie n„chtliches Ausgehverbot,
Verkehrsmittelbenutzungsverbot, Berufseinschr„nkungen usf., folgten. (43)
/362/AE 42
Der Vertreter des Ausw„rtigen Amtes beim Reichskommissar fr die besetzten
niederl„ndischen Gebiete, machte eine Vorlage bei seiner Berliner Zentralinstanz,
mit dem Vorschlag, s„mtliche niederl„ndischen Juden ihrer Staatsbrgerschaft fr
verlustigt zu erkl„ren. Dementgegen hielt das Ausw„rtige Amt unter dem 20. Juli
1942, es fr wnschenswert, durch eine Verordnung des Reichskommissars, die
niederl„ndische Judengesetzgebung dadurch der des Reiches anzupassen, daá mit
sofortiger Wirkung alle niederl„ndischen Juden die ihren Aufenthalt im Ausland
haben, oder ihren Wohnsitz nach dem Ausland verlegen, Analog der 11.
Verordnung zum Reichsbrgergesetz vom 25.11.1941, ihre Staatsbrgerschaft
verlieren. (44) Wobei es unerheblich sie, ob der in Frage kommende Jude aus
freiem Antrieb das Land verlassen hat, oder deportiert wurde. Dieses wurde durch
den Unterstaatssekret„r Luther, dem Staatssekret„r im Ausw„rtigen Amt v.
Weizs„cker am 10. August 1942 mit der Bitte um Weisung vorgelegt und von
diesem genehmigt.
Schon am 29. Juli 1942 meldete der Vertreter des Ausw„rtigen Amtes in Den
Haag, Gesandter Bene, daá die ersten beiden Deprtationstransporte ohne
irgendwelche Schwierigkeiten abgegangen seien und der H”here SS u.
Polizeifhrer (Rauter) daher
/363/AE 43
die Absicht habe, diese Organisation so zu f”rdern, daá w”chentlich bis zu 4.000
Juden abgefahren werden sollten. (45)
Am 24. Sept. 1942 erfogte der erste groáe Zwischenbericht des SS-
Gruppenfhrers und Generalleutnant der Polizei Rauter, in Form eines
pers”nlichen Schreibens an den Reichsfhrer SS und Chef der Deutschen Polizei,
Heinrich Himmler. Er schreibt u.a.
,Bis jetzt haben wir mit den strafweise nach Mauthausen abgeschobenen Juden,
zusammen 20.000 Juden nach Auschwitz in Marsch gesetzt. In ganz Holland
kommen ungef„hr 120.000 Juden zur Abschiebung. Im Einvernehmen mit dem
Reichskommissar schiebe ich aber auch alle jdischen Teile der Mischehen ab,
sofern aus diesen Mischehen keine Kinder hervorgegangen sind. Es werden dies
ca. 6.000 F„lle sein. Ich will versuchen, anstatt 2 Zge je Woche, deren 3 zu
erhalten. 30.000 Juden werden ab 1. Oktober abgeschoben. Ich hoffe, daá wir bis
Weihnachten auch diese 30.000 Juden weg haben werden, sodaá dann im ganzen
50.000 Juden, also die H„lfte, aus Holland entfernt sein werden.
Am 15. Oktober wird das Judentum in Holland fr vogelfrei erkl„rt. Jeder Jude,
der irgendwo in Holland angetroffen wird, wird in die groáen Judenlager
eingezogen. Es kann also kein Jude, der nicht privilegiert ist, sich mehr in Holland
sehen lassen.
/364/AE 44
Gleichzeitig beginne ich mit Ver”ffentlichungen, wonach Ariern, die Juden
versteckt gehalten oder Juden ber die Grenze verschoben oder Ausweispapiere
gef„lscht haben, das Verm”gen beschlagnahmt und die T„ter in ein
Konzentrationslager berfhrt werden; das alles, um die Flucht der Juden, die in
groáem Maáe eingesetzt hat, zu unterbinden. Das Judenlager Westerbork ist
bereits ganz fertig, das Judenlager Vught wird am 10. – 15. Oktober vollendet
sein.
Heil Hitler, Ihr gehorsamt ergebener Rauter.”
Himmler schrieb auf die erste Seite dieses Geheimberichtes, ,sehr gut”. (46)
Im April des darauffolgenden Jahres berichtete der Regierungsrat Z”pf, (Referent
beim Befehlshaber der Sicherheitspolizei u. des SD, Den Haag, Generalmajor der
Polizei Dr. Harster) an mein Referat nach Berlin, daá von den ursprnglich
gemeldeten 140.000 Juden, inzwischen 68.300 Juden das Land verlassen haben.
Und zwar 6.000 durch Auswanderung und Landesflucht; 4000 in reichsdeutsche
Konzentrationslager; 300 nach Theresienstadt und 58.000 in 60 Sonderzgen nach
dem Osten. (47)
Es ist ein Vermerk des SS-Brigadefhrers und Generalmajor der Polizei Dr.
Harster, vom 6.5.1943 erhalten geblieben, worin festgehalten ist, daá Himmler
/365/AE 45
wnscht, daá in diesem Jahre an Juden nach dem Osten abtransportiert wird, was
menschenm”glich ist. Da im Westen ein Bunawerk durch Luftangriff zerst”rt
wurde, soll ein neues Bunawerk in Auschwitz aufgebaut werden. Daher wurde vor
allem in den Monaten Mai und Juni eine H”chstzahl von Juden aus dem Westen
ben”tigt. Anzustreben sei fr den Monat Mai die Ziffer von 8.000 (aus Holland).
Zugvereinbarungen werden vom Befehlshaber der Sicherheitspolizei Den Haag,
mit dem Reichssicherheitshauptamt getroffen.
S„mtliche portugisischen Juden (Sephardim) sind in einer Sonderbaracke des
Lagers Westerbork zusammenzufassen, damit sie dort durch SS-Gruppenfhrer
Rauter und dem Fhrer des Rasse- und Siedlungshauptamtes auf ihre
Abstammung geprft werden k”nnen. Der Reichsfhrer SS beabsichtigt, in
Deutschland ein Lager fr ca. 10.000 Juden franz”sischer, belgischer und
niederl„ndischer Staatsangeh”rigkeit zu errichten, die wegen ihrer Beziehungen
zum Ausland als Druckmittel zurckgestellt werden sollen. Gegebenenfalls sollen
sie sp„ter zum Austausch gegen deutsche Heimkehrer, auswandern drfen. (48)
/366/AE 46
Dem Ausw„rtigen Amt wird durch seinen Vertreter in Den Haag, am 29.6.43,
gemeldet, daá der Befehlshaber der Sicherheitspolizei Den Haag in einem
Geheimbericht an seinen Reichskommissar, diesem mitteilt, daá inzwischen der
Hunderttausenste Jude das Land verlassen hat. (49)
Noch im gleichen Jahr informiert Dr. Harster dem Vertreter des Ausw„rtigen
Amtes in Den Haag, daá der Reichskommissar fr die besetzten niederl„ndischen
Gebiete, im Einverst„ndnis mit Himmler bestimmte, daá die in den Niederlanden
in Mischehe lebenden Juden, bei Nachweis der Unfruchtbarkeit, vom Tragen des
Judensternes befreit werden. Die Sterilisierung wird von jdischen oder
niederl„ndischen Žrzten durchgefhrt, wobei dem leitenden Arzt beim H”heren
SS- i. Polizeifhrer, die Prfung der Unfruchtbarkeit obliege.
Dazu habe ich erg„nzend festzustellen, daá diese Nachricht damals auch im
Reichssicherheitshauptamt wie eine Bombe platzte, ein Novum, welches bislang
alleine dastand und bis zum Ende des Krieges nicht nachgeahmt wurde. (50)
Am 28. Februar 1944, wendet sich der Reichskommissar Seyss-Inquart pers”nlich
an den Chef der ,Kanzlei des Fhrers”, an den Reichsleiter Bormann.
/367/AE 47
Ein m„chtiger Mann jener Zeit, ein Mann von entscheidendem Einfluá auf Hitler.
Ein Mann, der von allen respektiert wurde; einschlieálich Himmler, Goebbels,
G”hring usf. Er teilte ihm also mit, daá zwar die Juden aus dem niederl„ndischen
Volksk”rper aus.ieren seien, aber offen noch die Frage der Juden in Mischehen
w„re. Er sagte, daá sie in Holland zwar weiter gegangen w„ren als im
Reichsgebiet und auch diesen Juden die Sterntragepflicht auferlegt h„tten und daá
er auch angeordnet habe die jdischen Mischehenpartner, kinderloser Mischehen,
nach dem Osten zu deportieren, daá seine Sicherheitspolizei auch einige hundert
solcher F„lle behandelte, aber dann von Berlin den Auftrag bekam, diese
Abtransporte nicht weiter durchzufhren. Daher verblieben ihm einige tausend
dieser Juden im Lande und hiermit wrde das Poblem der Mischehen
aufgeworfen. Dasselbe sei aber grunds„tzlicher Art und deshalb wende er sich an
ihn. Im gleichen Sinne habe er auch an Himmler geschrieben. Im einzelnen fhrte
er vier ,L”sungsm”glichkeiten” an.
Aber es scheint sich daran nicht allzuviel ge„ndert zu haben, denn der Gesandte
Bene gibt zum Juli1944,
/368/AE 48
wieder einen seiner regelm„áigen halbjahresberichte an das Ausw„rtige Amt, und
teilt mit, daá die Judenfrage fr die Niederlande als gel”st bezeichnet werden
k”nne. Er gibt die Zahl der Deportierten mit 113.000 aan; 4.000 Juden seien
verstorben; 2.500 seien zu Mischlingen bzw. Zu Ariern erkl„rt worden; in
Mischehe leben etwa 8.600; in den Niederlanden untergetaucht etwa 9.000; in den
Lagern bef„nden sich 3.600 evangelische Juden, Protektionsjuden, 44 trkische
Juden und in Frankreich 11 argentinische Juden. Zusammen, 140.711. (51)
/369/AE 49
– 4 –
Belgien:
Himmler hatte um den 11. Juni 1942 befohlen, 10.000 Juden aus Belgien nach
Auschwitz zu deportieren. Die deutsche Milit„rverwaltung beabsichtigte, den
gewnschten Abtransport durchzufhren und der Leiter der Dienststelle des
Ausw„rtigen Amtes in Brssel teilte am 9. Juli seiner Berliner Zentrale mit, daá
der Milit„rverwaltungschef gegenw„rtig im Hauptquartier sei, um die
Angelegenheit mit Himmler zu er”rtern. Es seinen gewisse Bedenken geltend
gemacht worden, jedoch glaube die Milit„rverwaltung dann ihre Besorgnisse
zurckstellen zu k”nnen, wenn eine Deportation von Juden mit belgischer
Staatsangeh”rigkeit vermieden werden k”nne; denn fr Zwangsmaánahmen
wrden die zur Verfgung stehenden Polizeikr„fte nicht ausreichen. (52)
Himmler hatte sich den Vorschl„gen des Chefs der Milit„rverwaltung
angeschloáen und am 24. Sept. konnte Bargen, der Vertreter des Ausw„rtigen
Amtes in Brssel melden, daá bis zum 15. Sept. insgesammt 10.000 staatenlose
Juden evakuiert wurden. Und bis Ende Oktober hoffe die Deutsche
Sicherheitspolizei in Belgien, etwa 20.000 des in Frage kommenden
Personenkreises
/370/AE 50
abtransportieren zu k”nnen. (53) Also hatte die Vorsprache des Chefs der
Milit„rverwaltung im Himmlers Hauptquartier eine Verdoppelung der
ursprnglich befohlenen Anzahl zur Folge gehabt. Jedoch – wieder ein Bericht
Bargen an des Ausw„rtige Amt vom 11. Nov. 1942 – ? besagt, daá bis zu diesem
Zeitpunkt insgesamt 15.000 Juden deportiert wurden. Es h„tten sich auf Grund der
Judenverordnung des Milit„rbefehlshabers vom 28.10.1940, rund 42.000 Juden
ber 16 Jahre, gemeldet. Davon waren 38.000 nichtbelgische Staatsangeh”rige.
Insgesamt drften sich nach seiner Sch„tzung 52.000 bis 55.000 Juden,
einschlieálich der nichtmeldepflichtigen Kinder, in Belgien gemeldet haben. In
der letzten Zeit seien illegale Abwanderungen nach Frankreich und nach der
Schweiz festgestellt worden und er sch„tze vorsichtig, wenn er sage, daá nach der
Schweiz 3.000 bis 4.000 Juden abwanderten. (54)
Nun griff der Unterstaatssekret„r im Ausw„rtigen Amt Luther ein und richtete am
4. Dez. 1942 an die Dienststelle des Ausw„rtigen Amtes in Brssel einen Erlaá in
dem es u.a. heiát:
,Wenn heute sich das in Belgien verbliebene Judentum ber die Anordnungen des
Milit„rbefehlshabers hinwegsetzt, ferner mit allen Mitteln versucht, seinen
/371/AE 51
jdischen Charakter zu verwischen und sich damit in schwer zu s„ubernde
Schlupfwinkel verkriechen, und wenn schlieálich bereits Ans„tze zur Beteiligung
dieser Juden am aktiven Widerstand gegen die Besatzungsmacht festgestellt
werden, dann sollte ein energisches Zugreifen eine weitere Ausbreitung dieses
Gefahrendherdes verhindern.
Ich darf daher bitten, im Benehmen mit vom Milit„rbefehlshaber die
M”glichkeiten zu erw„gen, die getroffenen Maánahmen, nunmehr auf alle Juden
in Belgien auszudehnen und diese bis zur m”glichen Durchfhrung der
Transporte, in Sammellager zusammenzufassen. Einzelfragen bezglich
Ausnahmebehandlung von Juden in Mischehen, solchen christlicher Konfession,
oder mit Kindern, k”nnten im Benehmen mit der Sicherheitspolizei gel”st werden.
Eine durchgreifende S„uberung Belgiens von den Juden, muá fruher oder sp„ter
auf alle F„lle erfolgen.” (55)
Weisungsgem„á hatte Bergen in Brssel diese Angelegenheit mit vom
Milit„rbefehlshaber, dem Milit„rverwaltungschef und dem ”rtlichen Chef der
Sicherheitspolizei besprochen. Aber er muáte seinem neuen Chef nach Berlin
mitteilen, daá eine Abbef”rderung der Juden
/372/AE 52
nach Meinung der Milit„rverwaltung vor dem Frhjahr 1943 infolge Mangel an
Eisenbahnwagen nicht aufgenommen werden k”nne.
Inzwischen aber wrden die Vorbereitungen fr die weitere Abbef”rderung
getroffen und die ausl„ndischen Juden in einem Lager zusammengezogen. Infolge
Lagermangel aber k”nne man alle Juden nicht zusammenziehen. Da bei
Wiederaufnahme der Deportation auch die Abbef”rderung der etwa 4.000 Juden
belgischer Staatsangeh”rigkeit beabsichtigt sei, drften die Absichten der
Milit„rverwaltung mit den Wnschen des Ausw„rtigen Amtes bereinstimmen.
(56)
Und noch einmal ermahnt der Unterstaastsekret„r Luther in einem weiteren
Schreiben vom 25. Jan. 1943 seine Brsseler Dienststelle, indem er darauf
aufmerksam hin weist, daá von vornherein darauf zu achten sei, bei der
Zusammenfassung der in Belgien ans„áigen Juden in Lagern, nicht nur Juden
ausl„ndischer Staatsangeh”rigkeit, sondern auch die belgischen Juden mit zu
verhaften seien.
Auch das Reichssicherheitshauptamt erhielt eine Durchschrift dieses Schreibens.
Es wird darin bemerkt, daá gebeten wird, ,auch von dort das Entsprechende zu
veranlaáen”. Was sollte da noch viel zu veranlassen sein. Andere hatten ja alles
bis in das Kleinste schon veranlaát. (57)
Unterschritfkrzel
/373/AE 53
Am 9. April 1943 teilte Himmler dem Chef der Sicherheitspolizei und des SD, Dr.
Kaltenbrunner folgendes mit:
,Das Wichtigste ist mir nach wie vor, daá jetzt an Juden nach dem Osten
abgefahren wird, was berhaupt nur menschenm”glich ist. In den kurzen
Monatsmeldungen der Sicherheitspolizei will ich lediglich mitgeteilt bekommen,
was monatlich abgefahren worden ist und was zu diesem Zeitpunkt noch an Juden
brig blieb.” (58)
Diesen Himmler-Erlaá muáte das Reichssicherheitshauptamt an alle Stellen der
sicherheitspolizei und des SD ausgehen lassen.
Und so liest man in einem ,Einsatzplan” der Dienststelle des Befehlshabers der
Sicherheitspolizei in Brssel vom 1. Sept. 43, daá in der Nacht vom 3. zum 4.
September erstmalig die vom Reichssicherheitshauptamt geforderte Erfassung der
belgischen Juden fr den Osteinsatz, mit einer Groáaktion begonnen wurde. (59)
/375/AE 54
– 5 –
Italien
Die Dokumente – zum Teil bereits im Kapitel ,Frankreich” besprochen – zeigten
einmal die Haltung Italiens zur Judenfrage ganz klar, und sie zeigten aber zum
anderen ebenso klar, welche Pers”nlichkeiten des verflossenen
nationalsozialistischen Regimes, hier federfhrende Rollen spielten. Sie zeigten
ferner die Bemhungen der ehemaligen deutschen Reichsregierung, eine
Žnderung der italienischen Einstellung, zu erzwingen. Im Wesentlichen gelang
dies erst gegen Ende 1943. –
Der Gesandte Moelhausen telegraphiert am 6. Oktober 1943 an Ribbentrop, daá
der SS-Obersturmbannfhrer Kappler in Rom – er unterstand gewissermaáen als
Kommandeur der Sicherheitspolizei in Rom, dem Befehlshaber der
Sicherheitspolizie in Italien, Generalmajor der Polizei Dr. Harster, mit dem Sitz in
Verona – von Berlin einen besonderen Auftrag erhalten habe. Er sollte die in Rom
wohnenden achttausende Juden festnehmen lassen und nach Oberitalien bringen,
wo sie lequidiert werden sollten. Der Stadtkommandant von Raom, General
Stahel, teilt dem Gesandten Moelhausen mit, daá er diese Aktion nur dann
zulassen werde, wenn sie im Sinne des Reichsauáenministers l„ge.
/375/AE 55
Er pers”nlich sei der Ansicht, daá es besser w„re, die Juden zu
Befestigungsarbeiten heranzuziehen und gemeinsam mit Kappler, wollte er dies
dem Generalfeldmarschall Kesselring, vortragen. (60)
Am 9.10. gab Ribbentrop zur Antwort, daá auf Grund einer Anweisung Hitlers
diese 8.000 Juden in das Konzentrationslager nach Mauthausen, als Geiseln
gebracht werden sollen. (61)
Zu dem Vorgang sagt Kappler als Zeuge unter Eid, am 27. Juni 1961 im
Milit„rgef„ngnis zu Gaeta (Italien) aus, daá er keinerlei Kenntnis von der Existenz
eines solchen Telegrammes Moelhausen an Ribbentrop gehabt habe: Er habe
dieses Telegramm erstmals anl„álich seines Prozesses im Jahre 1948 gesehen,
bzw. Von dessen Existenz, Kenntnis erhalten.
Wohl erinntert sich Kappler, an ein Telegramm, unterschrieben von Himmler, in
dem er auf die Notwendigkeit bestand, die Judenfrage auch in der Stadt Rom zu
l”sen. Er erinnerte sich ferner daran, daá er bei dieser Gelegenheit zum ersten
Male den Begriff ,Endl”sung der Judenfrage” kennen lernte. Dieser Ausdruck
war ihm jedoch neu und es gelang ihm nicht, ihn zu entr„tseln. Zu jener Zeit
kreuzte bei ihm ein SS-Hauptmann Dannecker auf, und er hatte eine Vollmacht,
zur
/376/AE 56
Durchfhrung einer Judenrazzia. Diese Vollmacht war von dem General der SS
(Polizei), Mller, unterzeichnet. (62)
Meinen Namen hatte Kappler, nach seiner Zeugenaussage, erst nach 1945, durch
die Presse geh”rt, auch habe er weder Post noch Instruktionen erhalten, welche
meine Unterschrift getragen hatten.
Anl„álich einer informativen Besprechung zwischen Mller und Dr. von Thadden
am 16.X.1943, sagte Mller dem Legationsrat des Ausw„rtigen Amtes, daá er
sich den Argumenten des Ausw„rtigen Amtes keinesfalls verschlieáe, die gerade
in Italien, insbesondere im Hinblick auf die Stellung der katholischen Kirche fr
eine schlagartige Aktion spr„chen. Aber die vorhandenen Kr„fte reichten nicht
aus, um eine solche in ganz Italien durchzufhren. Man werde daher
gezwungenermaáen mit der Aufrollung der Judenfrage unmittelbar hinter der
Frontlinie beginnen und schrittweise nach Norden weitertreiben. Legationsrat Dr.
v. Thadden bemerkte dazu in seiner Vortrags-Notiz fr seinen Staatssekret„r, daá
Mller offensichtlich auch seinerseits gewisse Sorge habe, wegen der praktischen
Durchfhrung des Hitler-Befehls, betreffend der Festnahme von 8.000 Juden in
Rom. (63)
In der Tat hatte die roemisch-katholische Kirche in Rom, durch den Bischof
/377/AE 57
Hudal, sich mit einem Schreiben an den Stadtkommandanten von Rom, General
Stahel gewandt, und gegen die Verhaftungen von Juden italienischer
Staatsangeh”rigkeit heftig Stellung genommen, mit dem Wunsche, daá in Rom
und Umgebung diese Verhaftungen sofort eingestellt werden m„gen, da der Papst
sonst ”ffentlich dagegen Stellung nehmen wird.
Die Kurie sei deshalb besonders betroffen, weil sich die Vorg„nge sozusagen
,unter den Fenstern des Vatikans abgespielt haben”, best„tigte die Deutsche
Botschaft beim Heiligen Stuhl.
Eine abschrift dieses Schreibens gelangte seinerzeit auszugsweise, vom
Ausw„rtigen Amt, auch an mein Dezernat. (64) Jedenfalls leitete ich es sogleich
an meinen Chef weiter.
Aber all dessen ungeachtet hatte inzwischen die italienische Regierung ein Gesetz
verkndet, daá alle Juden in Italien in Konzentrationslager zu bernehmen sind.
Gleichzeitig stellte das Reichssicherheitshauptamt in Berlin fest, daá die von
Himmler in Italien befohlene Aktion, zur Erfassung der italienischen Juden zu
keinem nennenswerten Ergebnis gefhrt habe. Die von den verschiedenen Seiten
erfolgten Einsprche h„tten die erforderlichen Schritte solange hinausgez”gert,
bis die Mehrzahl der Juden sich hatte verstecken k”nnen. (65)
/378/AE 58
Wagner, der Nachfolger des wegen angeblichen Intrigenspiels in ein
Konzentrationslager eingelieferten Unterstaatssekret„rs Luther, schreibt am 14.
Dezember 1943 an den Amtchef IV des Reichssicherheitshauptamtes Mller, ,daá
der deutsche Botschafter Rahn, angewiesen wurde, der Faschistischen Regierung
die Genugtuung der Reichsregierung ber das so unbedingt notwendige Gesetz,
betreffend Rckfhrung aller Juden in Italien in Konzentrationslager,
auszudrcken. Wohingegen die Auslieferung der in den Lagern
zusammengefaáten Juden zur Evakuierung in die Ostgebiete nicht zweckm„áig
erscheine. Ein derartiger Antrag soll vielmehr aus taktischen und politischen
Grnden solange zurckgestellt bleiben, bis die Erfassungsaktion der Juden durch
die italienischen Organe abgeschlossen sei; denn das Ausw„rtige Amt glaube auf
Grund seiner Erfahrung annehmen zu máen, daá im anderen Falle der Erfolg der
Erfassungsaktion, wesentlich beeintr„cktigt, wenn nicht gar vereitelt wrde.
Bei den in den letzten Monaten gezeigten mangelnden Eifer italienischer
Dienststellen zur Durchfhrung der von Mussolini befohlenen antijdischen
Maánahmen, hielte es das Ausw„rtige Amt fr dringend wnschenswert, daá die
Durchfhrung der Maánahmen nunmehr
/379, 380/AE 59
laufend von deutschen Beamten berwacht wird. Daher erscheine der Einbau
eines Teiles der zur Zeit zum Einsatzkommano Italien geh”renden Kr„fte getarnt
als Berater, in den italienischen Apparat angezeigt und notwendig.”
Abschlieáend bittet das Ausw„rtige Amt, das Einsatzkommando Italien
entsprechend zu verst„ndigen und dem Hauptsturmfhrer Dannecker zu
veranlassen, wegen des etwaigen Einbaues von Beratern, mit dem
Bevollm„chtigten des Reiches, Botschafter Rahn, oder seinem Vertreter,
unmittelbar Fhlung zu nehmen. (66)
Anl„álich seines Pl„doyers in dem Prozeá gegen mich in Jerusalem, im Jahre
1961, sagte der israelische Generalstaatsanwalt unter anderem, daá viele
Schriftsteller ihre bisher herausgegebenen Werke auf Grund der in dem Prozess
ge. und gewonnenen Erkenntnisse einer šberarbeitung unterziehen máten. Ich
bin genau derselben Meinung. Ich selbst bin ebenfalls daran interessiert, daá dort,
wo man bedenkenlos einfach meine Person als den Verantwortlichen
herausgestellt hatte, – ganz einfach lediglich als das Resultat einer Konstruktion,
einer Mutmaáung, und diese als bare Mnze wiederspiegeln lieá, – auf Grund der
Prozesserkenntnisse nunmehr die geschichtliche Wahrheit niederschlagsm„áig,
fest-
(/379/)
stellen m”ge.
Diesen meinen Wunsch wird wohl jedermann verstehen; denn ich bin ja
schlieálich und endlich keine Herostratennatur.
Ich selbst habe mich daher bei der Abfassung dieser Arbeit bemht, mich dort
ganz esonders streng an die seinerzeitigen amtlichen Dokumente zu halten, wo ich
mich szs. mit dem sachlichen Geschehen befaáte.
Ich habe in den Zeilen dieses Buches mich in der Hauptsache auf die Dokumente
beschr„nkt, die das Linienfhrungsm„áige behandeln.
Die Flle der Nebendokumente, in denen meine Person natrlich auch stets eine
gewisse Rolle spielt, habe ich bei dieser Betrachtung auáer acht gelassen, da sie
infolge des steten Wiederholens des sachlichen Inhaltes einmal und zum anderen
deswegen, weil ihnen keine grunds„tzliche Bedeutung zuzumessen ist, die etwa
neue Gesichtspunkte ergeben k”nnten, auf den Leser ermdend wirken wrden.
Eine Gesamtbehandlung, einschlieálich der kleinsten Details, muá wohl
wissenschaftlichen Spezialbehandlungen vorbehalten bleiben.
/381/AE 60
Norwegen:
Am 17. November 1942, wurde von der norwegischen Regierung ein Gesetz ber
die Anmeldepflicht der Juden erlassen. Damit war die M”glichkeit einer
allgemeinen Erfassung, mit dem Ziel der Abschiebung der Juden aus Norwegen
gegeben worden.
Diese norwegischen Bestimmungen waren bedeutend umfassender, als die
deutschen Judengesetze. So wurden in Norwegen auch solche Personen, welche
der Abstammung nach Mischlinge sind, und in Deutschland als Mischlinge
behandelt wurden, rechtlich grunds„tzlich wie Juden behandelt.
Im November 1942, wurden aus Norwegen 532 Juden und im Februar 1943, 158
Juden nach Auschwitz deportiert.
Seitens des Reichssicherheitshauptamtes wurde der Befehlshaber der
Sicherheitspolizei beim Reichskommissar fr die besetzten norwegischen Gebiete
darauf hingewiesen, daá gewisse jdische Personengruppen, darunter auch
jdische Mischlinge, die nicht als Juden gelten, nicht deportiert werden drfen.
(67)
/382/AE 61
– 7 –
D„nemark:
Das Ausw„rtige Amt teilte unter dem 17. September 1943, dem
Reichsbevollm„chtigten in D„nemark, Dr. Best mit, daá Ribbentrop ihn ersuche,
Vorschl„ge zu unterbreiten, ber die Art der Durchfhrung des Abtransportes der
Juden aus D„nemark. Dies sei eine im Prinzip beschlossene Angelegenheit und
insbesondere m”ge er sich Gedanken darber machen, wieviel Polizeikr„fte er
dazu ben”tige. (68)
Vier Tage sp„ter machte der Gesandte von Grundherr, im Ausw„rtigen Amt zu
Berlin, seinem Staatssekret„r eine Vorlage, in der er festh„lt, daá der neu in
Kopenhagen eingetroffene Befehlshaber der Sicherheitspolizei, SS-
Standartenfhrer und Oberst der Polizei Dr. Mildner, gegen den Abtransport der
Juden aus D„nemark Stellung genommen habe und sich mit Genehmigung von
Dr. Best, an Himmler ? gewandt habe. (69) Mildner selbst sagte dazu in einer
Erkl„rung am 22. Juni 1945, unter Eid: ,ich flog sofort nach Berlin, um dem Chef
der Sicherheitspolizei, Dr. Kaltenbrunner pers”nlich Vortrag zu halten. Der Chef
war abwesend. Ich ging zum Amtchef IV, SS Gruppenfhrer Mller, der in
meiner Gegenwart ein Blitz-Fernschreiben an Himmler im Sinne meines
Vortrages diktierte, kurz nach meiner Rckkehr nach Kopenhagen traf ber den
Chef der Sicherheitspolizei,
/383/AE 62
Dr. Kaltenbrunner, der definitive Befehl Himmlers ein: ,Die Judenaktion ist
sofort durchzufhren.” (70)
Noch am 1. Oktober um 18,30 Uhr, erhielt der Bevollm„chtigte des Deutschen
Reiches in D„nemark ein Schreiben K”nig Christians X.; Best sandte diesen um
19,30 Uhr, am gleichen Tag, an den Reichsauáenminister. Es war um 20, 10 Uhr
im Ausw„rtigen Amt. Das Schreiben des K”nigs lautete:
,Exzellenz, obwohl die vollziehende Gewalt gem„á der mir am 29. August d.J.
berbrachten Mitteilung des Herrn Befehlshabers der deutschen Truppen in
D„nemark auf die deutsche Wehrmacht bergegangen ist, ist es mir jedoch –
nachdem ich mit einem Vernehmen bekannt gemacht worden bin, wonach man
Deutscherseits beabsichtigen sollte, Schritte gegen die Juden in D„nemark zu
unternehmen, – nicht nur aus menschlicher Sorge fr die Brger meines Landes,
sondern auch aus der Furcht vor den weiteren Konsequenzen in den knftigen
Beziehungen zwischen Deutschland und D„nemark daran gelegen, Ihnen
gegenber hervorzuheben, daá Sondermaánahmen hinsichtlich einer Gruppe von
Menschen, die seit mehr als 100 Jahren die vollen brgerlichen Rechte in
D„nemark genieáen, die schwersten Folgen werden haben k”nnen. Christian X.”
/384/AE 63
Dr. Best gibt Ribbentrop sodann einen Bericht ber die Lage, besonders in
Hinblick auf dem vom Milit„rbefehlshaber der deutschen Truppen in D„nemark
verh„ngten Ausnahmezustand und schlieát mit den Worten: ,Die Aktion beginnt
heute um 21,50 Uhr.” (71)
Es wurden insgesamt nicht mehr als 284 Juden erfaát. Mein Vertreter im Referat
IV B4, des Reichsicherheitshauptamtes SS-Sturmbannfhrer Gnther hatte von
dem Amtchef IV, SS-Gruppenfhrer Mller, Befehl erhalten mit einigen beamten
nach D„nemark zu gehen, um den abtransport nach Theresienstadt in die Wege zu
leiten.
Dr. Best, der Reichsbevollm„chtigte, berichtete am 5. Oktober an das Ausw„rtige
Amt, daá die Leitung der Judenaktion in D„nemark einheitlich in der Hand des
Befehlshabers der Sicherheitspolizei, SS-Standartenfhrer Dr. Mildner lag, der
alle Anordnungen fr die Durchfhrung erteilte. Er teilte weiterhin mit, daá es
richtig sei, daá der Befehlshaber der Sicherheitspolizei angeordnet habe, daá
verschlossene Wohnungen nicht aufgebrochen werden sollten. (72)
In diesem Zusammenhang ist eine eidesstattliche Erkl„rung des ehemaligen
Legationsrates des Ausw„rtigen Amtes Dr. von Thadden vom 16. April 1948,
gegeben in Nrnberg, interessant, nachder ihm mein damaliger ,St„ndiger
Vertreter”
/385/AE 64
im Dezernat, eben der besagte SS-Sturmbannfhrer Gnther, im Anschluá an die
,D„nemark-Aktion” mitgeteilt habe, diese sei vermutlich von der Gesandtschaft
in Kopenhagen sabotiert worden. Ich h„tte bereits an Himmler berichtet und
werde den Kopf des Saboteurs fordern. N„here Angaben ber die Art der
Sabotage habe Gnther verweigert, nur beila„ufig erw„hnt, das Verbot,
verschlossene Wohnungen zu ”ffnen. – Solches ist wie man aus Best’s eigenen
Berichten gesehen hat, blanker Unsinn. Herr von Thadden ist hier zweifellos einer
T„uschung zum Opfer gefallen. (73)
Recht friedlich und h”flich und kein Wort ber eine erfundene Sabotage,
verhandelte ich gem„á Befehl meines Chefs, dem Generalleutnat der Polizei
Mller, am 3. November 1943, in Kopnehagen mit dem Reichsbevollm„chtigten
Dr. Best, um Vorschl„ge entgegenzunehmen, die darin gipfelten, daá Juden ber
60 Jahre nicht mehr festgenommen und deportiert werden, daá Halbjuden und
Juden in Mischehe freigelassen und nach D„nemark zurckgebracht werden und
daá die aus D„nemark deportierten Juden in Theresienstadt bleiben und von
Vertretern der d„nischen Zentralverwaltung und des d„nischen Roten Kreuzes
besucht werden k”nnen. Da ich keinerlei
/386/AE 65
Entscheidungen zu treffen befugt war, versprach ich Dr. Best, diese
Angelegenheit meinem Chef im Reichssicherheitshauptamt vorzutragen, und die
Vorschl„ge an ihn weiterzuleiten.
Der sehr vorsichtige Dr. Best erkundigte sich noch am gleichen Tage beim
Ausw„rtigen Amt, ob die Sache den besprochenen Weg genommen habe. Und
Wagner konnte ihm bereits kurz darauf berichten, daá dem so sei. (74)
/387/AE 66
– 8 –
Slowakei
Der erste deutsche Gesandte in der Slowakei war Manfred von Killinger. Seine
haupts„chliche Aufgabe war, die erste politisch-organisatiorische Ausrichtung der
jungen slowakischen Regierung, im Hinblick auf die Zielsetzung der deutschen
Auáenpolitik in die Wege zu leiten.
Er war es auch, welcher das ,Berater-System” zur Einfhrung brachte. Und in
einem Bericht ber die politische Lage in der Slowakei an das Ausw„rtige Amt
vom 13. Aug. 1940, bem„ngelte er, daá die Berater noch nicht angelaufen seien,
da der gr”áte Teil noch nicht eingetroffen w„re. (75)
Im September gibt sein Bericht Aufschluá ber die Lage des Judentums in der
Slowakei. Eine slowakische Regierungsverordnung v. 18.4.1939, legte fest, wer
dem Gesetz nach als Jude anzusehen sei. Er kndete dem Ausw„rtigen Amt ferner
Material ber den Stand des jdischen Gesamtverm”gens in der Slowakei an,
welches zur Zeit der Berichterstattung gerade von den slowakischen Beh”rden
festgestellt wrde. Nach offizieller Sch„tzung lebten um jene Zeit in der
slowakischen Republik, 90.000 Juden. (76)
Nachfolger v. Killingers, welcher als Gesandter nach Rum„nien abging, war
Ludin. Unter seiner Amtsfhrung komplettierte
/388/AE 67
sich auch das Berater-Corps; darunter auch der Berater fr Judenfragen, SS-
Hauptsturmfhrer Weisli?eng.
In einer anzahl von Erlaáen, und Vereinbarungen zwischen dem
Reichsauáenminister und Himmler, sowie zwischen deren Hauptamtchefs, wurde
die Stellung sowohl der Polizeiattach‚s, als auch der Berater genauest festgelegt.
Ausnahmslos waren die Berater den Polizeiattach‚s als Gehilfen zugeteilt, und
ihnen auch unmittelbar unterstellt. Beide kamen aus dem
Reichssicherheitshauptamt und wurden zur Dienstleistung im Ausland zu den
Botschaften oder Gesandtschaften, versetzt.
Die Polizeiattach‚s unterstanden bezglich ihrer T„tigkeit im Ausland
grunds„tzlich nur dem jeweiligen Missionschef und in dessen Abwesenheit, dem
jeweiligen Vertreter. Dies Attach‚s hatten, gem„á den Abkommen, dienstliche
Auftr„ge des Missionschefs auszufhre. Allf„llige Weisungen der Dienststellen
des Reichsfhrers SS, muáten ihnen ber das Ausw„rtige Amt, durch die Hand
des Missionschefs zugeleitet werden, der damit die politische Verantwortung fr
die auáenpolitische Zweckm„áigkeit dieser Weisungen bernahm, denn er konnte
ja von seinem Einspruchsrecht Gebrauch machen. /eine Zeile gestrichen/. (77)
/389/AE 68
Aus dieser Sachlage heraus wird es beispielsweise verst„ndlich, wenn das
Reichssicherheitshauptamt einen Berater zu einer Besprechung nach Berlin ladet,
der Missionschef sich dazu aber erst die Genehmigung seitens des Ausw„rtigen
Amtes einzuholen hatte; und nach deren Erteilung sodann der Berater der Ladung
erst Folge leisten konnte. (78)
Am 8.u. 9. Juli 1941 fuhren auf Einladung des Gauleiters von Oberochbenen, der
Berater fr Sozialpolitik und der, fr Judenfragen, von der Pressburger
Gesandtschaft, nach Ostober?klawien um dort Judenarbeitslager zu besichtigen.
Sie wurden von mehreren hohen Beamten des slowakischen Innenministeriums
und des Zentralwirtschaftsamtes begleitet. Dieser Besuch von Seiten der
Gesandtschaft sehr befrwortet, da „hnliche Einrichtungen in der Slowakei
geschaffen werden sollten. (79) Denn Ludin konnte seiner Berliner Zentrale am
22. Oktober berichten, daá das slowakische Innenministerium keine Ausweisung
der Juden aus dem Gebiet der Slowakei beabsichtige, sondern eine interne
Zusammenziehung der juden an bestimmten Orten innerhalb der Slowakei
anstrebe. Es handele sich hierbei um die vom deutschen Berater angeregte
Bildung von Ghettos, nach dem Vorbild des Generalgouvernements. (80)
/390/AE 69
Aber mitten in diese Vorbereitungen hienein, platzte eine Aufforderung des
Unterstaatssekret„rs Luther, vom Ausw„rtigen Amt, daá im Zuge der Maánahmen
zur Endl”sung der Judenfrage Europas, die Deutsche Reichsregierung bereit sei,
sofort 20.000 junge, kr„ftige slowakische Juden auzunehmen und nach dem Osten
zu verbringen, wo Arbeitseinsatzbedarf besteht. /zwei Zeilen gestrichen/
Der Gesandte Ludin bekam am 16. Februar 1942 den Auftrag, das Einverst„ndnis
der Slowakischen Regierung herbeizufhren.
Und eine Handnotiz auf dem im Ausw„rtigen Amt, nach 1945 aufgefunden
Durchschlag, des an Ludin gerichteten Fernschreibens lautet: ,Slowakische
Regierung, Vorschlag mit Eifer aufgegriffen. Vorarbeiten k”nnen eingeleitet
werden.
Auch Himmler scheint sich selbst mit in diese Angelegenheit eingemengt zu
haben; jedenfalls schreibt Luther an eine andere Stelle hierber, anl„álich eines
europ„ischen Gesamtberichtes. (81)
Im April 1942 machte der Chef der Sicherheitspolizei und des SD, SS-
Obergruppenfhrer und General der polizei und der Waffen SS, Heydrich, der
gleichzeitig auch die Position eines ,Stelvertretenden Reichsprotektors fr
B”hmen und M„hren” innehatte, dem slowakischen Ministerpr„sidenten Tuca,
einen Besuch. Einmal war es
/391/AE 70
ein H”flichkeitsbesuch, den ein benachbarter Regierungschef dem anderen
abstattete und zum anderen war es Heydrichs Wunsch, die angeschnittenen
Judendeportationsangelegenheiten, anzukurbeln und vorw„rts zu treiben.
Auch nun wurde seitens meines Vorgesetzten befohlen, mich fr eine Dienstreise
nach Pressburg vorzubereiten und das Ausw„rtige Amt kndete diese bereits am
13.M„rz 1942, seiner Gesandtschaft in Pressburg an. Ich sollte im Auftrag des
Chefs der Sicherheitspolizei, Vorbesprechungen zur Evakuieurng von 20.000
Juden aus der Slowakei, nach der inzwischen erzielten diesbezglichen
šbereinstimmung zwischen Ausw„rtigen Amt – Gesandtschaft – Slowakischen
Regierung, mich den zust„ndigen Stellen in Pressburg, fhren. (82)
Nun, da der Hauptamtchef Heydrich selbst fuhr, war es berfláig geworden,
mich mit den deutschen Wnschen nach der Slowakei in Marsch zu setzen. Erst
Ende Mai hatte ich sowohl weitere Wnsche meines Chefs, als auch ein
Handschreiben Heydrichs, an dem slowakischen Ministerpr„sidenten, im
Zusamenhang mit der gegenseitigen Absprache, dem deutschen Gesandten Ludin
zu bermitteln gehabt.
Hier wurde ich seitens des deutschen Gesandten in freundlicher Form gen”tigt,
dem slowakischen Innenminister Mach, den ich noch dunkel aus den Jahren
meines Wiener Aufenthaltes her kannte, als er noch lange kein
/392/AE 71
slowakischer Innenminister war, auf dessen, inzwischen an die Gesandtschaft
ergangener Einladung an mich, mit ihm gemeinsam zu Abend zu essen, keine
Absage zu geben.
Selbst Wisliceng muáte in einer seiner vielen Erkl„rungen nach 1945 zugeben,
daá man mich zu einer solchen Annahme n”tigen muáte. In der Tat, ich ging all
solchen Dingen aus dem Wege, wann immer sich mir zum ,Ausdemwegegehen”
die M”glichkeit bot.
Nun ja, zwar war es eine private Einladung und das Essen war sicherlich nicht
schlecht; und Mach und ich kegelten, mal ,alle Neune”, mal ,Fahrkarte”, indessen
Ordonnanzen labende Getr„nke und Rauchzeug boten. Aber noch am frhen
Abend teilte mir Mach mit, daá er eben aus Prag die Nachricht erhalten habe, daá
gegen Heydrich eine Bombe geworfen wurde. Ich blieb noch eine Weile, w„hrend
der nunmehr laufend weiter Mitteilungen ber das Attentat kamen und furh
schlieálich noch in selbiger Nacht nach Prag.
Es war der 29. Mai 1942.
Einige Tage sp„ter war Heydrich tot. Was mit dem Brief geworden ist, den ich
Ludin gab, weiá ich nicht.-
/393/AE 72
Eine Aufzeichnung Luthers vom 29. M„rz 1942 gibt kund, daá gem„á Mitteilung
von Ludin, der slowakische Staatsrat die Evakuierung der Juden aus der Slowakei
positiv entschieden habe. Ein Mitglied des Staatsrates habe zwar opponiert, aber
ein Bischof habe daraufhin eine sehr positive Rede gehalten. Daraufhin sei der
Vorschlag, der Evakuierung zuzustimmen, einstimmig angenommen worden. Eine
Einschr„nkung wurde gemacht, n„mlich die, daá bis zu einem bestimmten
Stichtag getaufte Juden, auszunehmen seien.
Ferner teilte der Gesandte Ludin an Luther noch mit, daá drei
Evakuierungstransporte bereits abgegangen seien und die weiteren ohne
Verz”gerung folgen wrden. Und sobald die ersten 20.000 Juden evakuiert seien,
k”nne nit der Evakuierung der restlichen rund 70.000 Juden begonnen werden.
Luhter verfgte, daá hiervon der Chef der Sicherheitspolizei und des SD,
umgehend zu benachrichtigen ist. (83)
Und Anfang Mai 1942 schrieb Luhter an Ludin, daá die Reichsregierung bereit
sei, im Laufe des Monates Mai weitere 20.000 arbeitsf„hige Juden – von den
angekndigten 70.000 insgesamt, – aus der Slowakei abzunehmen und nach dem
Osten zu verbringen. Die Einzelheiten wrden wie bisher geregelt. (84)
Unterschriftskrzel
/394/AE 73
Einen genauen šberblick ber die Angelegenheit vermittelt ein Schreiben meines
damaligen ,St„ndigen Vertreters” als Referent IV B4, im
Reichsicherheitshauptamt, SS-Sturmbannfhrer Gnther an den Legationsrat
Rademacher im Ausw„rtigen Amt, vom 15. Mai 42. Demnach wurden vom 25.
M„rz bis 29. April 42, die ersten 20.000 Juden aus der Slowakei nach Auschwitz
abgefahren, und am 4. Mai 1942 hatte die Abtransportierung von weiteren 20.000
Juden, nach Lublin eingesetzt. Die Bereitstellung von rollendem Material durch
die Slowakische Regierung erleichterte die technische Durchf„hrung der
Evakuierung erheblich, da es der Deutschen Reichsbahn auf Grund der
angespannten Verkehrslage nur schwer m”glich w„re, die erforderlichen
Sonderzge zur Verfgung zu stellen. (85)
Ludin teilte am 26. Juni 42 mit, daá die Weiterfhrung der Depotation, bedingt
durch kirchliche Einfláe auf einen ,Toten Punkt” angelangt sei.
Ministerpr„sident Tuca wnsche jedoch sie fortzusetzen und bittet die
Reichsregierung durch scharfen, diplomatischen Druck, um Untersttzung; Ludin
bat um Weisung, ob er in dieser Richtung verfahren k”nne.
Daraufhin beeilte sich Staatssekret„r Weizs„cker in einem Telegramm an
Pressburg zu erwiederen, daá die von Tuca erbetene diplomatische Hilfe in der
Weise gegeben werden k”nne, daá Ludin das slowakische Staatsoberhaupt
aufsuche und ihm gegeber
/395, 396/AE 74
zum Ausdruck bringe, daá die Einstellung der Deportierung, in Deutschland
berraschen wrde.
In einer Besprechung mit Tuca am 30. Juni r„t Ludin kompromisslos, zu einer
100%igen L”sung. Zwar hatte erst krzlich der p„pstliche Pronuntius Msgr.
Burzio, den slowakischen Ministerpr„sidenten aufgesucht, um im Auftrage des
Heiligen Stuhles gegen die Fortsetzung der Deportation zu protestiern. Er habe
jedoch den Protest erst gar nicht entgegengenommen, da es in dieser Hinsicht fr
ihn eine h”here Instanz g„be, als den Papst, n„mliche seinen, Tuca`s, Beichtvater.
Dieser habe ihn gefragt, ob er die Judenaussiedlung als im Interesse seiner Nation
liegend, vor seinem Gewissen verantworten k”nne. Als Tuca diese Frage bejahte,
soll der Beichtvater keinen Einwand gegen diese Maánahmen erhoben haben.
Dies erz„hlte Tuca dem Gesandten Ludin. (86)
Der Reichsauáenminister v. Ribbentrop, verwarf am 21.7.1943 den Vorschlag von
Weizs„cker und lieá Ludin mitteilen, daá SS-Oberfhrer Dr. Veesenmayer in
n„chster Zeit den Staatspr„sidenten Dr. Tiso aufsuchen werde und ihm bei dieser
Gelegenheit die Sache bezglich der Judenaussiedlung vorzutragen habe. Und am
22. Dezember 1943 konnte Dr. Veesenmayer melden, daá Tiso pers”nlich dafr
die
/397/AE 75
Gew„hr bieten wrde, daá die Aktion so rasch wie m”glich zur Durchfhrung und
zum Abschluá gebracht wrde. (87) –
Inzwischen aber kam es im Jahre 1944 zu einem allgemeinen Aufstand in der
Ostslowakei und in dem Verlauf der Niederschlagung desselben wurde
deutscherseits zu scharfen Maánahmen geschritten.
Es kam zu einer Vereinbarungen zwischen dem Gesandten Ludin und dem
inzwischen in der Slowakei installierten Befehlshaber der Sicherheitspolizei Dr.
Witiska einerseits und der slowakischen Regierung andererseits. Demnach waren
die deutschen Stellen mit einer Konzentrierung und Bewachung der Juden auf
slowakischem Gebiet einverstanden.
Am 4. Oktober 1944 intervenierte der slowakischen Ministerpr„sident bei Ludin,
er habe geh”rt, daá man ohne die slowakische Regierung zu verst„ndigen, daran
ginge, die Juden aus der Slowakei abzutransportieren. Daraus aber wrden sich
zweifellos diplomatische Schwierigkeiten ergeben. Ludin sagte ihm, daá die
Judenfrage jetzt auf alle F„lle radikal gel”st werden máe und er den Rat g„be, im
Falle von Schwierigkeiten einfach darauf hinzuweisen, daá die Reichsregierung
vom slowakischen Staat eine radikale L”sung verlange. Das Ausw„rtige Amt
feilte den Rat Ludins dann noch etwas feiner aus, indem
/398/AE 76
es formulierte, daá die starke Beteiligung der Juden an den Aufst„nden und
Partisanenbewegungen im Interesse der Sicherheit des slowakischen Staates, eine
Radikall”sung der Judenfrage unumg„nglich notwendig mache. Und soferne es im
Interesse der Stellung der slowakischen Regierung unbedingt erforderlich sei,
k”nne hinzugefgt werden, daá das Reich im Zuge der auf Wunsche der
slowakischen Regierung erfolgenden Partisanenbek„mpfung, auch seine Hilfe bei
der L”sung der Judenfrage gew„hrt habe. (88) –
Am 6. Oktober 1947, gab der ehemalige Gesandte Ludin u.a. folgende
eidesstattliche Erkl„rung, vor der Untersuchungsbeh”rde in Bratislava ab: ,Ich
kann angeben, daá die Judendeportationen im Jahre 1942 ber auftrag des
Ausw„rtigen Amtes stattgefunden haben. Ich pers”nlich habe den diesbezglichen
Auftrag im Jahre 1942 erhalten. 1942 sind dann etwa 60.000 Juden aus der
Slowakei deportiert worden. Die letzte Judenaussiedlung ging durch den
Befehlshaber der Sicherheitspolizei.” (89)
/399/
AE 77
– 9 –
Griechenland:
Der deutsche Milit„rbefehlshaber Saloniki-Žg„is hatte im Einvernehmen mit
dem griechischen Generalgouverneur von Mazedonien am 7. Juli 1942 eine
Anordnung ber den Arbeitseinsatz von Juden zu Ausbau der Straáe
Saloniki – Katerim – Larissa – erlassen. (90)
Am 3. Januar 1943 flog gem„á einem Befehl des Amtchefs IV im
Reichssicherheitshauptamt, Generalleutnant der Polizei Mller, mein
Vertreter, SS Sturmbannfhrer Gnther nach Soloniki, um dort
Verhandlungen in Judenangelegenheiten zu fhren. Der Unterstaatssekret„r
Luther schrieb an seinen Gesandten Altenburg nach Athen, ,daá Gnther
selbstverst„ndlich mit ihm t„tig werden darf.” (99)
Derselbe Gnther teilte am 25. Januar 1943 dem Ausw„rtigen Amt mit, daá,
nachdem die erforderlichen Besprechungen zur Durchfhrung von
Evakuierungsmaánahmen aus dem Raum von Saloniki, mit dem
Bevollm„chtigten des Deutschen Reiches in Griechenland, dem deutschen
Generalkonsul in Saloniki und der Heeresgruppe, sowie dem
Milit„rbefehlshaber Saloniki Žg„is, gefhrt wurden, eine Abordnung des bei
der Deutschen Gesavdtschaft in Pressburg diensttuenden Beraters fr
Judenfragen, erforderlich sei. Es wurde um Einverst„ndnis gebeten.
/400/AE 78
Eine dementsprechende Weisung des Ausw„rtigen Amtes an Pressburg, ging am
5. Februar 1943, aus. (92)
Am 6. Februar 1943, erlieá der Milit„rbefehlshaber Saloniki – Žg„is, durch
seine Milit„rverwaltung, eine Kennzeichnungs- und
Ghettoisierungsverordnung. Er richtete diese anordnung an die jdische
Kultusgemeinde zu Saloniki, ,Kraft der dem Befehlshaber Saloniki – Žg„is
verliehenen Rechtsbefugnisse”. –
Eine weitere Anordnung derselben Stelle vom 13. Febr. 43, besagt, daá der
Pr„sident der Jdischen Kultusgemeinde zu Saloniki, alle Juden im gesamten
Bereich des Befehlshabers Saloniki – Žg„is zu betreuen habe. Am selben
Tage ordnete der Milit„rbefehlshaber durch seine Milit„rverwaltung ferner
an, daá Juden nicht befugt seien, ihren Wohnsitz ohne Erlaubnis zu
verlassen. ,Zuwiderhandelnde werden auf der Stelle erschossen.”
Straáenbahnen und andere Verkehrsmittel seien fr Juden verboten, ebenso
verboten sei die Benutzung von Fernsprechern, das Betreten von Straáen
und ”ffentlichen Pl„tzen sowie der Besuch ”ffentlicher Veranstaltungen,
nach Einbruch der Dunkelheit.
Am 15.6.43 teilt der Milit„rbefehlshaber Saloniki – Žg„is an den
Generalgouverneur von Mazedonien mit, daá gem„á einer h”heren Weisung,
das Eigentum an dem gesamten jdischen Verm”gen,
/401/
AE 79
welches sich in seinem Befehlsbereich befunden hat oder noch befindet, dem
griechischen Staat, vertreten duch den Generalgouverneur von Mazedonien, zu
Eigentum bertragen wurd. (93)
Wisliceng ist inzwischen in Saloniki eingetroffen und ist dort gem„á den
verwendeten Dienstsiegeln einem anderen Befehlshaber unterstellt; n„mlich
dem Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SD, der funktionell
seinerseits wieder dem deutschen Milit„rbefehlshaber Saloniki – Žg„is
unterstellt ist.
Auf Grund der Erlaáe des Milit„rbefehlshabers, gibt nun Wisliceng die
Ausfhrungsbestimmungen dazu bekannt. Wie groá die Judenkennzeichen
zu sein haben, wer als Jude dem Gesetze nach zu gelten hat, usf. (94)
Die Flucht eines Einzeljuden veranlaáte am 21. M„rz 1943 den
Milit„rbefehlshaber anzuordnen, daá 25 Juden als Geiseln festgenommen
wrden. Bei geringster Zuwiderhandlung gegen die vorgeschriebenen
Verpflichtungen, wrden diese erschossen werden. Ferner drfen Juden
auch innerhalb des Ghettos, nur zwischen 10 Uhr und 16 Uhr ihre H„user
verlassen. Zuwiderhandelnde werden sofort erschossen; Deutsche und
griechische Polizeikommandos wrden diese Anordnung besonders streng
berwachen. (95)
/402/
AE 80
In Saloniki befanden sich etwa 55.000 Juden. Der weitaus grӇte Teil von ihnen,
wurde deportiert.
Aus einem Runderlaá des Ausw„rtigen Amtes an die deutschen Missionen in
Budapest, Lissabon, Rom, und Ankara vom 30. April 1943 ist zu ersehen,
daá zwingende milit„rische und sicherheitspolizeiliche Grnde, allgemeine
Maánahmen gegen Juden auch auf das von deutschen Truppen besetzte
nordgriechische Gebiet, auszudehnen, notwendig machen. (96)
Wer allein ber Ingangsetzung oder Einstellung von Judendeportationen
entschied, und wer die taktischen Belange dabei beobachtete, zeigt ein
telegramm des deutschen Gesandten Neubacher, aus Athen an das
Ausw„rtige Amt vom 27. Nov. 1943. ,Bitte bei Chef des
Reichssicherheitshauptamtes anzuregen, daá mit Abtransport hiesiger Juden
noch zugewartet wird. Es haben sich von ca. 8.000 Juden ber Aufforderung
des Sicherheitsdienstes, ca. 1.200 gemeldet; die brigen sind geflchtet oder
halten sich verborgen. Nach Abtransport der Juden, die sich gemeldet haben
und die wahrscheinlich das uninteressanteste Kontingent darstellen, besteht
berhaupt keine Aussicht mehr, an diejenigen heranzukommen, die fr uns
politisch wesentlich interessanter sind als die gemeldeten.
/403,404/
AE 81
Der H”here SS- u. Polizeifhrer und Chef des Sicherheitsdienstes sind derselben
Ansicht. Erbitte Bescheid an mich in Belgrad und an H”heren SS- u. Polizeifhrer
nach Athen.”
Neubacher war um jene Yeit der Bevollm„chtigte des Ausw„rtigen Amtes fr
den gesamten Sdosten.
Dieses Telegramm leitete mir der Referent in der Abteilung DIII des Ausw.
Amtes, Legationsrat Dr. von Thadden, mit der Bitte, um entsprechende
Stellungnahme des Chefs des Reichsicherheitshauptamtes, General der
Polizei und der Waffen SS, Dr. Kaltenbrunner, zu.
Herr v. Thadden versah das nach 1945 aufgefundene Doppel seines
Schnellbriefes an mich, am 4. Dez. 1943 mit einer Handnotitz, die besagt, daá
er mit mir die Sache besprochen habe und ich ihm mitgeteilt h„tte, daá
Kaltenbrunner die Angelegenheit inzwischen direkt mit den Beteiligten,
telephonisch erledigt habe und der Abtransport daher durchgefhrt werde.
Auch dieses Beispiel zeigt andererseits, daá mein Referat in den Dingen, im
Reichssicherheitshauptamt, die eines Nachrichten- und Befehlsbermittlers
war. Im Gegensatz von Presse und Literatur, sowie mancher unwahrer,
sogenannte Zeugenaussagen, habe ich nie etwas anderes behauptet. (97)
/405, 406/AE 82
– 10 – Jugoslawien:
Am 10. April marschierten die deutschen Truppen in Zagreb ein und am 12. April
wurde Belgrad besetzt. Im Verbande der Truppen war ebenfalls eine
Einsatzgruppe der Sicherheitspolizei und des SD eingegliedert. Ihr Befehlshaber
war der SS-Standartenfhrer und Oberst der Polizei Dr. Fuchs. Dieser
Einsatzgruppe unterstanden zwei Einsatzkommandos, eines in Agram unter dem
SS-Sturmbannfhrer Beisner, das zweite in Begrad, unter SS-Sturmbannfhrer
Kraus. Nach Einrichtung einer deutschen Gesandtschaft in Agram, unter dem
Gesandten Kasche, wurde dieser, der SS-Sturmbannfhrer Helm als Polizeiattach‚
zugeteilt. (98) Der jugoslavische Raum war in drei Regionen aufgeteilt worden.
Der slovenische Teil, von welchem einige Kreise dem Reichsgebiet einverleibt
wurden; Kroatien, welches zu einem selbstst„ndigen Staate proklamiert wurde
und das von deutschen Truppen besetzte Serbien.
Eins.) Slovenien:
Heydrich erhielt ber Himmler Befehl, umgehend mit der ,Bereinigung der
Volkstumsfragen” in dem neu zum Reich gekommenen Gebieten im
Sdosten, zu beginnen. Es handelte sich im wesentlichen um die Evakuieurng
von 260.000 Slowenen nach Serbien; es war dies eine ursprnglich befohlene
Zahl, die soweit ich mich glaube erinnern zu k”nnen, auch nicht ann„hernd
erreicht wurde.
Ich erhielt um jene Zeit den Befehl,
/407/
AE 83
Einladungsschreiben zu einer am 6. Mai 1941 in Marburg anberaumten
Besprechung unter dem Vorsitz Heydrichs, an s„mtliche deutschen
Zentralinstanzen auszusenden. So an das Ausw„rtige Amt,
Reichswirtschaftsministerium, Reichinnenministerium, Beauftragten fr den
Vierjahresplan, Reichsfinanzministerium, Kanzlei des Fhrers, Rasse- und
Siedlungshauptamt, Reichsverkehrsminsterium u.a.m.
Die T„tigkeit der Evakuierung lief unter den Auspizien des Reichsfhrers SS
u. Chef der Deutschen Polizei, als Reichskommissar fr die Festigung
deutschen Volkstums. Das Konferenzziel war, daá alle beteiligten
Zentralinstanzen nach dem Aussiedlungsgebiet ihre Vertreter zur Hitler –
Befehl – Durchfhrung abzustellen haben und dort die ihnen obliegenden
Ressortarbeiten an Ort und Stelle zu erledigen.
Meine Aufgabe war es fr die laufende Berichterstattung von ,oben nach
unten” und umgekehrt Sorge zu tragen.
Die Aussiedlungsbestimmungen selbst, war eine Angelegenheit des Amtes III,
des Reichssicherheitshauptamtes, sowie die des Rasse- u.
Siedlungshauptamtes. (99)
Zwei.) Serbien:
Am 11. Mai 1941 ergeht seitens des Milit„rbefehlshabers in Serbien, eine
Einladung zur Besprechung ber Judenangelegenheiten,
/408, 409/
AE 84
an den Generalbevollm„chtigten fr die Wirtschaft in Serbien, Generalkonsul
Neuhausen, an dem Bevollm„chtigten des Ausw„rtigen Amtes in Serbien, den
Gesandten Benzler, an den Chef der Einsatzgruppe der Sicherheitspolizei und des
SD, Dr. Fuchs, dem Feldkommandanten Oberst Keisenberg und an den Leiter der
Verwaltungsgruppe Oberkriegsverwaltungsrat Dr. Rantze. (100) Fnf Tage sp„ter
wurden die Juden von Belgrad aufgefordert, sich am 19.4.41, um 8 Uhr frh, bei
der St„dtischen Schutzpolizei, zu melden. (101)
Und seitens des Gesandten Benzler und Veesenmayer geht nunmehr
Forderung um Forderung nach Beseitigung dieser Juden aus dem serbischen
Raum, an das Ausw„rtige Amt, nach Berlin ab.
Am 8. Sept. 1941 schreiben Benzler und Veesenmayer an das Ausw„rtige
Amt: ,. Es ist daher dringend geboten, nunmehr beschleunigt fr
Sicherstellung und Entfernung zu mindestens aller m„nnlichen Juden zu
sorgen. Die hierfr in Frage kommende Zahl drfte ? 8.000 betragen.”
Am 10. Sept. 1941, lassen Benzler und Veesenmayer aus Belgrad verlauten:
,Rasche und drakonische Erledigung serbischer Judenfrage ist dringenstes
und zweckm„áigstes Gebot. Erbitte von Herrn Reichsauáenminister
entsprechende
/410/
AE 85
Weisung, um beim Milit„rbefehlshaber Serbien, mit entsprechendem Nachdruck
wirken zu k”nnen. Seitens serbischer Regierung und Bev”lkerung, ist keinerlei
Widerstand zu erwarten, umso weniger, als bisherige Teilmaánahmen sich bestens
bew„hrt haben. Gleichlautender Befehl von Reichsfhrer SS, an chef der
Einsatzgruppe der Sicherheitspolizei, SS-Standartenfhrer Fuchs, wrde
Angelegenheit wesentlich f”rdern. (102)
Es ging anf„nglich darum, diese 8.000 Juden auf eigendeine, zu Rum„nien
geh”rende Donauinsel zu verbringen. Dies wurde jedoch von Ribbentrop
abgelehnt, da es ohne Zustimmung der Rum„nen nicht durchgefhrt werden
k”nne. Unterstaatssekret„r Luther teilte dies am 11. Sept. an Benzler mit und
bemerkte, daá es anheimgestellt wrde, die Juden in Arbeitslager
sicherzustellen. (103)
Aber sofort, am 12. Sept., antwortet Benzler, daá Unterbringung in
Arbeitslagern nicht m”glich sei, da infolge der inneren Zust„nde – Aufst„nde
– die Sicherung nicht gew„hrleistet erscheine. Es bliebe nur noch die
sofortige Abschiebung etwa nach dem Generalgouvernement oder Ruáland,
was aber erhebliche Transportschwierigkeiten breiten drfte. Anderenfalls
máe die Judenaktion vorl„ufig zurckgestellt werden, was gegen die ihm,
/411/
AE 86
von Ribbentrop, erteilten Weisungen sei. (104)
Am 13. Sept. legt der Legationsrat Rademacher seinem Unterstaatssekret„r eine
bemerkenswerte Aufzeichnung vor.
,Die Notwendigkeit der von der Dienststelle des Bevollm„chtigten des
Ausw„rtigen Amtes in Belgrad gewnschten Abschiebung der 1.200 m„nnlichen
Juden, wenn nicht nach Rum„nien, so doch nach dem Generalgouvernement oder
nach Ruáland, vermag ich nicht einzusehen. Ruáland ist als Operationsgebiet zur
aufnahme von Juden v”llig ungeeignet. Wenn sie schon in Serbien eine Gefahr
sind, sind sie in Ruáland eine noch viel gr”áere. Das Generalgouvernement ist
bereits mit Juden bers„ttigt. M.E. máte es bei der n”tigen H„rte und
Entschlossenheit m”glich sein, die Juden auch in Serbien in Lager zu halten.
Wenn die Juden dort nach wie vor Unruhen schren, muá gegen sie mit
versch„rftem Standrecht vorgegangen werden. Ich kann mit nicht vorstellen, daá
die Juden weiter konspirieren, wenn erst eine grӇere Anzahl von Geiseln
erschoáen ist.” (105)
Benzler richtet am 28. Sept. ein erneutes dringendes Telegramm; fr den
Reichsauáenminister pers”nlich. Er erinnert ihn
/412, 413/ AE 87
an seine Zusage, ihm zu helfen, die Juden, Freimaurer und englandh”rige Serben,
sei es donauabw„rts, sei es in Konzentrationslager in Deutschland oder im
Generalgouvernement, unterzubringen. Sofortige L”sung der Judenfrage sei im
Augenblick in Serbien die politisch wichtigste Aufgabe und Voraussetzung fr
Inangriffnahme der Beseitigung von Freimaurern und deutschlandfeindlicher
Intelligenz. Die im Gange befindliche milit„rische Aktion zur
Aufstandsbek„mpfung schaffe jetzt den geeigneten Zeitpunkt fr den Befinn der
Aktion. Zudem habe General B”hme, ebenso wie der Milit„rbefehlshaber, erneut
nachdrcklich gebeten, auch in ihrem Namen, m”glichst sofortige Abschickung
der Juden auáer Landes zu erwirken. Es handele sich zun„chst um etwa 8.000
m„nnliche Juden, deren Unterbringung in Lager unm”glich sei, da diese Lager fr
Unterbringung von 20.000 Serben aus den aufstandsgebieten in Anspruch
genommen werden máen.
Mit den restlichen etwa 20.000 Juden und Familienangeh”rigen, werden sie dort
selbst fertig werden máen, die Abschickung auf eine Insel im Donaudelta
erscheine transportm„áig die einfachste L”sung und Benzler erbittet abschlieáend,
/414/AE 88
zusammen mit Veesenmayer, in dieser Frage die erste Voraussetzung fr
angestrebte Dauerbefriedung sei, um dringende Untersttzung. (106)
Hierzu nahm Luther – zwecks Vorlage ber den Staatssekret„r, bei dem
Reichsauáenminister – am 2. Oktober wie folgt Stellung:
,Wenn der Milit„rbefehlshaber mit Benzler dahingehend einig ist, daá diese 8000
Juden in erster Linie die Befriedungsaktion im serbischen Altreich verhindern, so
muá meiner ansicht nach der Milit„rbefehlshaber fr die sofortige Beseitigung
dieser 8.000 Juden Sorge tragen. In anderen Orten sind anderer
Milit„rbefehlshaber mit einer wesentlich gr”áeren anzahl von Juden fertig
geworden, ohne berhaupt darber zu reden.
Meiner Ansicht nach k”nnen wir dem rum„nischen Staatsfhrer, welcher ohnehin
gengend Sorgen mit der Abschiebung seiner eigenen Juden hat, nicht zumuten,
weitere 8.000 Juden aus fremden Staatsgebiet zu bernehmen.
Ich bitte daher um die Erm„chtigung, diese Frage mit Obergruppenfhrer
Heydrich, welcher in den n„chsten Tagen auf kurze Zeit von Prag nach Berlin
kommen wird, zu besprechen. Ich bin berzeugt, daá wir im Einvernehmen mit
ihm
/415/AE 89
sehr bald zu einer klaren L”sung dieser Frage kommen k”nnen.” (107)
Noch am selben Tage, um 22,20 Uhr, gab Ribbentrop bekannt, sofort mit
Himmler die Frage zu kl„ren, ob er die 8.000 Juden, nach Ostpolen schaffen
k”nne. Und mit Heydrich wurde vereinbart, daá ein Sonderbeauftragter der
Reichssicherheitshauptamtes zur Regelung der Frage nach Belgrad kommen
werden. Drei Tage sp„ter schreibt Luther nach Belgrad, daá ich in Begleitung des
Legationsrates Rademacher die Reise antreten wrde. Am 15. Oktober wurde
dieser Plan wieder aufgegeben, dann Luther muáte Belgrad mitteilen, daá nicht
ich, sondern andere, als Vertreter des Reichssicherheitshauptamtes, gemeinsam
mit Rademacher nach Belgrad k„men.
Auch hier scheint aber wieder etwas dazwischen gekommen zu sein, denn
Rademacher fuhr – wie sein Dienstreisegenehmigungsantrag den er an seine
Beh”rde richtete lautet – zwecks Liquidierung von 8.000 Juden, offensichtlich
alleine nach Belgrad, denn sein ausfhrlicher Dienstreisebericht beinhaltet nichts
ber andere Dienstreiseteilnehmer; auch die Akten besagen nicht diesbezglich.
(109)
/416/AE 90
In Serbien geschah in der Zwischenzeit folgendes:
Der Bevollm„chtigte Kommandierende General in Serbien, General der
Infanterie, B”hme, erlieá am 10. Okt. 41, einen Befehl, demzufolge es notwendig
geworden sei, die Befehle des Oberkommandos der Deutschen Wehrmacht, in der
sch„rfsten Form durchzufhren.
Es seien daher in allen Standorten s„mtliche m„nnlichen Kommunisten, Juden
und eine bestimmte Anzahl nationalistischer und demokratisch gesinnter
Einwohner, als Geiseln festzunehmen.
Fr jeden get”teten oder ermordeten deutschen Soldaten oder Volksdeutschen
sind 100 Gefangene oder Geiseln zu erschieáen; fr jeden Verwundeten deren 50.
Der Chef des Generalstabes des Bevollm. Kommandierenden Generals in Serbien
befahl am 19. Oktober 1941 die Exekution an 2.200 Festgenommenen, fr 10
gefallene und 24 verwundete deutsche Soldaten. (110)
Rademacher schrieb in seinem Dienstreisebericht vom 25. Okt. 41, daá seine erste
Aussprache mit dem Gesandten Benzler und dem Staatsrat Turner auf der
Dienststelle des Milit„rbefehlshabers ergeben h„tte, daá bereits ber 2000
/417/AE 91
dieser Juden als Repressalie fr šberf„lle auf deutsche Soldaten erschoáen waren.
Ins Einzelne gehende Verhandlungen mit den Sachbearbeitern der Judenfrage SS-
Sturmbannfhrer Dr. Weimann von der Dienststelle des Staatsrates Turner und
dem Leiter der Staatspolizeistelle (er meint hier den Chef der Einsatzgruppe der
Sicherheitspolizei) SS-Standartenfhrer Dr. Fuchs, und dessen Judenbarbeiterin
ergaben:
,1.) Die m„nnlichen Juden sind bis Ende dieser Woche erschoáen, damit ist das in
dem Bericht der Gesandtschaft angeschnittene Problem ereldigt.
2.) Der Rest von etwa 20.000 Juden (Frauen, Kinder, alte Leute) sowie rund 1.500
Zigeuner, von denen die M„nner ebenfalls noch erschoáen werden, sollte in
sogenannte Zigeunerviertel der Stadt Belgrad als Ghetto, zusammengefaát
werden.” (111)
Jetzt aber wurde es dem Staatssekret„r im Ausw„rtigen Amt, Herrn von
Weizs„cker zu Berlin, denn doch zu viel und er schrieb am 22. November auf
Grund einer Aufzeichnung, der Abteilung D III seines amtes vom 7. Nov., daá
gem„á Fhrererlaá vom 28.4.1941, der Bevollm„chtigte des Ausw„rtigen Amtes
fr die Behandlung aller in Serbien auftauchenden Fragen auáen-
/418/AE 92
politischen Charakters zust„ndig sei und daá demnach der Gesandte Benzler und
mit ihm das Ausw„rtige Amt sich mit dem Abtransport von Juden aus Serbien
nach anderen L„ndern zu befassen habe, es dagegen ber Benzlers und des
Ausw„rtigen Amtes Aufgabe hinausginge, darin aktiv mitzuwirken. Er habe heute
dem Gesandten Benzler mndlich dasselbe gesagt und es wrde sich empfehlen,
ihn noch entsprechen schriftlich zu unterrichten.
Dagegen fhrte Unterstaatssekret„r Luther in einer Notitz fr seinen Staatssekret„r
am 12. Dez. 1941, yu seiner Verteidigung in’s Treffen, was er alles gem„á
Weisung Ribbentrops unternommen habe und er daher annehmen muáte, das es
im Sinne des Herrn Reichsauáenministers lag, wenn sich das Ausw„rtige Amt ,in
diese an sich sicherlich, recht heikle Angelgenheit” einschaltete. (112)
Dieser ,Streit im Hause” scheint der Grund zu sein, weshalb sich auf einem
Telegramm Benzlers an das Ausw„rtige Amt vom 12. Sept. 41, fogende
handschriftlichen Vermerke finden: ,Bitte sofort mit Reichssicherheitshauptamt
sprechen, dann Bericht.
Luther, 12.9.”
Unterschriftkrzel
/419/AE 93
,Nach Auskunft Sturmbannfhrer Eichmann, Reichssicherheitshauptamt, IV D
VI, Aufnahme im Reichsgebiet und Generalgouvernement unm”glich. Nicht
einmal die Juden aus Deutschland k”nnen dort untergebracht werden. Eichmann
schl„gt Erschieáen vor.
Rademacher 13.9.”
Dazu sagte Rademacher am 30. Juli 1948, in Nrnberg folgendes aus:
,Auf Grund der Notitz Luthers vom 12.9. bin ich am 13.9. zum Vortrag bestellt
worden. Ich erinnere mich noch genau, daá ich ihm gegenber saá als ich mit dem
Reichssicherheitshauptamt telephonierte und daá ich die handschriftlichen
Stichworte ber Eichmanns Antwort aufschrieb und w„hrend des Telepphonates
zu Luther hinberschob. Eichmann hat dem Sinne nach gesagt, daá die Milit„rs
fr die Ordnung in Serbien verantwortlich seien und aufst„ndische Juden eben
erschieáen máten. Auf meine Nachfrage wiederholte er einfach: ,Erschieáen`
und hing auf.”
Nun, ich habe nie eine solche Žuáerung getan; sie ist von Rademacher frei
erfunden. Ich h„tte dazu auch gar keine Befugnis gehabt.
Wegen viel geringerer Angelegenheiten wurden zwischen dem
Reichssicherheitshaupt-
/420/AE 94
amt und dem Ausw„rtigen Amt und umgekehrt, hunderte von Schreiben
gewechselt. Ja, mit einer ausgesprochenen brokratischen Pedanterie darauf
geachtet, gegeseitige Stellungnahmen stets s„uberlich bei den Akten, gem„á den
brokratischen Vorschriften, zu haben.
Ferner; man stelle sich vor, im Ausw„rtigen Amt sitzen sich zwei M„nner
gegenber. Beide kennen sich gut. Der eine von ihnen kennt den Telephonpartner
dienstlich sehr gut, der andere kennt ihn dienstlich gut.
Es wird schnell angerufen. Beide wissen wen und wo.
Rademacher tr„gt den Sachverhalt vor. Luther sitzt ihm dabei gegenber.
Rademacher schreibt die Auskunft auf die Akte.
Ich frage daher vom Standpunkt des Kriminalisten: meines Erachtens f„ngt in
einem solchen Falle ein Person kaum an zu schreiben: ,Nach Auskunft
Sturmbannfhrer Eichmann, R & H.A. IV D VI . .”
Luther weiá dies alles, denn er sitzt ja gegenber und er kannte mich ja schon
lange.
Es kann auch nicht stimmen, daá Rademacher meine angebliche Auskunft
w„hrend dieses angebliche Telephonat zu Luther ber den Schreibtisch hinber-
/421/AE 95
schob, denn wenn man seine Notitzen und Aussagen durchspielt, geht die Sache
nicht auf.
Des weiteren, mit keinem Wort werde ich im Laufe der weiteren diesbezglichen
Aktenbehandlung mehr erw„hnt, was doch sonst sehr nahe liegend w„re. Nein, es
ist schon so wie ich sagte, hier wurde infolge der Weizs„cker’schen Rgen
schleunigst ein zus„tzliches ,Entlastungsmaterial” nachtr„glich geschaffen, wie
solches in „hnlichen F„llen innerhalb der Zentralinstanzen gerne praktiziert wird.
Und letztlich ist in diesem Zusammenhang unter Umst„nden auch die Aussage v.
Weizs„ckers w„hrend des Nrnberger Prozesses nicht uninteressant. (113)
Abgesehen davon war meine Dienstbezeichnung nicht IV D VI, sondern IV B 4.
Kroatien:
Der deutsche Gesandte der kroatischen Republik in Adram, Kasche richtete an das
Ausw„rtige Amt nach Berlin ein Telephonat, in dem er mitteilte, das die
kroatische Regierung mit der Aussiedlung der Juden grunds„tzlich einverstanden
sei. Er halte es daher fr richtig, mit der Aussiedlung zu beginnen und zwar fr
das gesamte Staatsgebiet. Man k”nne es darauf ankommen lassen, ob sich im
Zuge der Aktion Schwierigkeiten ergeben, soweit es sich um die von Italienern
/422, 423/AE 96
besetzte Zone handele. (114)
Luther machte diese Mitteilung am 24. Juli 42, zum Gegenstand einer Vorlage bei
Ribbentrop.
Am 16. Oktober 42 meldete Kasche, daá der kroatische Finanzminister Kosak
sich bereit erkl„rt habe, dem Deutschen Reich fr jeden ausgesiedelten Juden
Dreiáig Reichsmark zur Verfgung zu stellen. Die schriftliche Best„tigung, sowie
die Zahlungsweise wrde mit dem Auáenminister Lorkovic vereinbart. Die
Vorbereitungsarbeiten fr die Aussiedlung der Juden aus den von den Italienern
besetzten Zonen, werden von dem Polizeiattach‚ durchgefhrt. Er b„te, das
Reichssicherheitshauptamt zu verst„ndigen. (115)
Aber die Italiener hatten sich die Durchfhrung doeser Aufgabe selbst vorbehalten
und eine šberstellung der Juden an Deutschland abgelehnt. (116)
Inzwischen wurde dem Polizeiattach‚ als Gehilfe ein SS-Hauptsturmfhrer
Abromeit unterstellt, welcher den Abtransport der Juden aus Kroatien, soweit
diese fr eine Evakuierung in Frage kamen, zu bernehmen und die
Transportzge von der Deutschen Reichsbahn zu bestellen hatte.
Die Erfassung der Juden wrden durch die jeweils zust„ndigen Polizeichefs bei
/424, 425/AE 97
den Groágespanschaften, gem„á einer Anweisung der Hauptdirektion fr
”ffentliche Ordnung und Sicherheit, durchgefhrt werden. (117)
Am 22. April 1944 gibt der Gesandte Kasche einen Bericht ber die Judenfrage in
Kroatien an das Ausw„rtige Amt, worin er feststellt, daá diese in Kroatien ,in
weitem Maáe bereinigt” worden ist; es handele sich jetzt nur noch um
Maánahmen in den Kstengebieten. Als Anlage fgt er einen Bericht seines
Polizeitattach‚s bei. Bekanntlich wurde die Judenaussiedlung aus Kroatien – so
heiát es in diesem Bericht – im Sp„therbst 1942 durch die zust„ndigen kroatischen
Beh”rden, unter Einschaltung einer beratenden T„tigkeit des Polizeiattaches
durchgef„hrt. Es l„ge ein Schreiben des Reichssicherheitshauptamt vor,
demzufolge auf Befehl Himmlers die Judenfrage in Kroatien in schnellster Zeit
bereinigt werden soll. Auf Grund des Himmler-Befehls, wrde durch den
Befehlshaber der Sicherheitspolizei, im engsten Einvernehmen mit ihm, die
Judenfrage nochmals eingehendst geprft. (118)
/426/AE 98
– 11 –
Rum„nien:
Der Deutsche Gesandte in Rum„nien Manfred Freiherr von Killinger fordert vom
Ausw„rtigen Amt den Berater fr Arisierung- und Romanisierungsfragen SS-
Hauptsturmfhrer Richter, der zum Reichssicherheitshauptamt geh”rt, am
7.8.1941 an; man m”ge ihn nach Bukarest zurckentsenden.
Eine dahingehende Bitte des stellvertretenden Ministerpr„sidenten Mihai
Antonescu an Himmler, sei ebenfalls bereist auf dem Wege nach Berlin. (119)
Und Luther konnte in einem ausfhrlichen Lagebericht an Ribbentrop u.a. hierzu
bemerken, daá es trotz streuben des Reichssicherheitshauptes, auf Antrag des
Ausw„rtigen Amtes gelungen w„re, Richter, der aus Rum„nien zurckgezogen
wurde, wieder nach Bukarest zu bekommen. (120)
Richter hatte alsbald zwei bedeutsame Unterredungen mit Mikai Antonescu. Die
eine am 12. Dez. 1941, die zweite am 23.1.1942.
In beiden Besprechungen handelte es sich vornehmlich um das Einverst„ndnis,
die rum„nische Regierung m”ge, in Anlehnung an den Himmler-Befehl,
betreffend Verbot der Auswanderung von Juden ans Deutschland und von
besetzten Gebieten, vom Oktober 1941, auch von sich aus ein solches Verbot fr
das
/427, 428/AE 99
rum„nische Hoheitsgebiet erlassen. Richter schreibt darber in seinem Bericht,
daá der Chef der Sicherheitspolizei und des SD (Heydrich) von sich aus den
Berater (also ihn) davon in Kenntnis gesetzt habe. Der Chef der Sicherheitspolizei
wnsche nun, daá auch die Auswanderung von Juden aus Rum„nien unter allen
Umst„nden unterbunden wird. – /1 « Zeilen gestrichen, unleserlich/ (121)
Am 30.August 1941 wird in Tighina, zwischen dem Oberkommando des
deutschen Heeres, vertreten durch den Generalmajor Hauffe und dem Vertreter
des K”niglich Rum„nischen Groáen Generalstabes, Brigadegeneral Tatarascu eine
Vereinbarung getroffen ber die Sicherung, Verwaltung und
Wirtschaftsauswertung der Gebiete zwischen den Fláen Dujestc und Bug und
Bug und Dujepc. Dieser Vereinbarung lagen unter anderen ein Schreiben ,Hitlers
an den rum„nischen Staatschef Antonescu” v. 14.8.1941 und das
Antwortschreiben ,Antonescu an den Fhrer und Reichskanzler des Deutschen
Reiches, Hitler”, zugrunde.
Im Punkt sieben des Vertrages heiát es: ,Abschub der Juden ber den Bug ist zur
Zeit nicht m”glich. Sie máen daher in Konzentrationslager
/429, 430/AE 100
zusammengefaát und zur Arbeit eingesetzt werden, bis nach Abschluá der
Operationen ein Abschub nach Osten m”glich ist.” (122)
Im April 1942 teilte der Reichskommisar fr die besetzten Ostgebiete den in
Frage kommenden Zentralinstanzen nach Berlin mit, daá ”rtliche rum„nische
Stellen in letzter Zeit etwa 10.000 Juden ber den Bug in das Reichskommissariat
Ukraine abgeschoben h„tten und die Abschiebung weiterer 60.000 rum„nischer
Juden, den Umst„nden nach zu befrchten sei. Auch das
Reichssicherheitshauptamt erhielt solch eine Beschwerde.
Gem„á Befehl meiner Vorgesetzten schrieb ich daraufhin am 14. April 1942 an
das Ausw„rtige Amt, daá bei den ”rtlichen rum„nischen Stellen seitens der
rum„nischen Regierung auf unverzgliche Einstellung dieser illegalen
Judentransporte hinzuwirken w„re. Da angenommen werden, daá seitens der
rum„nischen Regierung bedingungslos entsprochen wrde, /1 « Zeilen
durchgestrichen, unleserlich/ wird zwecks Vermeidung einer Versch„rfung der
durch die illegale Abschiebung der Juden zwischen den ”rtlichen Stellen bereits
enstandenen Spannungen, zun„chst von sicherheitspolizeilichen Maánahmen
abgesehen.
Fr den Fall jedoch – so hatte ich weisungsgem„á weiter zu schreiben – daá die
rum„nische Regierung dem
/431/AE 101
Ersuchen um Einstellung nicht entspreche, oder aber ”rtliche rum„nische Stellen
entgegen einer Weisung der rum„nischen Regierung handeln und weiterhin Juden
abschieben sollten, bleiben sicherheitspolizeiliche Maánahmen vorbehalten.
Im Mai 1942, wurden diese, ber den Bug abgeschobenen Juden, in der Ukraine
liquidiert. Sie wurden von den ”rtlichen Stellen gem„á einer h”heren Weisung
get”tet. Die Literatur hat sich hierbei insbesonderlich meinen Satz bezglich der
,sicherheitspolizeilichen Maánahmen” gemerkt. Jedermann aber, der auch nur
halbwegs lesen kann, vermag ohne geringste Mhe zu verstehen, daá diese
Maánahmen sicherheitspolizeilicher Natur nicht gegen die Juden zur Anwendung
zu bringen sind, sondern gegen die ”rlichen rum„nischen Stellen, welche die
Abschiebungsmaánahmen durchfhrten. Und jeder im Grenzdienst stehende weiá,
daá unter solchen Maánahmen eine Sperrung der Grenze zu verstehen sei, Worte
welche man in dieser scharfen Form im gegenseitigen Verkehr, eben allgemeiner,
mit sicherheitspolizeiliche Maánahmen, umschreibt. (123)
/432/AE 102
Um es gleich vorweg zu nehmen, nicht daá die damalige Reichsfhrung gegen
eine abschiebung von Juden nach dem Osten gewesen w„re. Im Gegenteil. Gerade
um diese Zeit, Mitte 1942, lagen besonders scharfe Befehle Himmlers zur
Intensivierung der Judendeportationen nach dem Osten vor. Aber offensichtlich
hatte Rosenberg, der Reichsminster fr die besetzten Gebiete bei h”chster Stelle
gegen eine solche ,regellose und unkontrollierbare” Abschiebung in ,sein” Gebiet
Protes erhoben.
Denn etwa zu gleicher Zeit, als diese Aufregung durch den Berliner
Beh”rdenwald wehte, schrieb Mller an Luther, daá vorgesehen sei etwa ab 10.
Sept. 1942, nunmehr auch Juden aus Rum„nien in Sonderzgen nach dem Osten
zu schaffen. Der zu erfassende Personenkreis erstrecke sich zun„chst auf
arbeitsf„hige Juden, soweit sie nicht unter die privilegierten Ausnahmen fallen.
Und an Himmler geht dieselbe Mitteilung, jedoch mit dem Bemerken, daá der
arbeitsf„hige Teil arbeitseinsatzm„áig angesetzt wrde, der Rest der
Sonderbehandlung unterzogen werden soll. (124)
Luther schrieb daraufhin an Mller zurck, daá grunds„tzlich seitens des
Ausw„rtigen Amtes keine Bedenken dagegen bestnden, daá nunmehr auch
/433/AE 103
die Abbef”rderung der Juden aus Rum„nien nach dem Osten in Angriff
genommen wird. Bezglich des Umfanges des zu erfassenden Personenkreises
und der Haltung der rum„nischen Regierung schwebten jedoch noch
Ermittlungen, nach deren Abschluá man auf diese Angelegenheit zurckkommen
wrde. (125)
Am 15. September 1942 richtet Killinger ein Telegramm an das Ausw„rtige Amt
und teilt mit, da die rum„nische Regierung auf die Verbalnote der deutschen
Gesandtschaft vom 27. August noch nicht geantwortet habe, k”nne ein Termin
ber den Beginn der Aussiedlungsaktion nicht festgelegt werden. (126)
In der ganzen Angelegenheit kommt es zwischen Killinger und Luther einem
recht beachtlichen und energischen Briefwechsel in dessen Verlauf der oftmals
unbeherrschte Killinger blindlings mit Vorwrfen gegen andere vorgeht, ohne
sich die Mhe einer sachlichen Prfung zu nehmen. Der Anlaá hierfr ist
eigentlich sein eigener, ihm unterstellter SS-Hauptsturmfhrer Richter, der einige
Zeit sp„ter zu seinem Polizeiattach‚ ? wird. Dieser hat sich von dem
stellvertretenden Ministerpr„sidenten Rum„niens, Mihai Antonescu ein
Handschreiben ausstellen lassen, demzufolge Rum„nien mit der
/434/AE 104
Aussiedlung der Juden nach dem Osten, einverstanden ist.
Nun, Richter war ein Mann, der aus dem Nachrichtendienst nicht nur kam,
sondern zu jder Zeit mit beiden Beinen darin stand. Die peinliche Beobachtung
brokratischer Feinheiten, eine ordnungsgem„áe Aktenbearbeitung, absolute
Einhaltung des Dienstwegesund was dererlei Vorschriften nich sein mochten, lag
ihm nicht besonders. Verhandlungen mit untergeordneten Instanzen, etwa
Referenten, lag ihm ebenfalls nicht. Er verhandelte und trug vor, der Stelle, die er
als richtig fand und dies waren jeweils die Chefs. So auch gelang ihm als einziger
Berater der Sprung, zum Polizeiattach‚ akkreditiert zu werden.
Natrlich entsprach die Form des Erlangung eines solchen Handschreibens von
einer solch hohen offiziellen Stelle, nicht den blichen diplomatischen
Gepflogenheiten. Und es ist nicht sehr verwunderlich, wenn Luther seitens des
Ausw„rtigen Amtes hierber dem Gesandten Killinger sein Erstaunen zum
Ausdruck gebracht haben mag.
Und Killinger reagierte hierauf sehr b”se, und sparte nicht mit Vorwrfen.
Wie das Ausw„rtige Amt annehmen
/435, 436/AE 105
k”nne, daá er derart wichtige Fragen ausschlieálich von einem SS-Offizier
erledigen lasse; oder: daá der Berater die Vorarbeit auf seinem Befehl gemacht
hat, st eine Selbstverst„ndlichkeit.
Aber er verstnde andererseits nicht, daá wenn schon ein so hoher Beamter der
rum„nischen Regierung, wie der Kommissar fr Judenangelegenheiten Lecca,
nach Berlin zu Verhandlungen k„me, dieser durch das Ausw„rtige Amt
gewissermaáen zwischen Tr und Angel abgefertigt werde, was ganz zweifellos
zu Verstimmungen fhren máe.
In seinem blinden Zorn schreibt er ber den postalischen Dienstweg zwischen
Gesandtschaft – Ausw„rtige Amt – Reichssicherheitshauptamt und umgekehrt und
unterstellt mir, ich h„tte mich nicht an diesen vorgeschriebenen Dienstweg
gehalten. Es ist ein Unsinn; durch nichts ist zu belegen, daá ich mir heir einen
Formfehler in brokratischer Hinsicht h„tte zu Schulden kommen lassen; ja ich
hatt berhaupt mit dieser Sache nichts zu tun gehabt, weil Richter die
angelegenheit im Einvernehmen mit seinem eigenen Gesandten durchfhrte, was
Killinger merkwrdigerweise im selben Atemzuge eigenh„ndig best„tigte. Luther
selbst schreibt auf eine Akte schlieálich resignierend vor der Sturk”pfigkeit seines
Gesandten, Killinger wolle einfach nicht verstehen.
/437, 438/AE 106
Und dies alles, als Luther etwa um die gleiche Zeit in einem Bericht an seinen
Minster schrieb, daá das Reichssicherheitshauptamt von einer geradezu
bertriebenen Vorsicht sei. (127)
Am 9. Oktober 1942 erkundigt sich Gesandtschaftsrat Dr. Stelzer nach der
Verbalnote
Vom 27. August. Mihai Antonescu beeilte sich zu versichern, daá er sie noch
nicht vergessen habe. Auch seine Besprechungen mit dem Reichsauáenminister in
dessen Feldquartier, h„tten sich auf dieser L? bewegt; es sei daher eher an
Deutschland, nunmehr konkrete Vorschl„ge zu machen.
Richter suchte daher am 22. Oktober Mihai Antonescu auf. Dier erkl„rte –
offenbar sehr zu Richters Erstaunen – er habe der Aussiedlung der Juden aus
Rum„nien zugestimmt und es sei auch in Berlin diesbezglich verhandelt worden;
andererseits aber seien die Deportationen ber den Bug verboten worden. (Siehe
dazu mein Schreiben welches ich befehlsm„áig zu fertigen hatte und worin ich
mit sicherheitspolizeilichen Maánahmen winken muáte, fr den Fall die
Deportationen ber den Bug nicht eingestellt wrden.) Hier seu seiner Meinung
nach ein Widerspruch. Richter kommt zu dem Schluá, daá der Staatschef
Mrschall Antonescu die Aussiedlung der Juden verschoben
/439/AE 107
habe. Und es gelingt Richter sich in den Besitz einer photokopierten Anordnung
des Marschalls zu setzen, in der es heiát:
,Die Evakuieurng aus Siebenbrgen wird nur studiert. Die Durchfhrung wird
aufgeschoben. Sie wird nur dann begonnen werden, wenn der gnstige
Augenblick kommen wird. Bis dahin werden bis in die kleinsten Einzelheiten von
dem Innenministerium auf Grund der von Herrn M. Antonescu erteilten
Anweisungen Vorbereitungen getroffen. Marschall Antonescu.”
Am 14. Dez. 1942 schreibt Luther an die Gesandtschaft nach Bukarest auf deren
Bericht vom 26. Nov., daá die Tatsache, der Stockung im Hinblick auf eine
Judenaussiedlung aus Rum„nien zun„chst nicht schwer in`s Gewicht falle, da
w„hrend der Hauptwintermonate ein Abtransport ohnedies nicht gewnscht ist.
Gleichzeitig nimmt er positiv Stellung, zu einer Einladung welche – offensichtlich
durch Vermittlung der Gesandtschaft – rum„nischerseits an mich erging. Im
folgenden Januar lehnte ich wegen Arbeitsberlastung ab; eine diensth”fliche
Form die damals gang und g„be war. Besser gesagt und richtiger, bekam ich
Befehl,
/440/AE 108
die Einladung abzulehnen. (128) Da nichts l„stiger ist, als offiziellen Einladungen
nachzukommen und sie zu berstehen – jedenfalls fr mich – geh”rte es mit zu
meinen angenehmen Obliegenheiten, wenn ich solche ablehnen konnte. –
Und endlich am 2. November 1943m schrieb mir der Legationsrat von Thadden,
zu meinen oder meines Vertreters H„nden,
,Die Deutsche Gesandtschaft in Bukarest hat sich u.a. ge„uáert:
Das Vorgehen gegen die Juden ist im wesentlichen eingeschlafen. Man nimmt
lediglich den reichen Juden das Geld ab und zieht „rmere Judem zum
Arbeitsdienst ein. Die Gesandtschaft zieht den Schluá, daá die Rum„nen dem
jdischen Treiben freien Lauf lassen, um die Engl„nder und Amerikaner nicht zu
vergr„men. Eine Žnderung des rum„nischen Verhaltens drfte sich erst erzielen
lassen, wenn es zu einer Stabilisierung der Ostfront gekommen ist und die Sorge,
unbedingt den Versuch machen zu máen, sich mit den Angloamerikanern gut zu
stellen, bevor die Russen rum„nisches Gebeit erreichen, nicht mehr berechtigt
erscheint.” (129)
/426/AE 98
– 11 –
Rum„nien:
Der Deutsche Gesandte in Rum„nien Manfred Freiherr von Killinger fordert vom
Ausw„rtigen Amt den Berater fr Arisierung- und Romanisierungsfragen SS-
Hauptsturmfhrer Richter, der zum Reichssicherheitshauptamt geh”rt, am
7.8.1941 an; man m”ge ihn nach Bukarest zurckentsenden.
Eine dahingehende Bitte des stellvertretenden Ministerpr„sidenten Mihai
Antonescu an Himmler, sei ebenfalls bereist auf dem Wege nach Berlin. (119)
Und Luther konnte in einem ausfhrlichen Lagebericht an Ribbentrop u.a. hierzu
bemerken, daá es trotz streuben des Reichssicherheitshauptes, auf Antrag des
Ausw„rtigen Amtes gelungen w„re, Richter, der aus Rum„nien zurckgezogen
wurde, wieder nach Bukarest zu bekommen. (120)
Richter hatte alsbald zwei bedeutsame Unterredungen mit Mikai Antonescu. Die
eine am 12. Dez. 1941, die zweite am 23.1.1942.
In beiden Besprechungen handelte es sich vornehmlich um das Einverst„ndnis,
die rum„nische Regierung m”ge, in Anlehnung an den Himmler-Befehl,
betreffend Verbot der Auswanderung von Juden ans Deutschland und von
besetzten Gebieten, vom Oktober 1941, auch von sich aus ein solches Verbot fr
das
/427, 428/AE 99
rum„nische Hoheitsgebiet erlassen. Richter schreibt darber in seinem Bericht,
daá der Chef der Sicherheitspolizei und des SD (Heydrich) von sich aus den
Berater (also ihn) davon in Kenntnis gesetzt habe. Der Chef der Sicherheitspolizei
wnsche nun, daá auch die Auswanderung von Juden aus Rum„nien unter allen
Umst„nden unterbunden wird. – /1 « Zeilen gestrichen, unleserlich/ (121)
Am 30.August 1941 wird in Tighina, zwischen dem Oberkommando des
deutschen Heeres, vertreten durch den Generalmajor Hauffe und dem Vertreter
des K”niglich Rum„nischen Groáen Generalstabes, Brigadegeneral Tatarascu eine
Vereinbarung getroffen ber die Sicherung, Verwaltung und
Wirtschaftsauswertung der Gebiete zwischen den Fláen Dujestc und Bug und
Bug und Dujepc. Dieser Vereinbarung lagen unter anderen ein Schreiben ,Hitlers
an den rum„nischen Staatschef Antonescu” v. 14.8.1941 und das
Antwortschreiben ,Antonescu an den Fhrer und Reichskanzler des Deutschen
Reiches, Hitler”, zugrunde.
Im Punkt sieben des Vertrages heiát es: ,Abschub der Juden ber den Bug ist zur
Zeit nicht m”glich. Sie máen daher in Konzentrationslager
/429, 430/AE 100
zusammengefaát und zur Arbeit eingesetzt werden, bis nach Abschluá der
Operationen ein Abschub nach Osten m”glich ist.” (122)
Im April 1942 teilte der Reichskommisar fr die besetzten Ostgebiete den in
Frage kommenden Zentralinstanzen nach Berlin mit, daá ”rtliche rum„nische
Stellen in letzter Zeit etwa 10.000 Juden ber den Bug in das Reichskommissariat
Ukraine abgeschoben h„tten und die Abschiebung weiterer 60.000 rum„nischer
Juden, den Umst„nden nach zu befrchten sei. Auch das
Reichssicherheitshauptamt erhielt solch eine Beschwerde.
Gem„á Befehl meiner Vorgesetzten schrieb ich daraufhin am 14. April 1942 an
das Ausw„rtige Amt, daá bei den ”rtlichen rum„nischen Stellen seitens der
rum„nischen Regierung auf unverzgliche Einstellung dieser illegalen
Judentransporte hinzuwirken w„re. Da angenommen werden, daá seitens der
rum„nischen Regierung bedingungslos entsprochen wrde, /1 « Zeilen
durchgestrichen, unleserlich/ wird zwecks Vermeidung einer Versch„rfung der
durch die illegale Abschiebung der Juden zwischen den ”rtlichen Stellen bereits
enstandenen Spannungen, zun„chst von sicherheitspolizeilichen Maánahmen
abgesehen.
Fr den Fall jedoch – so hatte ich weisungsgem„á weiter zu schreiben – daá die
rum„nische Regierung dem
/431/AE 101
Ersuchen um Einstellung nicht entspreche, oder aber ”rtliche rum„nische Stellen
entgegen einer Weisung der rum„nischen Regierung handeln und weiterhin Juden
abschieben sollten, bleiben sicherheitspolizeiliche Maánahmen vorbehalten.
Im Mai 1942, wurden diese, ber den Bug abgeschobenen Juden, in der Ukraine
liquidiert. Sie wurden von den ”rtlichen Stellen gem„á einer h”heren Weisung
get”tet. Die Literatur hat sich hierbei insbesonderlich meinen Satz bezglich der
,sicherheitspolizeilichen Maánahmen” gemerkt. Jedermann aber, der auch nur
halbwegs lesen kann, vermag ohne geringste Mhe zu verstehen, daá diese
Maánahmen sicherheitspolizeilicher Natur nicht gegen die Juden zur Anwendung
zu bringen sind, sondern gegen die ”rlichen rum„nischen Stellen, welche die
Abschiebungsmaánahmen durchfhrten. Und jeder im Grenzdienst stehende weiá,
daá unter solchen Maánahmen eine Sperrung der Grenze zu verstehen sei, Worte
welche man in dieser scharfen Form im gegenseitigen Verkehr, eben allgemeiner,
mit sicherheitspolizeiliche Maánahmen, umschreibt. (123)
/432/AE 102
Um es gleich vorweg zu nehmen, nicht daá die damalige Reichsfhrung gegen
eine abschiebung von Juden nach dem Osten gewesen w„re. Im Gegenteil. Gerade
um diese Zeit, Mitte 1942, lagen besonders scharfe Befehle Himmlers zur
Intensivierung der Judendeportationen nach dem Osten vor. Aber offensichtlich
hatte Rosenberg, der Reichsminster fr die besetzten Gebiete bei h”chster Stelle
gegen eine solche ,regellose und unkontrollierbare” Abschiebung in ,sein” Gebiet
Protes erhoben.
Denn etwa zu gleicher Zeit, als diese Aufregung durch den Berliner
Beh”rdenwald wehte, schrieb Mller an Luther, daá vorgesehen sei etwa ab 10.
Sept. 1942, nunmehr auch Juden aus Rum„nien in Sonderzgen nach dem Osten
zu schaffen. Der zu erfassende Personenkreis erstrecke sich zun„chst auf
arbeitsf„hige Juden, soweit sie nicht unter die privilegierten Ausnahmen fallen.
Und an Himmler geht dieselbe Mitteilung, jedoch mit dem Bemerken, daá der
arbeitsf„hige Teil arbeitseinsatzm„áig angesetzt wrde, der Rest der
Sonderbehandlung unterzogen werden soll. (124)
Luther schrieb daraufhin an Mller zurck, daá grunds„tzlich seitens des
Ausw„rtigen Amtes keine Bedenken dagegen bestnden, daá nunmehr auch
/433/AE 103
die Abbef”rderung der Juden aus Rum„nien nach dem Osten in Angriff
genommen wird. Bezglich des Umfanges des zu erfassenden Personenkreises
und der Haltung der rum„nischen Regierung schwebten jedoch noch
Ermittlungen, nach deren Abschluá man auf diese Angelegenheit zurckkommen
wrde. (125)
Am 15. September 1942 richtet Killinger ein Telegramm an das Ausw„rtige Amt
und teilt mit, da die rum„nische Regierung auf die Verbalnote der deutschen
Gesandtschaft vom 27. August noch nicht geantwortet habe, k”nne ein Termin
ber den Beginn der Aussiedlungsaktion nicht festgelegt werden. (126)
In der ganzen Angelegenheit kommt es zwischen Killinger und Luther einem
recht beachtlichen und energischen Briefwechsel in dessen Verlauf der oftmals
unbeherrschte Killinger blindlings mit Vorwrfen gegen andere vorgeht, ohne
sich die Mhe einer sachlichen Prfung zu nehmen. Der Anlaá hierfr ist
eigentlich sein eigener, ihm unterstellter SS-Hauptsturmfhrer Richter, der einige
Zeit sp„ter zu seinem Polizeiattach‚ ? wird. Dieser hat sich von dem
stellvertretenden Ministerpr„sidenten Rum„niens, Mihai Antonescu ein
Handschreiben ausstellen lassen, demzufolge Rum„nien mit der
/434/AE 104
Aussiedlung der Juden nach dem Osten, einverstanden ist.
Nun, Richter war ein Mann, der aus dem Nachrichtendienst nicht nur kam,
sondern zu jder Zeit mit beiden Beinen darin stand. Die peinliche Beobachtung
brokratischer Feinheiten, eine ordnungsgem„áe Aktenbearbeitung, absolute
Einhaltung des Dienstwegesund was dererlei Vorschriften nich sein mochten, lag
ihm nicht besonders. Verhandlungen mit untergeordneten Instanzen, etwa
Referenten, lag ihm ebenfalls nicht. Er verhandelte und trug vor, der Stelle, die er
als richtig fand und dies waren jeweils die Chefs. So auch gelang ihm als einziger
Berater der Sprung, zum Polizeiattach‚ akkreditiert zu werden.
Natrlich entsprach die Form des Erlangung eines solchen Handschreibens von
einer solch hohen offiziellen Stelle, nicht den blichen diplomatischen
Gepflogenheiten. Und es ist nicht sehr verwunderlich, wenn Luther seitens des
Ausw„rtigen Amtes hierber dem Gesandten Killinger sein Erstaunen zum
Ausdruck gebracht haben mag.
Und Killinger reagierte hierauf sehr b”se, und sparte nicht mit Vorwrfen.
Wie das Ausw„rtige Amt annehmen
/435, 436/AE 105
k”nne, daá er derart wichtige Fragen ausschlieálich von einem SS-Offizier
erledigen lasse; oder: daá der Berater die Vorarbeit auf seinem Befehl gemacht
hat, st eine Selbstverst„ndlichkeit.
Aber er verstnde andererseits nicht, daá wenn schon ein so hoher Beamter der
rum„nischen Regierung, wie der Kommissar fr Judenangelegenheiten Lecca,
nach Berlin zu Verhandlungen k„me, dieser durch das Ausw„rtige Amt
gewissermaáen zwischen Tr und Angel abgefertigt werde, was ganz zweifellos
zu Verstimmungen fhren máe.
In seinem blinden Zorn schreibt er ber den postalischen Dienstweg zwischen
Gesandtschaft – Ausw„rtige Amt – Reichssicherheitshauptamt und umgekehrt und
unterstellt mir, ich h„tte mich nicht an diesen vorgeschriebenen Dienstweg
gehalten. Es ist ein Unsinn; durch nichts ist zu belegen, daá ich mir heir einen
Formfehler in brokratischer Hinsicht h„tte zu Schulden kommen lassen; ja ich
hatt berhaupt mit dieser Sache nichts zu tun gehabt, weil Richter die
angelegenheit im Einvernehmen mit seinem eigenen Gesandten durchfhrte, was
Killinger merkwrdigerweise im selben Atemzuge eigenh„ndig best„tigte. Luther
selbst schreibt auf eine Akte schlieálich resignierend vor der Sturk”pfigkeit seines
Gesandten, Killinger wolle einfach nicht verstehen.
/437, 438/AE 106
Und dies alles, als Luther etwa um die gleiche Zeit in einem Bericht an seinen
Minister schrieb, daá das Reichssicherheitshauptamt von einer geradezu
bertriebenen Vorsicht sei. (127)
Am 9. Oktober 1942 erkundigt sich Gesandtschaftsrat Dr. Stelzer nach der
Verbalnote
Vom 27. August. Mihai Antonescu beeilte sich zu versichern, daá er sie noch
nicht vergessen habe. Auch seine Besprechungen mit dem Reichsauáenminister in
dessen Feldquartier, h„tten sich auf dieser L? bewegt; es sei daher eher an
Deutschland, nunmehr konkrete Vorschl„ge zu machen.
Richter suchte daher am 22. Oktober Mihai Antonescu auf. Dier erkl„rte –
offenbar sehr zu Richters Erstaunen – er habe der Aussiedlung der Juden aus
Rum„nien zugestimmt und es sei auch in Berlin diesbezglich verhandelt worden;
andererseits aber seien die Deportationen ber den Bug verboten worden. (Siehe
dazu mein Schreiben welches ich befehlsm„áig zu fertigen hatte und worin ich
mit sicherheitspolizeilichen Maánahmen winken muáte, fr den Fall die
Deportationen ber den Bug nicht eingestellt wrden.) Hier seu seiner Meinung
nach ein Widerspruch. Richter kommt zu dem Schluá, daá der Staatschef
Mrschall Antonescu die Aussiedlung der Juden verschoben
/439/AE 107
habe. Und es gelingt Richter sich in den Besitz einer photokopierten Anordnung
des Marschalls zu setzen, in der es heiát:
,Die Evakuieurng aus Siebenbrgen wird nur studiert. Die Durchfhrung wird
aufgeschoben. Sie wird nur dann begonnen werden, wenn der gnstige
Augenblick kommen wird. Bis dahin werden bis in die kleinsten Einzelheiten von
dem Innenministerium auf Grund der von Herrn M. Antonescu erteilten
Anweisungen Vorbereitungen getroffen. Marschall Antonescu.”
Am 14. Dez. 1942 schreibt Luther an die Gesandtschaft nach Bukarest auf deren
Bericht vom 26. Nov., daá die Tatsache, der Stockung im Hinblick auf eine
Judenaussiedlung aus Rum„nien zun„chst nicht schwer in`s Gewicht falle, da
w„hrend der Hauptwintermonate ein Abtransport ohnedies nicht gewnscht ist.
Gleichzeitig nimmt er positiv Stellung, zu einer Einladung welche – offensichtlich
durch Vermittlung der Gesandtschaft – rum„nischerseits an mich erging. Im
folgenden Januar lehnte ich wegen Arbeitsberlastung ab; eine diensth”fliche
Form die damals gang und g„be war. Besser gesagt und richtiger, bekam ich
Befehl,
/440/AE 108
die Einladung abzulehnen. (128) Da nichts l„stiger ist, als offiziellen Einladungen
nachzukommen und sie zu berstehen – jedenfalls fr mich – geh”rte es mit zu
meinen angenehmen Obliegenheiten, wenn ich solche ablehnen konnte. –
Und endlich am 2. November 1943m schrieb mir der Legationsrat von Thadden,
zu meinen oder meines Vertreters H„nden,
,Die Deutsche Gesandtschaft in Bukarest hat sich u.a. ge„uáert:
Das Vorgehen gegen die Juden ist im wesentlichen eingeschlafen. Man nimmt
lediglich den reichen Juden das Geld ab und zieht „rmere Judem zum
Arbeitsdienst ein. Die Gesandtschaft zieht den Schluá, daá die Rum„nen dem
jdischen Treiben freien Lauf lassen, um die Engl„nder und Amerikaner nicht zu
vergr„men. Eine Žnderung des rum„nischen Verhaltens drfte sich erst erzielen
lassen, wenn es zu einer Stabilisierung der Ostfront gekommen ist und die Sorge,
unbedingt den Versuch machen zu máen, sich mit den Angloamerikanern gut zu
stellen, bevor die Russen rum„nisches Gebeit erreichen, nicht mehr berechtigt
erscheint.” (129)
/441, 442/AE 109
– 12 –
Bulgarien:
Dieses Land kannte eine der deutschen, „hnliche Judengesetzgebung. Seit 1942
wurde durch ein Erm„chtigungsgesetz die Bestimmung des Judenbegriffs
festgelegt, die Kennzeichnung durch den Judenstern, Namens und
Wohnungbeschr„nkungen eingefhrt, die gewerbliche und wirtschaftliche
Bewegungsm”glichkeit eingeschr„nkt und die Liquidierung jdischer Verm”gen
weiter vorgetrieben.
Am 27. Nov. 1941 sprechen der bulgarische Ministerpr„sident Popoff und der
deutsche Reichsauáenminister v. Ribbentrop, anl„álich eines Empfanges in
Berlin, ber die Judenfrage, wobei Popoff den Vorschlag machte, sie im
europ„ischen Maástabe zu l”sen.
In seiner Berichterstattung vom 21. August 1942, teilt Luther seinem
Reichsauáenminister mit, welche einleitenden Schritte er im Hinblick auf die ihm
erteilte Order, die ihn nach dem Topoff-Ribbentrop-Gespr„ch bermittelt wurde,
in die Wege geleitet habe. (130)
Und bereits am 15. Oktober waren die Besprechungen zwischen Deutschland und
Bulgarien soweit gediehen, daá Luther dem Gesandten Beckerle nach Sophia
drahten konnte, unter Bezugnahme auf diese Verhandlugnen an die bulgarische
Regierung heranzutreten, um mit ihr die Frage eines Abtransportes, der nach den
neuen bulgarischen Verordnungen un? Juden, nach dem Osten zu erwirken. Er
schlug weiterhin vor, diese Juden im Interesse einer verm”gensrechtlichen
Kl„rung, analog der 11. Verordnung zum Reichsbrgergesetz vom 25. Nov. 1941,
auszubrgern.
Je nach aufnahme dieses Vorschlages regte er ferner an, zu bermitteln, daá man
/443, 444/AE 110
bereit sei einen Berater zur Verfgung zu stellen. (131)
Die Antwort Beckerle`s traf bereits am 16. Nov. im ausw„rtigen Amt ein. Der
bulgarische Ministerpr„sident begráte grunds„tzlich die Maánahmen, die Juden
nach dem Osten zu verbringen und begráte es ferner dankbar, wenn noch vor
dem Abtransport ein deutscher Berater nach Sofia abgestellt wrde, damit dieser
bei der Durchfhrung helfe. (132)
Es folgte nun ein Schriftwechsel zwischen dem Unterstaatssekret„r des
Ausw„rtigen Amtes Luther und dem Amtchef IV im Reichssicherheitshauptamt,
SS Gruppenfhrer und Generalleutnant der Polizei Mller, in dessem Verlauf man
sich einigt, daá der in Paris, beim Befehlshaber der Sicherheitspolizei als Referent
t„tige, SS Hauptsturmfhrer Dannecker, nach Sofia versetzt wird. Er wurde dort
dem Polizeiattach‚, als dessen Gehilfe, unterstellt. (133)
Die bulgarische Regierung hatte bereits ein Judenkommissariat errichtet und zu
dessen Leiter den Kommissar Belev ernannt. Er unterstand dem Ministerium fr
Inneres und Volksgesundheit. Beckerle berichtet am 8. Februar 1943, daá er vor
der Einfhrung des Dannecker, mit dem bulgar. Innenminister Grabowski
gesprochen habe, der ihm seine feste Absicht, alle Juden umzusiedeln, best„tigte.
/445/AE 111
Grabowski gab zum Ausdruck, daá er bereit sei, mit deutscher Untersttzung die
Juden aus den neuen bulgarischen Gebieten, Thrazien und Mazedonien, nach dem
Osten abzuschieben, daá aber ein Abschub aus dem altbugarischen Teil vorl„ufig
nicht in Frage k„me.
Die Planung und alle Einzelfragen sollten mit dem Judenkommissar Belev
besprochen werden. Inzwischen hatte Belev dem Innenminister einen Vorschlag
zur Genehmigung durch den Ministerrat unterbreitet. (134) Dieser wurde am 12.
Februar 1943 vollinhaltlich angenommen. Und ohne den Beschluá abzuwarten,
hatte Belev von sich aus bereits Beauftragte nach Thrazien und Mazedonien
entsandt, um dort die M”glichkeiten der Zusammenziehung der Juden in Lager zu
prfen.
Er sagte ferner fr die ersten M„rztage die Bekanntgabe der Abfahrtsbahnh”fe
und der auf diese entfallenden Anzahl von Juden zu. Er rechnete damit, daá ab
etwa EndeM„rz 1943 deportiert werden k”nne und die Gesamtzahl rund 20.000
Juden betragen wrde. (135)
Am 26.M„rz meldete Beckerle, daá der Vizepr„sident der Sobranje, Pescheff,
dem Ministerpr„sidenten, eine von ihm und 42 weiteren Abgeordneten
unterzeichnete
/446/AE 112
Petition berreichte, in der gegen die Deportation von Juden Stellung genommen
wurde.
Daraufhin stellte der Ministerpr„sident den antrag, Pescheff das Miátrauen
auszusprechen. Die Mehrzahl der Abgeordneten stimmten gegen Pescheff. Als
Folge muáte er von seiner Position als Vizepr„sident der Sobranje, zurcktreten.
(136)
Am 24. Juni 1943 meldete der Polizeiattach‚ Hoffmann ber den Gesandten
Beckerle den Abschluá der Deportation aus Thrazien und Mazedonien mit
zusammen etwa 20.000 Juden. (137)
Unterschriftkrzel
/447/AE 113
– 13 –
Ungarn:
Es mag um den 10. M„rz 1944 gewesen sein, als mein Chef der SS-
Gruppenfhrer und Generalleutnant der Polizei, /eine Zeile gestrichen,
unleserlich/ Mller, mich auf einer Arbeitsstelle, etwa 80 km ”stlich von Berlin,
im Kreise Wustrow, inspizierend kontrollierte. Ich hatte den Befehl, dort ein
Barackendorf, als Ausweichstelle fr ein allf„llig zusammengelegentes Geheimes
Staatspolizeiamt, aufzubauen. Er fand alles gut und sch”n und zweckm„áig.
Abschlieáend sagte er: ,Eichmann Sie melden sich sofort bei dem Befehlshaber
der Sicherheitspolizei und des SD-Ungarn, SS-Standartenfhrer u. Oberst der
Polizei, Ministerialrat Dr. Gentke, in Mauthausen. Sie sind ihm als Referent zur
Dienstleistung zugeteilt. Der Reichsfhrer SS und Chef der Deutschen Polizei hat
die Evakuieurng s„mtlicher Juden aus Ungarn, aus strategischen Grnden, von
Osten nach Westen durchk„mmend, befohlen.”
Ich versuchte noch einen Hinweis auf die noch l„ngst nicht fertiggestellte Arbeit
und bat um die Genehmigung, dieselbe zu Ende bringen zu drfen, aber die
Nutzlosigkeit dieser Bitte war mir bereits beim Beginn des Aussprechens
derselben klar geworden.
Ich bergab das Referat nun endgltig an meinen bisherigen ,St„ndigen
Vertreter” und
/448/AE 114
setzte mich nach Mauthausen in Marsch. Dort waren bereits die Befehlshaber der
Ordnungspolizei und der Sicherheitspolizei mit der Aufstellung und Einteilung
ihrer Kommandos besch„ftigt. Es wurde feldmarschm„áige Adjustierung
ausgegeben, die Kommandos wurden bewaffnet und vermunitioniert. Der
dazugeh”rige Kraftfahrzeugpark aufgestellt und es fuhren sodann die Kommandos
in drei Gruppen in Richtung Ungarn los. Das schnelle Vorauskommando aus
Ordnungspolizei und Sicherheitspolizei unter dem SS-Obersturmbannfhrer
Krumeg, und etwa 24 Stunden sp„ter das Gros – ebenfalls Ordnungspolizei und
Sicherheitspolizei – unter meinem Kommando; abschlieáend fuhr der Befehlsstab
mit den Befehlshabern. Im Aufmarschraum angekommen, wurde ich hinter der 1.
Panzerlehrdivision eingezogen und marschierte hinter diesem Vorhand, gem„á
der befohlenen Aufmarschordnung. /1 Zeile gestrichen, unleserlich/
In Budapest angekommen, l”ste ich befehlsgem„á die Marschordnung auf und die
verschiedenen Einheiten meines Marschverbandes – (denn nur w„hrend des
Marsches und allf„lligen Kampfeinsatz, falls der Einmarsch aus irgendwelchen
Grnden nicht reibungslos vonstatten gehen sollte,
/449, 450/AE 115
unterstand mir die Einheit) – meldeten sich bei ihren verschiedenen Dienststellen
und Chefs, zur Dienstleistung.
Wer vielen bisherigen Publikationen ber meine Person glauben schenkte, muáte
zwangsl„ufig der Meinung sein, daá /1 « Zeilen gestrichen, unleserlich/ ich jetzt
hier zu schlaten und zu kurbeln anfing, um im Blitztempo, h”chst pers”nlich mit
meinem Kommando die Juden zu deportieren. Aber, wird er sicherlich schon
erstaunt gewesen sein, gelesen zu haben, daá ich das Marschkommando aufl”ste,
als ich nach Budapest kam – es verlieben mir ur etwa 15 – 20 Mann, samt
Kraftfahrer und Wache eingeschlossen – so wird er bestimmt noch erstaunter sein,
die folgenden Seiten zu lesen, wobei ich mich streng an die offiziellen Dokumente
jener Zeit halte.
Der im Jahre 1961 in Deutschland als Zeuge vernommene ehemalige Legationsrat
Dr. Eberhard von Tahdden erkl„rte: ,Die Deportation der ungarischen Juden
wurde meines Wissens zwischen Hitler und Horthy, anl„álich ihres Treffens auf
Schloá Klessheim abgesprochen. Beim Treffen an Klessheim zwischen Hitler und
Horthy waren Ribbentrop und Himmler dabei. Heute weiá ich, daá Horthy ein
Ultimatum gestellt wurde.” (138) Dieses Treffen fand am 17.M„rz 1944 statt. Am
19. M„rz um 13,00 Uhr drahete Veesenmayer an das Ausw„rtige Amt u.a.: ,Bin
nach glattem Verlauf der Fahrt heute um 11 Uhr, in Budapest
/451, 452/AE 116
eingetroffen und habe die Gesch„fte bernommen.
Gesandter von Jagow hat heute morgen dem Reichsverweser mitgeteilt, daá er mit
sofortiger Wirkung abgerufen sei und hat sich von ihm verabschiedet, nachdem er
ihm meine Ernennung zum Reichsbevollm„chtigten und Gesandten mitgeteilt
hat.” (139)
Der Zeuge Dr. Wilhelm H”ttl, sagte am 24. April 1947 in Dachau aus: ,Die
entscheidenden Besprechungen mit dem ungarischen Ministerpr„sidenten Sytojay,
sowie vermutlich auch mit Horthy, hat Dr. Veesenmayer selbst gefhrt. Erst durch
die in desen Gespr„chen erfolgten Abmachungen, wurde die Evakuierung
ausgel”st. Das hat mir Stojay selbst gesagt. Auch die Schaffung einer eigenen
ungarischen Stelle dafr, n„mlich des Staatssekretariates Endre`s, erfolgte, wie
mir der damalige ungarische Innenminister Andor Jaross erz„hlte, auf Wunsch Dr
Veesemayers.” (140)
W„hrend dieses Anlaufens operierten, wie die Dokumente zeigen, SS-
Hauptsturmfhrer Wislicenz als Sachbearbeiter und SS-Obersurmbannfhrer
Krumey, der zwar rangm„áig ungleich h”her als Wislicenz stand, aber von der
sachlichen Arbeit keine Ahnung hatte, bei dem Kommandeur der
Sicherheitspolizei in Budapest, einem SS-Obersturmbannfhrer
/453/AE 117
und Oberregierungsrat Trenker. Bei etwaigen Beschwerden, so heiát es in einer
Aufforderung an die jdischen Funktion„re in Budapest vom 20. M„rz, wenden
Sie sich an Krumey und Wislicenz. šber die Pester Israelitische Kultusgemeinde
verfgt einzig und alleine der Kommandeur der Sicherheitspolizei. (141)
Zwar weist dieses Dokument weder Briefkopf und Unterschrift auf, weder tr„gt es
eine Buchnummer, noch ist es berhaupt vollst„ndig: aber mir ist in Erinnerung,
daá Wislicenz sich sogleich zu Anfang seines Eintreffens in Budapest mit den
jdischen Funktion„ren zusammensetzte und es ist mir auch bekannt, daá die
exekutiven T„tigkeiten durch die Dienststellen der Kommandeure der
sicherheitspolizei wahrgenommen wurden, im Einvernehmen und nach vorheriger
Absprache mit der ungarischen Geheimen Staatspolizei und den jeweiligen,
”rtlichzust„ndigen ungarischen Gendameriekommandozentralen.
Der organisatorische Aufbau der Sicherheitspolizei und des SD in Ungarn sah an
seiner Spitze den H”heren SS- u. Polizeifhrer, als den ”rtlichen Vertreter des
Reichsfhrers SS und Chef der Deutschen Polizei. Er war die h”chste Autorit„t
aller deutschen SS und Polizeieinheiten in Ungarn und deren
/454/AE 118
Gerichtsherr. So unterstand ihm auch der Befehlshaber der Sicherheitspolizei und
des SD-Ungarn, Dr. Geschke.
Der ehemalige General der Polizei, von dem Bach Zelewski sagte als Zeuge 1961
in Deutschland: ,In den Gebieten, in denen zum H”heren SS und Polizei Fhrer,
ein Befehlshaber der Sicherheitspolizei geh”rte, war er dem H”heren SS u. Polizei
Fhrer unterstellt. Der H”here SS und Polizeifhrer erhielt niemals Befehle von
Reichssicherheitshauptamt. Wenn ein Befehl dieses Hauptamtes an den
Befehlshaber der Sicherheitspolizei erging, und dieser ihn dem H”heren SS-Pol.
Fhrer vorlegte, bestand die M”glichkeit, daá er die Entscheidung Himmlers
einholte.” (142)
Dem Befehlshaber der Sipo, unterstanden die Kommandeure der Sicherheitspolize
und des SD, deren es in ganz Ungarn glaublich 4 oder 6 gab, (143) und das
Sondereinsatzkommando ,Eichmann”, unter meiner Fhrung.
Die Entstehung des Namens dieses Kommandos ist ebenso simpel wie
merkwrdig. Ein Sonderbevollm„chtigter Himmlers in Budapest, von dem noch
die Rede sein wird, klebte an ihm geeignet erscheinende Geb„ude
Beschlagnahmezettel an, mit der Aufschrift ,Sondereinsatzkommando –
Eichmann”. Der Name war nicht mehr auszurotten. Die Aktion dieses Sonder-
/455/AE 119
bevollm„chtigten war eigenm„chtig, aber er war gedeckt durch seine Himmler
Vollmacht.
Fr ein Sondereinsatzkommando wrde es sich schon allein merkwrdig anh”ren,
daá diese nur aus rund 20 Mann bestand.
Es wurde sp„terhin, da der Name offenbar unausrottbar wurde offiziell
,Sondereinsatzkommando – Ungarn” benannt, wie ein Schreiben des Chefs der
Sicherheitspolizei, Dr. Kaltenbrunner, an den Brgermeister der Stadt Wien,
Blaschke vom 30. 6.1944, von dem nach zu sprechen sein wird, besagt. (144)
Der SS-Obersurmbannfhrer Krumey, wurde zu meinem _St„ndigen Vertreter”
bestellt. Unser Chef war der inzwischen zum SS Oberfhrer bef”rderte Dr.
Geschke und der h”chste SS u. Polizeichef deutscherseits in Ungarn, der
Polizeigeneral Winkelmann. Dieser unterstand in politischen Angelegenheiten
dem Reichsbevollm„chtigten, Dr. Veesenmayer. Es war im Prinzip dieselbe
hierachisch-organisatorische Form, wie in allen brigen besetzten Gebieten auch,
nur daá Veesenmayer und Winkelmann zueinander ein in sachlicher Hinsicht,
schlechtes Verh„ltnis hatten, da sich Winkelmann nur schwer subordinieren
wollte. Um es einmal kurz und vulg„r auszudrcken,
/456/AE 120
einer trachtete dem anderen zu befehlen. Fr uns Untergeordneten war es am
besten, man kmmerte sich nicht um die Streitereien der Groáen, da man dabei
doch nur h„tte ,zermahlen” werden k”nnen, sondern tat stur seinen Dienst, wie er
befohlen war.
Am 31. M„rz 1944 hatte Ribbentrop groáe Sorgen, und sein pers”nlicher
Botschafter Ritter gibt durch, ,Sonder-Geheimschreiber” an den
Reichsbevollm„chtigten Dr. Veesenmayer nach Budapest folgendes
Fernschreiben durch: ,Der Herr Reichsminister hat erfahren, daá der
Obergruppenfhrer Kaltenbrunner beabsichtigt, w„hrend der n„chsten 14 Tage in
Budapest anwesend zu sein. Der Herr Reichsminister bittet Sie aus diesem Anlaá
um einen vertraulichen Bericht an den Herrn Reichsminister pers”nlich, welche
Aufgaben Herr Kaltenbrunner, neben dem Ihnen unterstellten General
Wineklmann dort hat und durchfhrt. Besch„ftigt er sich pers”nlich mit der
Regelung der Judenfrage oder mit welchen anderen speziellen Fragen? Der Herr
Reichsminster hat nach wie vor die Sorge, der SD k”nnte versuchen, sich in die
Ihnen zustehenden Aufgaben und Rechte mischen und bittet Sie, besonders darauf
zu achten,
/457/AE 121
daá dies nicht geschieht.” (145)
Nun ist es schwarz auf weiá gegeben. Der General Winkelmann ist, ob er will
oder nicht, dem Reichsbevollm„chtigten unterstellt. Schlieálich kann auch in
Ungarn kein deutscher General herumtanzen wie er gerne m”chte. Aber nun geht
in der Folgezeit das Rennen zwischen Veesenmayer und Winkelmann um die
Hegemonie bezglich der Judendeportation los, ein Rennen, bei dem
Veesenmayer, kraft seiner Vollmacht und Akkredition ber der ungarischen
Regierung, mhelos gewinnt.
Und schon am 15. April meldete Veesenmayer, daá seine an die ungarische
Regierung gestellte Forderung, noch bis Ende des Monates 50.000 Juden zur
Arbeit in Deutschland, zur Verfgung zu stellen, angenommen wurde und er mit
Obergruppenfhrer Winkelmann die Einzelheiten des Abtransportes vereinbaren
wird. Er bat das Ausw„rtige Amt, ihm aber jetzt schon umgehend Weisung zu
erteilen, wohin der Transport im Reich geleitet werden solle. Das Ausw„rtige Amt
teilte ihm als Antwort mit, daá die Waggengestellung und der Fahrplan durch
meine Dienststelle geregelt wrde, sobald die abschlieáende Weisung von
Obergruppenfhrer kaltenbrunner vorliege. Diese Weisung bekam
/458, 459/AE 122
ich durch das Reichssicherheitshauptamt am 22. April. Und der beh”rdliche
Instanzenweg manifestiert sich in einem Schreiben des
Reichssicherheitshauptamtes, indem es das Ausw„rtige Amt darauf hinweist, daá
der Befehlshaber der Sicherheitspolizei in Ungarn durch Blitz-Fernschreiben vin
den Verhandlungen Veesenmayers mit der ungarischen Regierung und seiner
Vereinbarung mit dieser, wegen der 50.000 Juden, in Kenntnis gesetzt wurde und
angefragt wurde, ob unter Hinblick auf die Transportschwierigkeiten eine
Einschaltung des Reichssicherheitshauptamtes beim Reichsverkehrsministerium
fr erforderlich gehalten werde. (146)
Aber trotz allem und offensichtlich wegen der umst„ndlichen Brokratie, die im
Amt IV des Reichssicherheitshauptamtes unvermeidbar war, ging es den
interessierten Stellen im Ausw„rtigen Amt nicht schnell genug und als ob sie
Rge von h”chster Stelle befrchteten, empfiehlt der Botschafter Ritter am 27.
April Veesenmayer im Falle weiterer Verz”gerung des Abtransportes, bei seiner
drahtlichen Berichterstattung deutlich zum Ausdruck zu bringen, daá von seiner
Seite aus alles M”gliche und Notwendige zur schleunigen Durchfhrung der
Aktion geschehen ist, daá der Abtransport der bereitgestellten Juden aber dadurch
verz”gert wird, daá die fr Abtransport und šbernahme der Juden zust„ndigen
Stellen, die notwendigen Anordnungen nicht treffen. (147)
/460/AE 123
Am 29. April meldet Veesenmayer an das Ausw„rtige Amt, daá der erste
Transport von Budapest aus, abgegangen sei. Und am 11. Mai konnte er weiter
berichten, daá eine Fahrplankonferenz am 6. Mai abgeschlossen wurde. Mit dem
Abtransport der rund 325.000 Juden aus dem Karpathenraum und Siebenbrgen
wrde am 15. Mai begonnen. T„glich seien 4 Zge mit je 3.000 Juden zum
Abtransport nach dem Zielort (Auschwitz) vorgesehen. Die von der ,OT” fr den
Arbeitseinsatz im Reich ben”tigten 100.000 Arbeitskr„fte, máten bei dem SS-
Verwaltungs- und Wirtschaftshauptamt angefordert werden, daá ber die aus
Ungarn zum Abtransport kommenden Juden verfgt. (148)
Am 22. Mai traf in Budapest der Legationsrat von Thadden ein. An Ort und Stelle
hatte er sich ein Bild von der Lage der Dinge zu machen. Zur Frage der
Verm”gensbehandlung trug er dem Gesandten Veesenmayer seine Auffassung
vor. Aber er erkl„rte v. Thadden, daá die Frage noch nicht spruchreif sei, sobald
er den Boden dafr gnstig halte, wolle er sie in Angriff nehmen. Der Gesandte
wies ihn darauf hin, daá das eben zur Debatte gestandene Objekt in keinem
Verh„ltnis hinsichtlich der Gr”áenordnung, zu den von den Dienststellen
Himmlers eingeleiteten Fischzuges stnde. Er habe in dieser auáergew”hnlich
heiklen
/461,462/AE 124
Angelegenheit seinen besten Mitarbeiter, den Konsul Rokowski zu Himmler
geschickt. Herr von Thadden meinte in seiner Berichterstattung in dieser
Angelegenheit an das Ausw„rtige Amt, daá soweit er aus Veesenmayers
Andeutungen entnehmen konnte, es sich um Geheimvertr„ge handele, welche
Winkelmann hinter dem Rcken von Veesemayer vorbereitet hat und mit denen
der Gesandte nicht einverstanden sei. (149)
Nun, worum handelte es sich bei diesen Dingen. Da ich sie selbst erlebt habe, ja
zum Teil selbst bearbeitet habe und sogar zum Teil auch selbst Ideen mit dazu
gab, schildere ich die Dinge am besten so, wie ich weiá, daá sie sich zugetragen
hatten.
Kurz nachdem ich im Monat M„rz des Jahres 1944 in Budapest war, erschien
eines Nachmittags auf meinem Hotelzimmer – (ich arbeitet und wohnte um jene
Zeit auf meinem Zimmer im Hotel, da mir noch keine Dienststellenunterkunft
nachgewiesen war) – ein SS-Obersturmbannfhrer der Waffen SS, Kurt Becker.
Da wir beide gleichrangig waren, ergab sich von Haus aus sogleich ein Verh„ltnis,
welches unter Gleichrangigen derselben Uniformfarbe, berlichermaáen in den
meisten L„ndern der Erde dasselbe sein drfte. Ich konnte damals noch nicht
ahnen, daá dieserselbe Herr Becker nach 1945, zu seiner eigenen Hautrettung, in
einer solch unversch„mten und die Tatsachen entstellenden Weise, ber meine
Person herzog und den in Nrnberg damals verlierenden /Feinden „chten –
durchgestrichen/ Alliierten und ihren Gehilfen, daá erz„hlte, was sie am liebsten
h”rten; ohne Rcksicht, auf den Wahrheitsgehalt.
Und noch 1961, hielt es Becker, als Zeuge der israelischen Anklage in
Deutschland vernommen, so mit der Unwahrheit, ,daá sich die Balken bogen.”
Daá er sich dabei eines Meineides schuldig machte, interessiert ihn offensichtlich
berhaupt nicht und scheint er im Eifer der erdichteten Unwahrheiten gar nicht
bemerkt zu haben, trotzdem ihm die ,Zeugenfragen” bereits ein oder zwei Tage
vor der Verhandlung bekannt gegeben wurden. Wahrlich, ein ,sauberes Spiel”,
welches infolge seine Ungeheuerlichkeit verspricht, in die Geschichte der
,Juristik”, einzugehen.
Dieser ehemalige SS-Obersturmbannfhrer Becker teilte mir um jene Zeit mit,
daá er Sonder-
/463/AE 125
bevollm„chtigter Himmlers in Budapest sei; seine Aufgabe w„re es,
Verm”genswerte fr die Waffen SS sicherzustellen; kompletter gesagt, damit
Ausrstungsgegenst„nde fr dieselbe zu besorgen.
Das Interesse an seinem Besuch bei mir galt dem Datum des
Deportationsbeginnes. Ich konnte ihm um jene Zeit auch keine andere Auskunft
geben, als die, welche er wahrscheinlich ohnedies wissen mochte, da er ja
gewissermaáen ,frisch gebacken” von Himmler kam.
In der Folgezeit sahen wir uns sehr oft, und allm„lig konnte ich ihm auch
genauere Details geben; er war ja schlieálich Sonderbevollm„chtigter Himmlers.
So konnte ich ihm sagen, daá Veesenmayer und Winkelmann mit den
Verhandlungen bei der ungarischen Regierung besch„ftigt sind, um die
Deportationspl„ne und Phasen zu besprechen und sehr genaue Details vermochte
ich ihm ber die operativen Vorarbeiten durch die ungar. Gendamerie zu
vermitteln, da ich hierber ja laufend informiert wurde, um meinen Chefs
berichterstattungsm„áig stets die neueste Lage zu geben; so, wie mir dies befohlen
war. Insoweit kamen wir gut aus. Nur als Herr Becker eines Tages anfing zu
dr„ngeln, da er in einer deportationnsschwangeren Luft, in einer berhitzten
Atmosph„re,
/464/AE 126
seine Himmler-Befehle schneller, besser und eleganter durchfhren k”nne und als
diese Dr„ngelei zunahm, da wurde ich – wie man zu sagen pflegte – linkisch.
Denn im ,Ruck-Zuck”-Verfahren arbeitet keine Beh”rde, auch die ungarische
Gendarmerie, so intakt und schlagkr„ftig dieses Korps auch war, machte darin
keine Ausnahme. DerAmtsschimmel braucht berall seine Zeit, egal ob in
Deutschland oder Ungarn. Auáerdem, und dies war das Sch”nste, konnte ich sie
weder anlaufen lassen, weder abstellen, weder beschleunigen, noch verz”gern.
Daher fand ich seine Anwrfe ungerechtfertigt und mit der Besorgung eines
Brolraten schickte ich mich daran, dieserhalb eine dienstliche Meldung an meine
Vorgesetzten abzufassen, da ich nichts anderes annehmen konnte, daá er dasselbe
auf seinem Dienstweg ebenfalls in die Wege leiten wrde. Sein Dienstweg war
kurz, denn er unterstand in jener Zeit, Himmler unmittelbar.
Mein Žrger wurde groá und gr”áer, als er eines Tages damit anfing, Juden gegen
Abtretung von Verm”genswerten, auswandern zu lassen. Nun war die
Auswanderung von Juden um jene Zeit durch einen Befehl Himmlers strengstens
verboten. Und nur er selbst oder der Chef der Sicherheitspolizei, konnten
Ausnahmen zulassen. Um wieviel mehr
/465/AE 127
erstaunter war ich, als der Obersturmbannfhrer Becker solches ebenfalls, kraft
eigenen Entscheides, nunmehr genehmigen konnte.
Ich, der ich jahrelang inmitten der jdischen Auswanderung steckte und dienstlich
damit befaát war, bis eben zu jenem genannten Verbot, muáte in
Deportationsfahrpl„nen mit dem Reichsverkehrsministerium herumfummeln; mir,
der ich in Auswanderungserfahrung eine mehrj„hrige ,Schule” zu durchlaufen
hatte, wurde hier ein Polizeiferner zur Seite gesetzt, ohne daá auch ich solche
Genehmigungen erteilen konnte. Ich muáte mich im Gegenteil von dieser
polizeifernen Person noch dr„ngeln lassen mit der Deportation nunmehr endlich
zu beginnen, damit er seine ,Rosinen aus dem Kuchen” holen konnte, dabei genau
wissend, daá ber Deportation alleine der Reichsbevollm„chtigte, der H”here SS-
u. Polizeifhrer, Himmler und Ribbentrop zu entscheiden hatten; und allenfalls
noch Kaltenbrunner. Da packte mich der Zorn; ein Zorn der umso schlimmer war,
als Becker ja infolge seiner Himmler-Vollmacht tats„chlich unangreifbar gewesen
ist. Er hatte eben den Befehl, gegen Verm”genswerte, alles zu genehmigen.
/466/AE 128
Dazu kam, daá um jene Zeit die deutsche Abwehr gegen Devisenzahlung
ebenfalls Juden in das Ausland schleuste. Ich aber wie eine Pick-Neun da saá und
in wenigen Wochen, in wenigen Tagen, wrde ich Fernschreiben mit
abgegangenen Transportzgen an die befohlenen Stellen zu richten haben.
Berichte an den Befehlshaber der Sicherheitspolizei fr das
Reichssicherheitshauptamt, nachrichtlich an den H”heren SS- u. Polizeifhrer;
dazwischen wieder Einholung von Detailausknften aus dem ungar.
Innenministerium oder an die Reichsbahndirektion Wien, wegen Anberaumung
einer Fahrplankonferenz, zu der ich Befehl erhielt. Dazwischen dem Befehlshaber
der Sicherheitspolizei auf Grund der Fahrpl„ne, die Zahl der befohlenen
Transportbegleitmannschaften auszurechnen, welche dieser in Verhandlung mit
dem Befehlshaber der Ordnungspolizei klarmachen muáte. Die komplizierte
Korrespondenz bezglich der Variationen in der Behandlung von Juden der
verschiedenen ausl„ndischen Staatsangeh”rigkeiten und was dergleichen
brokratischen T„tigkeiten mehr waren.
Und da begann ich zu berlegen.
/467/AE 129
Ich dachte mir, was die k”nnen, daá kannst Du auch. Ich schickte
Obersturmbannfhrer Krumey los und mit ihm den SS-Hauptmann Mislicenz. Ich
lieá bei den jdischen Funktion„ren einmal sondieren, was fr eine
Auswanderungsgenehmigung fr sagen wir, 100.000 Juden, geboten wrde.
Devisen wurden geboten. Aber dies half mir nichts; es war nichts Neues. Abwehr
und der Sonderbevollm„chtigte waren darin ohnedies t„tig.
Wie ich nun im Einzelnen mit dem jdischen Funktion„r Joel Brand damals
zusammen kam, wer dies arrangierte, dies weiá ich nicht mehr genau zu schildern.
Ich weiá nur, daá er eines Tages vor meinem Schreibtisch saá und wir zusammen
einen Plan besprachen; besser gesagt, ich entwickelte ihm meinen Plan.
Ich fuhr in jener kurzen, knappen Zeit, einigemale zwischen Berlin und Budapest
hin und her.
Irgendjemand hatte nun damals eine Zahl von 10.000 Lastkraftwagen geborgen.
War ich es, war es mein Chef in Berlin, der Generalleutnant Mller, war es
Himmler oder Becker, ich vermag es mit Genauigkeit nicht mehr zu sagen. Genau
weiá ich noch, daá ich meinem langj„hrigen Chef Mller einen Vortrag
/468/AE 130
hielt, 1,000.000 Juden an irgendwelche von den jdischen Organisationen
gewnschten Punkte zu transportieren. Dafr wurden eben die 10.000 LKW,
winterfest, mit Anh„ngern, unter der Zusicherung, dieselben nicht an der
Westfront einzusetzen, verlangt. 10%, also 100.000 Juden sollten, falls Joel Brand
mit gnstigem Bescheid aus dem Ausland zurckkam, sofort auf diesen Bescheid
hin als Vorschubleistung zur Auswanderung gebracht werden.
Es ist zum heulen und zum lachen; zum lachen, wenn ich bedenke, daá dieses
Projekt seitens meiner Vorgesetzten genehmigt wurde. Himmler selbst
genehmigte es;
zum heulen, . doch darber sp„ter.
Jetzt ging alles schnell
Eine aus dem Ausland angekommenen Sendung Devisen in der H”he von etwa
120.000 Dollar, samt Auslandspost konnte sich Joel Brand bei mir abholen. Die
Post wurde nicht einmal kontrolliert; jede Auslandspost fr jeden wurde in jener
Zeit kontrolliert. Mir stand der Sinn nach anderen Dingen. Damit hielt ich mich
nicht mehr auf. Joel Brand sagte w„hrend meines Prozesses als Zeuge der
Anklagebeh”rde, darber aus, daá er nicht wuáte wie ihm geschah; 120.000
Dollar, Post, 100.000 Juden Vorschubsleistung, Flug nach Konstantinopel –
Unterschriftkrzel
/469, 470/
AE 131
Eine Kuriermaschine der deutschen Luftwaffe brachte Joel Brand nach
Konstantinopel.
Krumez, als mein h”chster Dienstgrad in meiner Dienststelle, erhielt von mir
Befehl, Brand sicher nach Wien zu bringen. Der Befehlshaber der
Sicherheitspolizei u. des SD in Budapest bestimmte die Person, welche Brand zu
begleiten hatte, einen Bondy Grosz. Auch diesen brachte Krumey pnktlich zum
Flugzeug.
So, dachte ich in meinem Sinn: diese Sache geht auf alle F„lle in Ordnung; da
kann nichts mehr schief gehen. Und mit keiner Winper zuckte ich, als die ersten
Deportationstransporte rollten. Denn jeden Tag konnte Nachricht von Brand
kommen; konnte Brand selbst kommen und der Fahrplan wrde umgebaut nach
Spanien, Portugal, Rum„nien. Weiter wrden die jdischen Organisationen schon
sehen. –
Und was mich w„hrend des Proyesses gegen mich, sehr in Erstaunen versetzte
war die Tatsache, daá Joel Brand, als Zeuge der Anklage, bis auf einiges
Weniges, genau wahrheitsgem„á ber den Vorgang aussagte. Nicht richtig ist, daá
ich gesagt haben soll, die Deportationstransporte wrden w„hrend der Zeit bis zur
Entscheidung eingestellt bzw. die Juden wrden in ™sterreich ,auf Eis gelegt”
werden. Ich sagte jedem, der es h”ren wollte, daá ich befehlsm„áig zu sagen h„tte,
/471/AE 132
daá die Transporte zufolge dem vorgesehenen Fahrplan solange laufen werden,
bis der Bescheid da sei. Diesen auftrag hatte ich.
Wie h„tte ich als Obersturmbannfhrer etwas aufhalten, beschleunigen oder
umstoáen k”nnen, was ein halbes Dutzend hoher und h”chster Vorgesetzter von
mir, in den verschiedensten Instanzen und Zentralinstanzen befohlen hatten. Man
nenne mir einen Menschen in einem europ„ischen Land, der an meiner Stelle, so
etwas w„hrend des Krieges zu tun in der Lage gewesen w„re. /1 « Zeilen
gestrichen, unleserlich/
Brand sagte, daá Krumey beim Abflug zu ihm gesagt haben solle, es g„be auch
noch andere SS-Offiziere wie Eichmann. Es g„be auch noch Krumey`s und
Wislicenz`s. Daran m”ge er, wenn er bei seinen Freunden im Ausland w„re
denken. Obzwar der ehemalige SS-Obersturmbannfhrer seit langer Zeit selbst als
Angeklagter in einem deutschen Untersuchungsgef„ngnis einsetzt, sagte er – auch
darber als Zeuge vernommen – aus, daá er solches nie gesagt habe.
Und es ist glaubwrdig, denn es w„re sicher keine Belastung fr Krumey
gewesen, h„tte er Brand`s Version best„tigt.
/5 Zeilen gestrichen, unleserlich/
/472/AE 133
/7 Zeilen gestrichen, unleserlich/
Nun, w„hrend des Prozesses gegen mich wurden im Zusammenhang mit dieser
Mission eine Reihe von Dokumente aus dem israelischen Geheimarchiv, seitens
der Anklagebeh”rde dem Gerichtshof als Beweismaterial vorgelegt und
eingebracht. Es ist nicht meine Aufgabe, hier diese Sache n„her zu beleuchten. Es
m”gen auch sicherlich noch „hnliche oder sogar erg„nzende Dokumente in den
Geheimarchiven Englands und Nordamerikas liegen und fr eine allf„llige
Ver”ffentlichung in sp„teren Zeiten aufbewahrt bleiben.
Mir bleibt lediglich die traurige Aufgabe festzustellen, daá Brand – ohne eigenem
Verschulden – nicht wiederkam und daá eine Art Best„tigung, nie einging. Die
Deportationen aber lieáen andere weiterrollen, wie die n„chsten Dokumente
aufzeigen werden.
Nur Joel Brand und sonst keiner – so glaube ich – wird meinen Zorn und meinen
Schmerz nachfhlen k”nne, daá die Dinge so und nicht anders liefen; und
umgekehrt kann ich den Zorn und Schmerz eines Joel Brand
/473/AE 134
nachfhlen, ebenfalls aus erster Quelle, daá Papier, welches sonst stets so
geduldig ist, in diesem Falle offenbar nicht tauglich war. Denn die Ingangsetzung
von vorerst einmal 100.000 <auswanderungsbewilligten> Juden noch ohne jede
ausl„ndische Gegenleistung, h„tte ein v”llig anderes Bild zur Folge gehabt. Mit
diesen oder „hnlichen Worten schloá ich meine diesbezgliche Stellungnahme vor
dem Gerichtshof, w„hrend des Prozesses gegen mich.
Nun der andere Punkt des von Herrn von Thadden angeschnittenen
Geheimabkommens seitens Winkelmann, hinter Veesemayers Rcken, war ein
Abkommen des Bevollm„chtigten Becker. Er kassierte gewissermaáen den
Rstungsbetrieb des ,ungarischen Krupp”, den sogenannten Manfred Weiss –
Konzern, bei Budapest, gegen die Auswanderung der Gesamten Familien dieses
jdischen Industriellen, nach Portugal.
Der Chef des Verwaltungs und Wirtschaftshauptamtes des Reichsfhrers SS, SS
Ober-Gruppenfhrer und General der Waffen SS Oswald Pohl, dem s„mtliche
Konzentrationslager unterstanden richtete am 24. Mai 1944 an himmler ein
Fernschreiben, indem er ihn um Genehmigung bat, der ,Organisation OT”
/474/AE 135
der deutschen staatlichen Groábaufirma, fr deren Bauvorhaben, jdische Frauen
aus Ungarn zufhren zu k”nnen. Himmler versah dieses Fernschreiben mit seinen
charakteristischen beiden groáen ,HH” und es ist anzunehmen, daá er Pohl dies
bewilligte. (150)
Etwa im Mai/Juni befaáten sich die planenden K”pfe mit einer Deportierung der
Juden aus Budapest. Herr von Thadden schreibt an Veesenmayer daá die
Presseabteilung des Ausw„rtigen Amtes beabsichtigt, beim Reichsauáenminister
anzuregen, daá man „uáere Anl„áe und Begrndungen fr die Aktion schafft wie
z.B. Sprengstoffunde in jdischen Vereinsh„usern und Synagogen;
Sabotageorganisationen; Umsturzpl„ne; šberf„lle auf Polizisten;
Devisenschiebungen groáen Stils, mit dem Ziel der Untergrabung des ungarischen
W„hrungsgefges. Der Schluástein unter eine solche Aktion máte ein besonders
krasser Fall sein, an dem man dann die Groárazzia aufh„ngt. Veesemayer wird um
Drahtstellungnahme gebeten.
Dieser aber muá dringen bitten, von jeder propagandistischen Aktion Abstand zu
nehmen, denn es sei berall bekannt, daá seit Wochen jdische Vereinsh„user und
Synagogen unter scharfer Kontralle der ungarischen Polizei stehen, bzw. zum Teil
beschlagnahmt worden sind, das jdische Verm”gen ebenfalls beschlagnahmt,
bzw. gesperrt ist und daá die Juden in ihrer Bewegungsfreiheit sehr eingeschr„nkt
seien. (151)
/475/AE 136
Blaschke, der Brgermeister der Stadt Wien, schreibt am 7. Juni seinem Freunde
Kaltenbrunner, daá er jdische Arbeitskr„fte haben m”chte. Daraufhin bewilligt
ihm Kaltenbrunner, als Chef der Sicherheitspolizei, 4 Transporte mit zusammen
12.000 Juden und schreibt ihm, daá davon etwa sch„tzungsweise 30 % an
arbeitsf„higen Juden abfallen drften. Sowohl die arbeitsf„higen, als auch die
nichtarbeitsf„higen Juden máten in bewachte Lager untergebracht werden.
N„here Einzelheiten m”ge er mit dem SS-Obersurmbannfhrer Krumey vom
Sondereinsatzkommando Ungarn, besprechen.
Es werden sodann /2 « Zeilen gestrichen, unleserlich/ im einzelnen Richtlinien
fr den Einsatz dieser jdischen Arbeitsgruppen, die auf etwa 20 politische Kreise
von Nieder”sterrreich aufgeteilt werden, besprochen. (152)
,W„hrend bis zum 19. M„rz zahlreiche Juden aus der Slowakei nach Ungarn
wanderten, ist nunmehr eine umgekehrte Wanderbewegung festzustellen. Es
wrde die hiesige Arbeit erheblich erleichtern, wenn nunmehr auch in der
Slowakei grndlich gegen die Juden vorgegangen wrde. Falls entsprechende
Weisung erfolgt, wrde ich mich zu einer diesbezglichen Besprechung mit Ludin
in Pressburg treffen, um gemeinsam prktische Vorschl„ge auszuarbeiten.” Dies
schreibt Veesenmayer am 14. Juni, an das Ausw„rtige Amt. Und General
Winkelmann richtet einige
/476, 477/AE 137
Tage sp„ter an Himmler ein pers”nliches Schreiben. ,Hochzuverehrender
Reichsfhrer! In der letzten Woche gab es hier eine grӇere Zahl von Ereignissen,
die in anderen Gegenden wohl Besorgnis h„tten erregen k”nnen.” Er kommt ber
Judenfragen und deren L”sungsbestrebungen auf ungarisch-innenpolitische Dinge
zu sprechen, charkterisiert Einzelfiguren des politischen Lebens und meint dann:
,Das beste w„re natrlich, wenn der Fhrer den Reichsverweser zu sich bestellte,
um ihm in aller Deutlichkeit seine Meinung zu sagen. Es máte aber auch so
gehen, daá Veesenmayer endlich einmal strikte Anweisung erh„lt, hier auf den
Tisch zu schlagen. Mit seiner Verhandlungstaktik kommt er nun wirklich nicht
mehr weiter.” Am 4. Juli – so schreibt er weiter – nahm er, Winkelmann an einer
Besprechung teil, welche Becker (der Sonderbevollm„chtigte Himmlers) mit dem
ungarischen Minister Imredy ber den ,Manfred – Weiss – Konzern”, hatte. Unter
anderen ging es um die Frage der Nationalit„t des Generaldirektors. Die Ungarn
wnschten einen Ungarn. Becker erkl„rte, daá eine solche Forderung g„nzlich
unannehmbar sei, denn Generaldirektor k”nne nur ein Mann werden, der seine
Befehle unmittelbar von Himmler entgegennehmen k”nne und dessen volles
Vertrauen haben máe. Mit ,Reichsfhrers gehorsamster Winkelmann”, endete
das Schreiben.
Dazwischen funkt eine Botschaft von Ribbentrop pers”nlich. Er bittet
Veesenmayer, der ungarischen Regierung mitzuteilen,
/478, 479/AE 138
daá es nicht opportun ist, auf die verschiedenen ausl„ndischen Angebote
zugunsten der Juden einzugehen und er bittet um eine entsprechende
Sicherstellung der Angelegenheit. (153)
Und was tat ich in jener Zeit? Was trieben die Leute meines Kommandos? Man
wird es mir sicherlich nur schwerlich glauben, wenn ich sage, nie hatte ich in all
den letzten Jahren mehr freie Zeit und weniger zu tun, als w„hrend der Budapester
Monate. Und doch ist es so. Derjenige Leser, welcher die sicherlich sehr trockene
Aneinandereihung der Dokumente, nach ihrem chronologischen Ablauf, verfolgt,
sah und wird weiter sehen, daá alles, buchst„blich alles, was auch nur
einigermaáen von Bedeutung war, entweder von Veesenmayer oder Winkelmann
pers”nlich behandelt wurde. Hatte ich mich w„hrend der ,Berliner – Jahre”
geweigert, von dem mir eigentlich zustehenden kleinen Ausfhrungsrecht,
welches einem jeden Referenten zukam, Gebrauch zu machen und hatte in es mir
zur Gepflogenheit gemacht, in allen Dingen Weisung meiner Vorgesetzten
einzuholen, so brauchte ich selbst dieses in Ungarn sehr selten zu tun. Denn die
st„ndige Sorge beherrschte den Reichsbevollm„chtigten, wie den H”heren SS- u.
Polizeifhrer, einer k”nnte dem anderen den Rang in der Zust„ndigkeit ablaufen.
Daher trieb diese Sorge alleine schon den einen wie den anderen, und lieá sie
Dinge anordnen und verhandeln, welche sie in normalem Zustand einem ihrer
Untergeordneten
/480, 481/AE 139
bertragen h„tten. Selbst der Befehlshaber der Sicherheitspolizei als Person, hatte
im Gegensatz zu anderen besetzten Gebieten, in Ungarn mit diesen Dingen aus
den angefhrten Grnden recht wenig zu tun. Was im Vergleich zu anderen
L„ndern sehr ins Auge fallend ist. Freilich muá ich billigerweise zugeben, daá die
Maschinerie der ungarischen inneren Beh”rde so funktionierte, wie dies wohl
selten von einer anderen Beh”rde in einem anderen Gebiet um jene Zeit behauptet
h„tte werden k”nnen. Sie funktionierte nicht nur in Judenangelegenheiten,
sondern schlechtweg in allen ihren dienstlichen Obliegenheiten; und mehr als
einmal sagte ich zu mir selber, Donnerwetter, bisher glaubtest du, nur in
Deutschland wrde jene exakte Genauigkeit obwalten; hier siehst du mindestens
genau dieselbe peinlich saubere Akuratesse. Ich bewunderte um jene Zeit die
ungarische innere Verwaltung; nicht im Hinblick auf die Erledigung der
Judenangelegenheiten, sondern ich spreche ganz allgemein, von beh”rden-
sachlichen Standpunkt aus.
Krumey ging oft und oft schon am frhesten nachmittag zum Tennisspielen ab;
und etwa im Juni/Juli wurde er nach ™sterreich versetzt, denn es gab fr uns
wirklich herzlich wenig zu tun.
Es sagte noch 1961 als Zeuge in Deutschland vernommen hierber: ,Beobachtet
habe ich, daá seine (Eichmann`s) Schreibkraft nicht viel zu tun hatte. Eichmann
hat auf der Dienststelle selbst wenig Zeit zugebracht. Er kam und ging wann er
wollte. Er hatte in Budapest ein ausgepr„gtes und zeitlich ausgedehntes
Privatleben.”
Ich hatte ja nicht einmal personelle Befugnisse
/481/AE 140
bezglich der kaum zwanzig Angeh”rigen meines Kommandos; selbst diese
Arbeit erledigten andere, wie Krumey weiter best„tigt. Schon in Mauthausen
n„mlich sah und h”rte er, daá Dr. Geschke die Sicherheitspolizei leitete. Von ihm
erhielt er bereits dort seine Auftr„ge. Und er erkl„rt ferner, daá er von dem
Befehlshaber der Sicherheitspolizei – Ungarn, Dr. Geschke, von Ungarn, wo er
mein ,St„ndiger Vertreter” war, versetzt wurde; und nicht etwa von mir. (154)
Nun ja, ich kann verstehen, daá dies alles noch keine Antwort auf die Frage ist,
was ich denn nun wirklich tat; sowohl dienstlich, als auch privat. Dienstlich:
solange die fahrplanm„áigen Transporte liefen, hatte ich Ariso?fernschreiben
gem„á den erhaltenen Abfahrtsmeldungen nach Auschwitz, ber den
Befehlshaber der Sicherheitspolizei – Ungarn an das Reichssicherheitshauptamt
zu senden; die Statistik zu fhren, meine Vorgesetzten in Ungarn t„glichen
mndlichen Bericht zu erstatten; mindestens w”chentlich einmal auch einen
schriftlichen Lagebericht zu geben. Dazu muáte ich mir die Unterlagen aus dem
ungarischen Innenministerium besorgen; in der Regel direkt von Staatsekret„r
Endre. Ich bekam t„gliche Mitteilungen von der ungarischen Gendamerie; kurz
und gut, all jenes war meine Obliegenheit, was mit der befohlenen
Lageberichterstattung zusammen-
/482, 483/AE 141
hing, dazu kam all jene brokratische Arbeit, von der ich anfangs berichtete. Und
das ganze aufgeteilt auf etwa fnf bis sechs Mann. Weitere acht Personen z„hlten
zur Wache, waren Kraftfahrer und Schreibkr„fte. Der Rest war in der Provinz und
hatte darauf zu achten, daá Juden bestimmter ausl„ndischer Staatsangeh”rigkeit
nicht deportiert wurden, so wie der Befehl es vorschrieb.
Privat: Ja, neben Motorsport und Segelsport am Plattensee (ich hatte entfernte
Verwandte in Ungarn) und neben zahlreichen privaten Besuchen und famili„r-
gesellschaftlichen Beisammensein hatte ich in den Jahren 1943 und 1944 ein
Steckenpferd, welches mir nach 1945 einigemale wieder einfiel, meistens aber der
Vergessenheit berantwortet blieb. Ich will es hier erz„hlen. Nach dem Unglck
von Stalingrad begann ich mich mit der šberlegung der Konstruktion eines
Motors zu besch„ftigen, gerade stark genug, um einen bewaffneten Soldaten
wenige Meter hoch, kurze Strecken zu transportieren. Die taktischen, ja
strategischen M”glichkeiten bei Serienproduktion eines solchen Ger„tes schienen
mir enorme zu sein. Leider verstand ich von dem konstruktiven Teil der Seite
doch zu wenig, um diese Sache alleine weiter zu betreiben, denn ich war kein
Explosionsmotorenbauer. Das einzige, was ich tun konnte, war vorerst, daá ich
mir einschl„gige neueste Literatur
/484, 485/AE 142
besorgte und mich mit Verbissenheit dem Studium hingab. Bedauerlicherweise
hatte ich auch in jener Zeit zu viel brokratisches Getriebe um die Ohren und die
zunehmenden Heftigkeiten der Bombenn„chte f”rderten die Angelegenheit
keinesfalls.
Trotzdem nahm ich nach einigem Studium Verbindung mit einer Kapazit„t auf
dem Gebiete des Hubschrauberbaues, dem Professor Flettmer auf; dem Erfinder
des Flettmer-Rotors; dem Erbauer von Kleinhubschrauber fr unsere U-Boote. Er
erz„hlte mir eines Tages, daá seiner Tochter die Idee der sogenannten
Versorgungsbombe zuzuschreiben sei, denn inspiriert durch die propellerartige
Frucht des Ahornbaumes und ihr flatterndes, Zubodenfallen, w„re sie durch
šberlegung, zur Versorgungsbombe gelangt.
Kurz und gut, der Mann schien mir richtig zu sein. Und er war zwar von meiner
Idee begeistert, besonders, als ich ihm die herrlichen milit„rischen
Ausrstungsm”glichkeiten entwickelte, aber infolge unseres latenten
Buntmetallengpasses, war das PS-Gewicht des deutschen Motors, beispielsweise
im Vergleich zu einem USA-Motor ungleich h”her. Ich glaube mich erinnern zu
k”nnen, daá der Unterschied zwischen 30 oder 35% lag, zu ungunsten des
deutschen Motors oder noch h”her. Aber er versprach mir, die Sache in die Hand
/486, 487/AE 143
zu nehmen, zu studieren uund mit mir auf dem Laufenden zu bleiben. So war es
mir recht. Da ich nichts fr mich haben wollte, sondern fr die Sache, war es mir
egal, wer die allfalligen Anerkennungen oder gar Frchte aus dieser Sache erntete,
wenn die Idee nur der Verwirklichung n„her gebracht wrde und eine operative
Erleichterung fr die Truppe abgeben wrde. Daher war es auch v”llig berfláig,
etwa einen Vertrag zu machen. Lediglich zum Schweigen gegenber Unbefugten
muáte er sich verpflichten. Mein vornehmliches Interesse in jener Zeit galt mehr
dem Motor der Getriebereduktion /2 « Zeilen gestrichen, unleserlich/, den
Drehbewegungsbertragungen und anderen einschl„gigen Dingen mehr, als allen
sonstigen Sachen.
Flettmer besuchte mich dann einige Male auf meiner Dienststelle; ich besuchte
ihn in seinem kleinen Werk und sah mir interessiert seine im Bau befindlichen
Kleinhubschrauber an. Ich wollt ja eigentlich dasselbe, nur einen
Kleinsthubschrauber, bzw. eine dem Hubschrauber „hnliche Konstruktion, oder
wie ich es damals kurz ausdrckte ,Motor-Rotor” mit dem allernotwendigsten
Drum und Dran.
Darber kam allm„lig Ungarn und ich hatte Zeit. Sehr viel Zeit. Aber leider war
Flettmer weit weg.; in Berlin. Und ich glaubte, ich máe es zwingen. Ich
skizzierte, ich studierte und plagte mich ab, wie man eine oder zwei Divisionen
auf diese Art und Weise ,motorisieren” k”nnte. Aber Flettmer blieb stumm und
nichts ging weiter. Es kam
/488/AE 144
die V1 und sofort dachte ich getr”stet, den Kohl mit dem ,Motor-Rotor” braucht
nunmehr kein Mensch. Und ich sagte mir, daá mich in diesem Stadium die
dmmsten S„ue auslachen wrden, wrde ich nur meinen Schnabel aufsperren.
Meinem Chef, dem Generalleutnant Mller, trug ich die Idee eines Tages des
mittleren Jahres 1943 vor. Aber ich h„tte sie ebensogut seinem Papierkorb
erz„hlen k”nnen. Er h”rte mir geduldig zu, sah mich an und l„chelte dnn, um
mich dann mit einer dienstlichen Angelegenheit wieder in den Alltag
zurckzurufen. Dies war einer meiner leider fruchtlosen privaten Besch„ftigungen
in Budapest. –
Wir stehen am Anfang Juli des Jahres 1944. Veesenmayer muá nach Berlin
berichten, daá ihm Ministerpr„sident Sztojay mitteilte, Horthy habe die
Fortsetzung der Juden-Aktionen gestoppt; Sztojay bat ihn, sich bei Ribbentrop
dafr einzusetzen, daá verschiedenen ausl„ndischen Angeboten zu Gunsten einer
Ausreise bestimmter jdischer Personenverb„nde, n„hergetreten werden k”nnte.
Auf Ribbentrop`s Vorschlag, genehmigte Hitler daraufhin einige dieser Angebote
unter der Voraussetzung, daá der von Horthy vorrbergehend gestoppte
Abtransport der Juden nach dem Reich, sofort und schnellstens zu Ende gefhrt
wrde.
/499/AE 145
Aber die Dinge komplizieren sich immer mehr; wenige Tage danach, am 16.Juli,
drahtet Ribbentrop erneut nach Budapest: ,Hitler habe davon Kenntnis
genommen, daá Horthy die derzeitige Regierung Sztojay abzuberufen und an ihre
Stelle eine Milit„rregierung einzusetzen gedenke. Er habe dies mit Befremden zur
Kenntnis genommen. Mit noch gr”áerem Befremden habe Hitler vernommen, daá
Horthy Verhaftungsbefehle gegen einzelne Minister und Staatssekret„re der
Regierung Sztojay, welche in letzter Zeit Maánahmen gegen die Juden
durchgefhrt haben, erlassen h„tte.
Er drohte mit der sofortigen Abberufung Veesenmayers und der Ergreifung jener
Maánahmen, die eine Wiederholung solcher Vorf„lle ein fr allemal ausschlieáen
wrden. In diesem Falle, wrde Hitler in Zukunft jede Rcksicht fallen lassen.
Hitler hoffe jedoch, daá Horthy einsehen wird, daá jedes Abweichen von dem in
Klessheim beschlossenen Wege, Komplikationen in sich bergen wrde. (155)
/1 Zeile gestrichen, unleserlich/
Die Deportationstransporte wrden von Ordnungspolizei oder wenn „uáerster
Personalmangel zu verzeichnen ist, gemischt mit Angeh”rigen der Dienststelle
des Befehlshabers der Sicherheitspolizei begleitet. Letzteres traf jedoch meiner
Erinnerung nach sehr selten ein. Die Verhandlungen zur Abstellung dieser Kr„fte
von der Ordnungspolizei, fhrten
/500/AE 146
jeweils die Befehlshaber dieser Polizeieinheiten unmittelbar. /4 Zeilen gestrichen,
unleserlich/
W„hrend eines Transportes, kam es glaublich auf slowakischem Gebiet einmal, zu
Ausschreitungen der Transportbegleitung gegen die Juden. Die deutsche
Gesandtschaft Budapest berichtet unter anderem darber an das Ausw„rtige Amt
am 2. August: ,Die Angelegenheit ist vom Befehlshaber der Sicherheitspolizei
und des SD in Ungarn – das Sondereinsatzkommando des SS-
Obersurmbannfhrer Eichmann ist ausschlieálich fr die technische
Durchfhrung der Judentransporte zust„ndig – untersucht worden, der ber das
Ergebnis dem Reichssicherheitshauptamt berichtet hat.”
Ich glaubte dieses Dokument mit einschalten zu máen, da es schlagartig erhellt,
daá meine M„nner mit der exekutiven Angelegenheit nichts zu tun hatten, sondern
sich deren T„tigkeit ausschlieálich auf die Dinge beschr„nkte, die ich im
Wesentlichen bereits beschrieben habe.
Und wie wenig selbst in technischen Dingen mein Kommando entscheiden
konnte, zeigt daá ich sogar beim Vorliegen von Auswanderungsgenehmigungen,
an den Himmler-Befehl welcher der Sicher-
/501/AE 147
heitspolizei bermittelt wurde, gebunden war. Veesenmayer will Anfang August
vertraulich erfahren haben, daá ich mich nochmals an das
Reichssicherheitshauptamt mit der Bitte wandte, endgltige Entscheidung
Himmlers herbeizufhren, ob die Ausreise einer sogannten ,Schweizer Aktion”
nach Pal„stina ber Rum„nien genehmigt werden k”nne. Ich hatte bisher in
Budapest vorgeschlagen lediglich nach Lissabon durch Westeuropa zu gestatten;
denn ich konnte aus eigener Vollmacht ja schlieálich auch keinen Befehl meiner
Vorgesetzten um„ndern. Dieser Weg ber Lissabon aber war in solchen F„llen, im
Hinblick auf das Abkommen zwischen Ribbentrop-Himmler-Mufti, genehmigt.
(156)
Es gab ja – wie ich den jdischen Funktion„ren in Budapest oft und oft sagte,
schlieálich auch die ,grne Grenze”. Dazu brauchte es keiner Genehmigung, und
da mich der exekutive Teil nichts anging, interessierte mich auch die ,grne
Grenze” nicht.
Im August ging nun das Tauziehen zwischen Veesenmayer und der ungarischen
Regierung wegen des Beginnes der Deportation aus Budapest los. Mir wurde
daraufhin seitens des ungarischen Inneministeriums mitgeteilt, daá damit
begonnen wrde; dann gab man wieder den gegenteiligen Befehl bekannt, kurz
und gut, es ging hin und her;
/502/AE 148
Das Resultat war schlieálich, daá Horthy die Deportation verbot. Dieses Verbot
wurde von Veesenmayer am 24. August um 10,20 Uhr nach Berlin durchgegeben.
Und am n„chsten Tag um 11,15 Uhr konnte er dem Ausw„rtigen Amt melden,
daá ihm Winkelmann soeben telephonisch mitgeteilt habe, daá Himmler um 3
Uhr frh, durch Fernschreiben den Befehl gab, jede Deportation von Juden
stengstens zu untersagen. (157)
Aber am 30. August geht es wieder von vorne an. Veesenmayer schreibt an
Ribbentrop, daá anschlieáend an die Vereidigung der neuen ungarischen
Regierung eine Ministerratssitzung stattfand, in der als Hauptgegenstand, die
Evakuierung der Juden aus Budapest zur Debatte stand. Es wurde beschlossen, die
Aktion sofort einzuleiten. (158)
Ich selbst war mit meinem Kommando schon l„ngst nicht mehr in Budapest, denn
der Befehlshaber der Sicherheitspolizei, Dr. Geschke, erteilte mir Befehl, mich
mit meinem Kommando in den Raum von Groá Nikolsburg zu begeben, um dort
durch die Abtransportierung von 10.000 Volksdeutschen diese einem russischen
Zugriff zu entziehen. Aus Neu Arad transportierte ein Teilkommando von mir ein
deutsches Wehrmachtlazarett ab, welches vorbergehend von der russischen
Besetzung
/503/AE 149
befreit war. Und am 22. September 1944, l”ste ich befehlsm„áig mit einem
Schluáappell das Kommando auf. (159) Ich wurde nach Berlin in das
Reichssicherheitshauptamt zurckbefohlen, wurde jedoch angewiesen noch eine
Woche in Budapest zu bleiben und mich dann in Berlin zurckzumelden.
Inzwischen berichtet Veesenmayer seiner Berliner Zentrale, daá die Ungarn die
eingegangenen Verpflichtungen zur L”sung der Judenfrage in Budapest als
innerstaatliche Maánahme, bisher nicht nachgekommen seien und Legationsrat
Wagner als Gruppenleiter Inland II des Ausw„rtigen Amtes, schlug Ribbentrop
am 12. Oktober im Hinblick auf das N„hherrcken der Front vor, die deutsche
Haltung grunds„tzlich zu „ndern und entweder die Evakuierung der restlichen
Juden in eigener Regie, oder durch entsprechenden Druck auf die ungarische
Regierung, zur Durchfhrung zu bringen. (160)
/Unterstaatsekret„r Luther hatte inzwischen den in Berlin akkreditierten
ungarischen Gesandten bearbeitet, welcher am 18. Oktober zur Berichterstattung
nach Budapest reise und die ganze Angelegenheit seinem Ministerpr„sidenten und
dem Reichsverweser vorzutragen gedenke.
Auáerdem habe er einen offiziellen
/504, 505/AE 150
Schritt deutscherseits bei der ungarischen Regierung in Aussicht gestellt und gibt
an Veesenmayer nunmehr die Anweisung zu erreichen, daá die Maánahmen
gegen die Juden in Ungarn entsprechen weiter zu betreiben seien. Und dann am
14. Oktober schreibt er daá Ziel máe daher in Ungarn sein:
1.) Die Juden auf dem Wege fortschreitender Gesetzgebung unterschiedslos aus dem
kulturellen und wirtschaftlichen Leben auszuschalten.
2.) Durch sofortige Kennzeichnung aller Juden die entsprechenden
Regierungsmaánahmen erleichtern und dem Volke die M”glichkeit zu klarer
Distanzierung zu verschaffen.
3.) Die Aussiedelung und den Abtransport nach dem Osten vorzubereiten. –
durchgestrichen/
Der Leser dieser Zeilen wird sich allgemach darber wundern, warum ich, als der
Schreiber und gewissermaáen im Geschehen gestandene zeitgen”ssische Chronist,
denn mir immer vom Tun und Handeln des Reichsbevollm„chtigten des
Ausw„rtigen Amtes, und allenfalls von dem des H”heren SS- u. Polizeifhrers
berichte. Haben denn – so wird er sich fragen- nicht auch anderer Stellen hier
mehr ihre Finger im Spiel gehabt, als er durch deutschreiber dargestellt ist? Will
der Schreiber etwa Himmler, Kaltenbrunner, seinen eigenen unmittelbaren
Vorgesetzten, Mller, kurz Namen denen man sonst auf Schritt und Tritt
begegnet, bewuát aus den Belangen in Ungarn ferne halten? Etwa gar aus dem
Grund, weil er selbst dort t„tig war?
Ich darf darauf erwiedern, daá dies keinesfalls so ist. Ungarn war im
Wesentlichen das ,Rennen des Ausw„rtigen Amtes”. Nicht daá, der
Sicherheitspolizei oder Himmlers. Ich habe s„mtliche Dokumente, die hier in
Israel in dem Prozess gegen mich, vorlagen und denen ich auch nur eineige
Bedeutung
/506/AE 151
im Hinblick auf die Linienfhrung oder zu derem besseren Verst„ndnis einr„umte,
herangezogen. Es ist nicht mehr davon da. Man kann auch nicht gur sagen, na ja
klar, das Reichssicherheitshauptamt hat seine Akten ja im Jahre 1945 verbrannt.
Dies stimmt zwar. Aber die anderen Zentralinstanzen taten es nicht. Und da
wurden eben nach 1945 alle die Schreiben mitgefunden, von denen im
Reichssicherheitshauptamt die Durchschl„ge verbrannt wurden. Sicher mag es
sein, daá im Laufe der Zeiten das eine oder andere Dokument sich noch auffinden
wird; aber das Gesamtbild kann sich dadurch nicht mehr „ndern.
-,-
Kaum mag ich nach einigen Urlaubstagen bei meiner Familie – (soweit man in
diesem vorgerckten Kriegsstadium berhaupt noch von Urlaub sprechen kann) –
wieder in Berlin gewesen sein, da traf mich der Befehl meines Chefs, abermals
nach Budapest zurckzufahren. Was war geschehen?
Der H”here SS- u. Polizeifhrer dr„ngelte den deutschen Gesandten ?
Reichbevollm„chtigten.
Der Reichsbevollm„chtigte dr„ngelte die ungarische Regierung!
Das Ausw„rtige Amt und Veesenmayer dr„ngelten sich gegenseitig!
Wozu?
Die Deportationen waren dort eingestellt. Himmler hatte sie doch verboten, auch
Horthy hatte sie verboten. –
Aber in Ungarn waren inzwischen die
/507, 508/AE 152
,Pfeilkreuzler” unter Szalasi als Staatsoberhaupt, an die Macht gekommen. Und
Veesenmayer unterrichtete das Ausw„rtige Amt am 18. Oktober wie folgt: ,Mit
ge„nderter politischer Lage ist auch die Judenfrage hier in neues Stadium getreten.
Obersturmbannfhrer Eichmann, der auf Antrag des hiesigen H”heren SS- und
Polizeifhrers und Befehl des Chefs der Sicherheitspolizei heute nach Budapest
zurckgeholt ist, hat Verhandlungen mit ungarischer Regierung dahin
aufgenommen, daá 50.000 m„nnliche, arbeitsf„hige Juden aus Budapest zum
Arbeitseinsatz nach Deutschland transportiert werden.
Aus Ver”ffentlichungen neuer Regierung ist im brigen zu ersehen, daá auch
bisherige Ausnahmejuden, wieder zum Sterntragen verpflichtet werden.” (161)
Noch am selben Tag berichtet Veesenmayer weiter: ,Trotz seitens Szalasi bereits
erfolgter grunds„tzlicher Stellungnahme, keinen ungarischen Juden weiterhin in
das Reich abtransportieren zu lassen, wird Innenminister versuchen,
ausnahmsweise Zustimmung zu beantragter, zeitweiser šberlassung von 50.000
arbeitsf„higen, m„nnlichen Juden zu erlangen, die im Reichsgebiet fr
J„gerprogramm, und zur Abl”sung von russischen Kriegsgefangenen, die
anderw„rts dringen ben”tigt werden, eingesetzt werden sollen. Transport soll
durch Fuátrecks in Begleitung deutscher Kommandos erfolgen. Das
Einsatzkommando Eichmann
/509, 510/AE 153
wird abgesehen von teilweiser šbernahme der Bewachung des Fuátrecks, nur
beratend mitwirken, w„hrend Aktion im brigen von ungarischer Gendarmerie
unter Leitung bisherigen Beauftragten fr Judenfragen Oberleutnant Ferencsy und
Oberleitung Staatssekret„r im Innenmi Laday, durchgefhrt werden soll. (162)
Und an den Reichsauáenminister geht am 24. Oktober eine Geheime Reichssache
von Veesenmayer ab in der er seinem Minister berichtet:
,. teile ich mit, daá ich gestern auf die dringende, wiederholte Bitte von SA
Obergruppenfhrer Winkelmann, Syalasi gebeten habe, uns wenigstens 25.000
Arbeitsjuden leihweise fr ein halbes Jahr fr die Verwendung im deutschen
J„gerprogramm zur Verfgung zu stellen. SA Obergruppenfhrer Winkelmann
hat an sich die Forderung auf 50.000 Arbeitsjuden erhoben, doch ist diese bisher
am Widerstand der ungarischen Regierungsstellen gescheitert. Ich hielt es fr
richtig, zun„chst eine Teilforderung zu realisieren, mit der Absicht, gegebenfalls
sp„ter erneut unsere Wnsche vorzubringen.
Szalasi hat sofort dieser Bitte entsprochen, hat lediglich zun„chst darauf
hingewiesen, daá Ungarn selbst das Gros der ungarischen Juden fr
Schanzarbeiten brauche und hat mich gebeten die weitere Bearbeitung der
Angelegenheit zwischen Obergruppnefhrer Winkelmann und Minister Kowacs
in die Wege zu leiten.” (163)
/511/AE 154
Folgendes war geschehen:
DerH”here SS- u. Polizeifhrer General Winkelmann wurde wiederholt bei
Veesenmayer vorstellig, daá 50.000 Arbeitsjuden in das Reichsgebiet zu
marschieren h„tten.
Und er setzte sich darber hinaus direkt mit dem Chef der Sicherheitspolizei und
des SD, Dr. Kaltenbrunner in Verbindung, mit der Forderung meiner sofortigen
Wiederinmarschsetzung nach Ungarn.
Den Befehl dazu bekam ich.
Ich hatte zu gehorchen.
Ich h„tte keinesfalls etwa sagen k”nnen: ,nein ich will nicht; sucht Euch
jemanden anderen.”
Krankspielen durfte ich nicht, denn ich hatte ja einen Fahneneid geliestet.
Auáerdem sah ich zum krankspielen zu gesund aus.
Was war das J„gerprogramm?
Die letzte Anstrengung, die feindlichenBomberstr”me vom deutschen Himmel zu
verjagen.
Tausende und abertausende Einmannturbinenj„ger mit fantastischer
Geschwindikeit und Wendigkeit wurden gebraucht. Als sie fertig waren, standen
sie wie Hornissen auf den Autobahnen, auf Feldern, auf Flugpl„tzen, an
Waldesr„ndern. Aber sie stiegen kaum auf. Treibstoffmangel. Die Alliierten
hatten die deutschen Raffinerien – Duzende und aberduzende von
Kleinraffinerien, geschickt wie kleine
/512/AE 155
Schwalbennester in Bodenmulden und an Bergh„ngen gegen feindliche Flieger
sicher getarnt, – durch systematische Kleinarbeit, oft in Tiefangriffen, zerst”rt. Gut
noch war es nicht so weit.
Noch lautete der Befehl: J„gerprogramm. Dazu hatte Winkelmann Gott und die
Welt verrckt gemacht.
Dazu bekkam ich Befehl, mit dem ungarischen Inneministerium
Detailbesprechungen zu fhren.
Die Trecks;
Die Verpflegungslager;
Die N„chtigungslager;
Die Bewachung der Lebensmitteltransports;
Nur m„nnliche Juden;
Nur arbeitsf„hige Juden;
Zeitweise;
Leihweise;
Mir gelang die Verhandlung nicht, wie die Dokumente es besagen.
Neuer Vorstoá Winkelmanns bei Veesenmayer. Dieser reduziert die
Winklemann`sche Forderung auf die H„lfte.
Er muá dieserhalb mit dem ungarischen Staatschef sprechen.
Szalasi genehmigt.
Die Einzelheiten muá Winkelmann mit dem Minister Karacs erledigen.
Ein nerv”ses, hektisches Getue. Eine Handlung planvoll lenkender,
/513/AE 156
verantwortlicher Fhrer?
Quatsch!
Irrsinn; die Leute dachten nur von heute auf morgen.
Sie befahlen! Nach dem Motto, besser ein unsinniger Befehl, als gar keiner.
Und was sagt derselbe General a.D. Winklemann im Jahre 1961 als Zeuge in
Deutschland vernommen?
,Himmler habe ihm erkl„rt, er sei an der Judenfrage in Ungarn nicht interessiert.”
Dazu muá ich schon fragen; warum hat Himmler denn die Deportation der Juden
von Osten nach Westen durchk„mmend, aus strategischen Grnden, befohlen?
Wozu war denn dann Himmler bei der Hitler-Horthy Besprechung auf Schloá
Klessheim zugegen, wo die Dinge doch festgelegt wurden?
Warum ist denn der Obergruppenfhrer Winkelmann, als H”herer SS- u.
Polizeifhrer nicht gegen die Deportation eingeschritten? Er war doch die h”chste
SS u. Polizeiautorit„t als Vertreter Himmlers in Ungarn.
Warum wurde er dann wiederholt bei Veesenmayer wegen Durchfhrung der
Judendeportation vorstellig.
Warum holte er mich, durch Dr„ngen bei
/514/AE 157
Kaltenbrunner, denn wieder nach Ungarn zurck?
Und dann habe ich seine Erkl„rung gelesen: ,Eichmann h„tte in seiner
subalternen Art seine Machtbefugnisse berschritten, wenn er glaubte damit im
Sinne seines Befehlsgebers zu handeln.”
Dazu auf ein Wort Herr General:
Ich wrde solches Ihrem inzwischen erreichten hohen Alter /1 Zeile gestrichen,
unleserlich/ zuschreiben. Aber wenn ich so bedenke, was fr ein alberner und
t”rrichter Mensch ich gewesen sein muá, Ihren Befehlen im Jahre 1944
nachzukommen, dann packt mich heute noch der Zorn ber mich, und das Mitleid
mit Ihnen Herr General!
Und daá ich albern und t”rricht gewesen sein muá, beweist mir Ihre
ungeneralm„áigen Worte. /Ich sitze hier in diesem israelischen Gef„ngnis, aber
ich habe den Mut, Ihnen dies zu sagen: – gestrichen/
/3 ¬ Zeilen gestrichen, unleserlich/
Sie werden daher verstehen, daá ich bei solcher Einstellung meiner Vorgesetzten
von damals ihren Untergebenen gegenber, mich umso genauer, und nur an den
Wortlaut der Dokumente halte.
/515, 516/AE 158
/Sicher auch meine Ansichten haben sich in sechzehn Jahren ge„ndert, aber ich
wrde nicht ich sein, wollte ich meine Gesinnungs„nderung oder Wandlung in
meinem Vorstellungsverm”gen ber die Dinge des Seins, in solch
abgeschmacktem Gesabbere von mir geben.
Dieses Herr General, waren die Worte, die ich Ihnen sagen wollte. (164)
gestrichen/
Sicher auch meine Ansichten haben sich in den letzten sechzehn Jahren ge„ndert,
aber ich wrde eine solche Haltung, wie Sie sie als mein damals vorgesetzter
General mir gegenber heute einnehmen, nie gegenber einem meiner mir damals
unterstellt gewesenen M„nner, Unteroffiziere oder Offiziere einnehmen, auáer er
wrde sich so an die Unwahrheit klammern wie Sie. Dieses Herr General, waren
die Worte, die ich Ihnen sagen wollte. (164)
-,-
Und wie liefen die Dinge weiter:
/1 « Zeilen gestrichen, unleserlich/ ,Ich bitte Sie, den Ungarn bei Durchfhrung
aller Maánahmen, die sie in den Augen unserer Feinde kompromittieren, nicht
hinderlich in die Arme zu fallen, sondern sie vielmehr hierbei in jeder Weise zu
untersttzen, insbesondere liegt es sehr in unserem Interesse, wenn die Ungarn
jetzt auf das allersch„rfste gegen die Juden vorgehen.” Dies drahtet Ribbentrop fr
den Gesandten pers”nlich, als Geheimvermerk fr geheime Reichssachen am 20.
Oktober. (165)
/Sollte hier Winkelmann und Veesenmayer aus diesem Grund einen planvollen
Vorschlag zwecks Anlegung von Lebensmitteldepots, N„chtigungslager, usf.
nicht zur Ausfhrung gelangen haben lassen, in dem sie sich nunmehr selbst in die
Detailverhandlungen mit Minister Kowacs einlieáen? Personal! Gestrichen/
/517/AE 159
Am 31. Oktober legte der Leiter der Gruppe Inland des Ausw„rtigen Amtes
Leg.Rat Wagner, dem Reichsauáenminister einen Lagebericht ber die Judenfrage
in Ungarn vor. In Ungarn habe es etwa 900.000 Juden gegeben. Davon seien bis
zum 10. Juli 437.402 in die Ostgebiete abtransportiert worden. Nach Einsetzen der
Regierung Szalasi sollen nun zun„chst 25.000 Juden zum Arbeitseinsatz in das
Reich gelangen und wegen weiterer 25.000, beabsichtigte Gesandter
Veesenmayer demn„chst zu verhandeln. (166)
Der zust„ndige Staatssekret„r im Ausw„rtigen Amt, also Ribbentrops engster und
n„chster Mitarbeiter war jetzt ein Herr von Steengracht. Er wurde vor dem
Internationalen Milit„r-Gerichtshof in Nrnberg vernommen und dort sagte er u.a.
folgendes aus:
,Es gab in Deutschland Stellen, die die Judenaktionen durchfhrten und betrieben.
Diese Organisationen griffen auch in das Ausland ber und schafften von dort
ohne Wissen des Ausw„rtigen Amtes und ohne sein Zutun die Leute aus dem
Ausland weg.”
/2 « Zeilen gestrichen, unleserlich/ Man k”nnte der Meinung sein, der Schreiber,
w„re einem Irrtum anheimgefallen. Nein, nein,
/518/AE 160
ich irrte mich nicht. Es stimmt so, wie ich es schrieb und es ist jederzeit in den
Quellen nachzuschlagen.
Ich hatte einmal vor vielen, vielen Jahren einen Lateinprofessor, der sich auch mit
mir abmhte. Viel habe ich mir nicht behalten. Aber sicher hatte er Ursache, mir
mehr als nur einmal folgendes ,geflgeltes Wort” entgegenzuschleudern:
,Sitacuisses philosophus manisisses.”
Aber auch dieses hatte ich mir trotz oftmaliger professoraler Anwendung nicht bis
heute gemerkt, w„re dem lateinischen Zitat nicht jedesmal prompt die sehr
handgreifliche freie šbersetzung gefolgt:
,H„ttest Du das Maul gehalten, w„rest Du eine Weiser geblieben.”
Ein Mehr kann ich zu diesem Steengracht`schen M„rchen nicht sagen. (167)
Veesenmayer unterrichtet das Ausw„rtige Amt, daá gem„á einer Meldung von
mir an ihn, bis zum Berichtstag rund 27.000 marsch- und arbeitsf„hige Juden, in
das Reichsgebeit in Marsch gesetzt worden sind. (168)
In Budapest hatte sich inzwischen folgendes zugetragen: nachdem Veesenmayer
die Fuámarschgenehmigung bei dem
/519/AE 161
ungarischen Staatschef erwirkte und Winkelmann die Einzelheiten mit dem
Minister Karacs beprochen hatten, wurde festgestellt, daá dieser Fuámarsch in
Ungarn ausschlieálich durch Pfeilkreuzler, untersttzt von Einheiten der
Exekutive, durchzufhren sei. Deutsche Untersttzung, deutsche Bewachung und
deutsche Transportbegleitung wurde auf ungarischem Gebiet, durch die
ungarischen Beh”rden abgelehnt.
Und in den ersten Tagen scheint man sich im groáen und ganzen auch an die
Veesenmayer – Winkelmannschen Forderungen gehalten zu haben, mit der
Ausnahme, daá nicht nur m„nnliche Marschierer, sondern auch Frauen eingereiht
wurden; dann aber wurde offenbar in Marsch gesetzt, was an Juden gerade
angetroffen werden konnte.
Da ich, der Schreiber, gerade in diesem Punkte nach 1945 – wie man sehen wird
sehr zu unrecht – heftigst angegriffen wurde, will ich keine eigenen Worte
gebrauchen, um die Situation zu schildern, sondern mich hier auf ein Dokument
berufen und dieses sprechen lassen. Ein Dokument, welches ber jeden Zweifel
erhaben sein muá, weiá man, welcher Art es ist.
Es handelt sich um ein Protokoll einer Sitzung in der Schwedischen Gesandtschaft
zu Budapest am 22. Nov. 1944 um 6 Uhr abends.
/520/AE 162
Die Teilnehmer waren: Legationssekret„r Raoul Wallenberg, Bevollm„chtigter
der schwedischen Gesandtschaft;
N. Krausz, Bevollm„chtigter der Schweizerischen Gesandtschaft;
Dr. K”rner, Bevollm„chtigter der Portugiesischen Gesandtschaft und
Polizeihauptmann Dr. Batiztalvy.
Der Polizeihauptmann, welcher um Diskretion ersuchte, gibt an, daá die an der
ungarisch-”sterreichischen Grenze ankommenden Juden, dort dem
Bevollm„chtigten der Deutschen, bergeben werden. Er gibt weiter an, daá
10.000 Juden auf den Landstraáen verschwunden sind. Geflohen, gestorben, oder
erschoáen. Nichts oder zu wenig ist vorbereitet worden.
Es folgte dann ein Bericht der Abgesandten der Schweizer Gesandtschaft, Dr.
Leopold Breszlauer und Ladislaus Kluger, ber ihre Erfahrungen, welche sie
w„hrend ihrer amtlichen Reise von Budapest, bis zur ”sterreichischen Grenze,
zwischen dem 23. Und 27. November 1944, gesammelt hatten.
Dem Berict zu folge, sind von den bis zum 22. Nov. deportierten 25.000 Juden,
10.000 an die Deutschen bergeben worden; 6-7.000 sollen in den n„chsten Tagen
bergeben werden und weitere 6-7.000 wurden von den
/521/AE 163
Pfeilkreuzlern unterwegs teilweise niedergeschoáen, teilweise sind sie den
Strapazen erlegen, teilweise krank.
Der ungarische Gendamerieoberstleutnant Ferencsy hat dem Protokoll dieser
Sitzung zufolge, das Kommando ber den gesamten Fuámarsch.
Die Juden wurden in Budapest von den Straáen und aus den H„usern, durch die
Polizei, haups„chlich aber durch die Mitglieder der Pfeilkreuzler-Partei
ausgehoben.
Die Bewachung oblag prinzipiell der Polizei, tats„chlich aber sei die ”ffentliche
Macht durch die Mitglieder der Pfeilkreuzler-Partei ausgebt worden.
Die Deportierten wurden sodann ohne Rcksicht auf Alter und Geschlecht in
groáen Gruppen, zu Fuá nach den verschiedensten Richtungen, zumeist aber zur
ungar.-”sterreichishcne Grenze getrieben.
W„hrend des Marsches begleiteten ungarische Gendarmerie die marschierenden
Gruppen, unter Kontrolle der Mitglieder der Pfeilkreuzler-Partei.
Die Kommission konnte feststellen, daá die Deutschen an der Grenze die
šbernahme arbeitsunf„higer, alter oder kranker Personen, wie auch die von
schwangeren Frauen, verweigerte.
Im allgemeinen, so f„hrt der Bericht fort – haben wir feststellen k”nnen, daá
diejenigen Juden, die innerhalb des Landes unmittelbar unter deutschem
Kommando arbeiten
/522/AE 164
ordentlich verk”stigt und anst„ndig behandelt werden; diejenigen Juden hingegen,
die unter Aufsicht der Mitglieder der Pfeilkreuzler-Partei zu arbeiten haben, in
grausamster Weise behandelt und sehr schlecht verk”stigt werden.
Von einer Gruppe von 4000 jdischen Arbeitsdienstlern, seien etwa 2.000
erschoáen worden, die restlichen 2.000 seien zu Fuá an die ungarisch-
”sterreichische Grenze, in schlechter physischer Kondition, sozusagen halbnackt
ohne Verk”stigung, aber viel Schl„ge, angekommen. Diese Gruppe sei von den
Deutschen in Deutschland zuerst desinfiziert, saodann eingekleidet und in Arbeit
gestellt worden.
Die šbergabe und šbernahme der Juden und in Hegyeshalem (ungar.-”sterr.
Grenze) von Gendarmen verrichtet, denen ungarische Honved behilflich ist.
Der Bericht enet mit der Feststellung der Kommission, daá der Zweck der
gegenw„rtigen ungarischen Regierung zweilfellos dersei, das ungarische
Judentum vollst„ndig zu vernichten und laut einer Erkl„rung Szalasi vor dem
p„pstlichen Nuntius, werden sie nicht um Gnade bitten, aber sie geben auch keine
Gnade.
Ein abgesandter des Internationalen Roten Kreuzes vervollsta„ndigte das Bild der
Kommission.
Dr. Leopold Breszlauer und seine Kommisssionskollegen geben in ihrem Bericht
eine ganze Anzahl von Namen
/523/AE 165
jener Personen an, welche fr die Angelegenheit verantwortlich waren.
Dr. Leopold Berszlauer trat auch als Zeuge der Anklage, in den Prozeá gegen
mich, in Israel, auf.
Mit keinem Wort erw„hnte der Zeuge meinen Namen im Zusammehang mit
diesem Fuámarsch.
Und Dr. Breszlauer h„tte es ganz sicher getan, er h„tte es tun máen, h„tte ich
meine Finger in der Sache gehabt. (169)
Gem„á einer eideststattlichen Erkl„rung, blieb es, dem SS-General Jttner, am 3.
Mai 1948, in Nrnberg, vorbehalten, hier ein M„rchen aufzutischen:
,Als wir ankamen (Jttner und Becker, der Sonderbevollm„chtigte Himmlers,
befanden sich auf einer Fahrt nach Budapest) fuhren wir also gleich zum H”heren
SS- u. Polizeifhrer. Winkelmann sagte mir damals, er w„re in dieser
Angelegenheit v”llig machtlos. Und er sagte mir, er w„re mir sehr dankbar, wenn
ich gegen das, was ich gesehen habe, Einspruch erhaben wrde. Ich verlangte nun,
daá der fr die Ausfhrung des Transportes verantwortliche Mann zu mir geholt
wird. Mir wurde gesagt, das ist der Obersturmbannfhrer Eichmann. Ich forderte,
daá er zu mir
/524/AE 166
geholt wrde und zwar wollte ich ihn in Gegenwart des H”heren SS- u.
Polizeifhrers und Becker`s sprechen. Eichmann war nicht da. Es kam ein
Vertreter, soviel ich weiá ein Hauptsturmfhrer, den Namen weiá ich nicht mehr.”
Er habe ihn nun in scharfen Worten zurechtgewiesen und soforttige Abstellung
verlangt.
,Mir wurde in einer etwas schnoddrigen Weise von diesem Hauptsturmfhrer
entgegnet, er befolge auch nur Befehle und ich h„tte ihm gar nicht zu befehlen.”
Jttner wollte sich sofort mit Himmler in`s Benehmen setzen, was er angeblich
dann auch getan haben will.
Hierzu wird der damalige SS- u. Polizeifhrer General Winkelmann im Jahre
1961 in Deutschland, als Zeuge vernommen. Er best„tigt die Aussage Jttners,
soweit sie sich auf die Schilderung des Fuámarsches bezieht. Er erinnert sich aber
nicht, ob der Name Eichmann dabei gefallen ist.
Dem damaligen Aufsichtsratmitglied des durch Becker ,vereinnahmten”
Manfred-Weiss-Konzernes, General der Waffen SS – Jttner, habe ich nur eines
zu sagen:
Herr General, Sie scheinen mir nach bestem Wissen, der einzige General in der
preuáisch-deutschen Milit„rgeschichte
/525/AE 167
zu sein, der sich von einem Hauptmann in schnoddriger Weise erkl„ren l„át, ,Sie
haben mir gar nichts zu befehlen.”
Aber gestatten Sie, daá ich nicht glaube, daá Sie dieser einzige General sind.
H„tte Ihnen dies um jene Zeit einer meiner Hauptleute wirklich gesagt, dann
h„tten Sie ihn sofort eingesperrt und einsperren máen. Auáerdem h„tte der
General Winkelmann, der ja Ihrem Bericht zufolge zugegen war, als der fr
diesen Hauptmann zust„ndige Gerichtsherr, denselben sofort der SS- und
Polizeigerichtsbarkeit bergeben, weil er ihn h„tte bergeben máen.
Auf den anderen Unsinn, den Sie in Ihrer eidesstattlichen Erkl„rung zum Besten
geben, kann ich – da ich in einem israelischen Gef„ngnis sitze – nichts anderes
angeben, als Ihnen empfehlen, studieren Sie den Bericht, besser gesagt, das
Protokoll der schwedischen, schweizerischen, portugisischen und spanischen
Gesandtschaften vom 22.Nov. 1944, ber den Fuámarsch, ferner die
Berichterstattung des deutschen Gesandten und Reichsbevollm„chtigten SS-
Gruppenfhrer der Veesenmayer an das Ausw„rtige Amt und fragen Sie sich bei
Herrn General Winkelmann an, wie das damals mit seinen
/526, 527/AE 168
Verhandlungen bezglich der Einzelheiten des Marsches mit dem ungarischen
Minister Karacs war.
Mehr wnsche ich mit Ihnen nicht zu tun zu haben, als das ich Ihnen nur noch
dieses sage: Sch„men Sie sich Herr General; (170) Sie werden schon wissen
worber. –
– , –
H„tte der letzte ungarische Innenminister Vajna Gabor das
Gesandtschaftsprotokoll der Vertretung der neutralen M„chte in Budapest
gekannt, dazu die Veesenmayersche Berichterstattung nach Berlin, dann h„tte er
sicher in seiner Erkl„rung vom 28. August 1945, vor einer alliierten Stelle nicht
geschrieben: ,In Budapest wollte Eichmann auch die Frauen, Kindern und alte
M„nner deportieren, wogegen ich mich wiederholt einsetzte. Zum Schluá hat er
erkl„rt: dann bernehmen die Deutschen die Abtransportierung der Juden.” (171)
Die Geschichte hat diese Herren inzwischen zu jenen gestempelt, zu denen man
vulg„rerweise zu sagen pflegt: Lgner.
In Weiterfhrung der Judenevakuierung aus Budapest ist grunds„tzliche
Žnderung eingetreten. So telegraphiert der deutsche Gesandte aus Budapest nach
Berlin. Szalisi hat angeordnet, daá der Abtransport nicht mehr im Fuátreck,
sondern durch Transportmittel stattzufinden habe. Was praktisch, infolge Fehlens
solcher, Einstellung des Abtransportes gleichk„me.
Und noch am 23. Nov. 1944 unterrichtete Veesenmayer den Reichsauáenminister,
daá er heute Szalasi weisungsgem„á ;itteilung gemacht habe und dieser gewillt
ist, trotz der technischen Schwierigkeiten, die Evakuierung der Budapester Juden
/Unterschriftkrzel/
/528/AE 169
energisch voranzutreiben. Und er wrde dafr sorgen, daá durch laufende
Ausk„mmung, dem Wunsche des Herrn Reichsauáenministers weitgehen
Rechnung getragen wrde. (172)
Der ehemalige Legationsrat Dr.Grell, zeitweilig der deutschen Gesandtschaft in
Budapest zugeteilt, hatte als einziger den Mut, anl„álich seiner Zeugenvernahme
im Jahre 1961, in Deutschland, freiweg von der Leber zu erkl„ren, jawohl, in
Nrnberg wurde auf diejenigen, welche tot oder nicht gefangen waren, abgew„lzt.
–
Dies war einmal in jenen Zeiten, infolge Mangel an Dokumenten m”glich, und
zum anderen, warum sollte solches ein untergeordneter Befehlsempf„nger auch
nicht tun, wenn es seinem Plane entspricht.
Bei einem kommandierenden General jedoch, bei einem Staatssekrat„r, bei
Reichsbevollm„chtigten und dererlei hochgestellten Pers”nlichkeiten mehr,
welche ja damals, in der Zeit des Geschehens befahlen, iniziierten und planten, ist
eine solche Haltung meines Erachtens nur als schamlos zu bezeichnen.
Heute stehen, dank der Forschert„tigkeit der letzten anderthalb Jahrzehnte bereits
solch eine gewaltige Flle an einwandfreien Dokumenten zur Verfgung, daá ein
,Abw„lzen” in keinem Falle mehr
/529, 530/AE 170
m”glich ist. Sie bilden das Fundament fr knftige Geschichtsforscher, und diese
werden eines Tages, jenseits aller Leidenschaften und Subjektivit„tsverhaftungen,
jenseits aller politischen und propagandistischen Interessenbrcksichtigungen, ein
objektives Bild des Geschehens geben.
Ich darf von mir sagen, daá ich der Meinung bin, mich als Angeklagter, w„hrend
des Prozesses gegen mich in Israel, bemht zu haben eine halbwegs objektive
Einstellung zu den Dingen zu zeigen, wenngleich es fr einen Angeklagten sehr
schwer ist, das Wort objektiv berhaupt nur in den Mund zu nehmen.
Dort wo ich micht selbst belasten muáte, weil ich nun einmal die entsprechenden
Befehle bezog, tat ich dies, ohne zu wanken oder zu zaudern. Aber dort, wo
Unwahrheit, Feigheit ehemaliger Vorgesetzter, oder irgendwelche Interessen
mancher Publizisten w„hrend der lezten 1 « Jahrzehnte, ihren geistigen Unrat auf
mich abluden habe ich dagegen Stellung genommen und solches auch zum
Ausdruck gebracht. Meine besten Verteidiger hierbei waren die Dokumente,
soferne ich sie als einwandfrei und echt befand; und dies waren, von einigen
Ausnahmen abgesehen, die sich in den Nachkriegsjahren auf dunkle Art und
Weise zwischen den echten Papieren gemengt haben m”gen, die weitaus
berwiegende Mehrzahl, kurz: fast alle.
Bei der Darstellung der Linienfhrung in der T„tigkeit der Judenverfolgung, habe
ich mich hauptsachlich auf Kerndokumente gesttzt. Der Schwerpunkt
/531, 532/AE 171
Der Verantwortlichen hat sich dabei ganz von selbst herauskristallisiert und durch
meine Bezugnahme auf das jeweilige Dokument habe ich die M”glichkeit
gegeben, ohne Mhe, meine Zeilen einer Nachprfung in sachlicher Hinsicht
unterziehen zu k”nnen.
Zw”lf L„nder habe ich in diesem Block behandelt; daá, was mir damals, das von
uns besetzte oder beeinfluáte Ausland nannten. Und der Leser hat gesehen, daá
der ehemalige Reichauáenminister Joachim von Ribbentrop und seine Gehilfen
eifernd bestrebt waren, ihre Zust„ndigkeiten zu verteidigen. Sie lieáen keinen
unkontrollierten Einbruch des Reichsfhrers SS und Chef der Deutschen Polizei,
in der Linienfhrung der Behandlung des Problems, in ihren Dokumenten zu.
– , –
Ich habe den Totentanz der G”tzen gezeigt. Jener G”tzen, denen auch ich diente.
Von ganz geringen Ausnahmen abgesehen, tanzten sie ina allen L„ndern Europas;
/Zeile gestrichen/ Es sei ferne von mir, diese hektische Katastrophenpolitik auch
nun mit einem Strich zu verteidigen; denn hier gibt es kein Verteidigen mehr, hier
gibt es nur ein Eingestehen. Obzwar es auch hier die Wiirkung der Ursache war.
Nationalistischer Superegoismus der Siegerm„chte nach dem ersten Weltkrieg.
Jener Egoismus, der zu Versailes fhrte, jener Egoismus, den Wirtschaftsneid und
Konkurrenzfurcht, gebar. Der da weder seinsehen wollte noch konnte, daá runde
ziehen sie Millionen Deutsche auch haben wollen. Ohne diesen Tatsachen w„re
der Nationalsozialismus nie geboren wor Ja, der Nationalsozielaismus, jenes in
Wahrheit gr”áte Unheil der V”lker.
–
Ich ? von Jugend auf einen mir innewohnenden Drang zur Freiheit des Geistes,
zur Freiheit der Pers”nlichkeit, den ich erziehungsbedingt mit mir herumtrug.
/533/AE 172
Das Wort, ,wo es St„rkere gibt nimmer auf der Seite der Schw„cheren”, wurde
mir von meinem Vater oft und oft gepredigt. Durch eben dieselbe Erziehung, hatte
ich mich an eine einfgung in eine „uáere Ordnung ebenso frhzeitig zu
gew”hnen gehabt.
Diese anerzogenen Werte waren es, welche mich sp„ter mit Macht und Zwang an
die Seite derer trieb, die da, als Minorit„t noch, und verspottet und verlacht, ihrem
Freiheitsdrang im Kampfe gegen das Schanddiktat von Versailles breiten Raum
gaben und dagegen in Wort und Schrift zu Felde zogen.
Und auf diesem Wege ward ich, ohne es bewuát recht eigentlich gewahr zu
werden, einer Wiilensbeherrschenden ? unterworfen, an die ich dann letztlich
durch das bindende Mittel des Eides gebunden wurde.
Und ich wurde zum Diener der G„tzen, behangen mit dem Lametta und
Schulterstcken und den Orden und Ehrenzeichen fr die man mich wrdig hielt.
Es klingt wie ein Witz, / 1 « Zeilen gestrichen, unleserlich/ daá just jene, die
mich dergestalt zur Damaligen Zeit mit diesen Dingen behangen und ie mit
meinen Weg aus dem Zentralen Dients an diese G”tzen verbauten und
verwehrten, selbst in ihrren Zeugenaussagen vom Jahre 1961 noch, in ihrer Furcht
und Sorge
/534, 535/AE 173
keinen anderen Weg glaubten gehen zu k”nnen, als den der Verh”nung meiner
Person, ihres ehemaligen Untergeordneten – und als den der Unwahrheit, in der
t”rriesten Meinung, man wrde ihnen glauben; in der eitlen Hoffnung, soe
k”nnten ihren K”rper und dazu ihre Seele, retten. (173)
Und wieder muá ich mich t”rricht schelten, ob meiner bergroáen Dummheit, und
Unzul„nglichkeit, daá ich mich einstens von der fixen Idee umfangen lassen
gehalten hatte, diesen G”tzen mit samt ihren Unterg”tzen, in Pflicht und Treue zu
dienen. Und gl„ubig ihre Reden von Gehorsam und vom ,Dienen am Reich”, in
mir aufnahm.
/4 « Zeilen gestrichen, unleserlich/
Es lebt wohl keiner mehr, dessen eigene Augen das potenzierte Grauen, das
infernalische, apokalyptische Gewitter in jener Umfassenheit sah, wie solches zu
sehen, mir bestimmt ward.
Niemand kann es mir daher verbieten, den Finger der Warnung zu recken.
Denn der G„tzen Zungen sind geschmeidig und ihre Worte verlockend.
/Und indem ich meine S”hne warne, vor solchen und „hnlichen
,Goldverschnrten” Gehorsamspredigern mit ihren salbadernden Phrasen von
Nationalismus, von Heiligem Krieg, und was dererlei wohlt”srende Worte mehr
sein m”gen, warne ich – auf Grund meiner gemachten Erfahrungen – die gesamte
Jugend, die heute und morgen, vor diesen tanzenden G”tzen.
Es Lebt wohl keiner mehr, dessen eigene Augen das potnezierte Grauen, das
infernalische apokalyptische Gewitter, in jener Umfassenheit sehen, wie mir es
bestimmt ward.
Daher mag es die Jugend mir glauben, daá meine Warnungsworte von erheblichen
Gewichte sind, und aus jener Sorge
/536/AE 174
entspringen, 3 Zeilen unleserlich wieder einmal zu Dienern an „hnlichem
G”tzentotentanze werden.
5 « Zeilen unleserlich – gestrichen/
/536/AE 174
– 14 –
Ich rckte genau am 24. Dezember 1944 um « 4 Uhr nachmittags, gem„á dem
Befehl, den ich erhielt von budapest ab. šber beinhart gefrorene Straáen und
Feldern vorbei an zerschossenen und ? Tieffliegern zerhackten Deutschen und
ungarischen Milit„reinheiten, der ungarisch-”sterreichischen Grenze zu. Nach
dem Neujahrstag meldete ich mich bei meinem Vorgesetzten in Berlin, dem
Generalleutnant der Polizei Mller, zurck. Berlin war um jene Zeit ein
Hexenkesse. Schier Tag und Nacht luden anglo-amerikanische Bomber ihren
Segen auf des H„usermeer ab. Es stank nach Qualm und Moder, nach
verbranntem Fleisch und verwesenden Leichen.
An eine geregelte Beh”rdenarbeit war nicht mehr zu denken. Auch ich richtete
mich mit meinen M„nnern zur Verteidigung ein, denn die gegneischen
Panzerarmeen drckten auf Berlin. Das Ruienenfeld
/537/AE 175
rings um meine Dienststelle bot fr Panzerfallen und Schtzennester, gutes
Geb„ude. Ich wurde in den Verteidigungssektro ,Wehrkanal” eingebaut. Die
Waffenbest„nde wurden aufgefllt, Munition eingelagert und Eiserne-Ration
deponiert. Ein Befehl jagte den anderen; eine Parole die andere. In dieser Zeit
teilte mit Mller mit, daá ich mich bei Himmler zu melden h„tte. Ich fuhr in seine
Feldkommandostele; ein kleines Schloá, welches Friedrich der Groáe einstens
seinem Reitergeneral von Ziethen schenkte.
Hier sagte er mir, daá wir zwar ,Haare lassen m„áten”, aber im groáen und
ganzen einen besseren Frieden als den ,Hubertusburger” bek„men. Himmler hatte
sich in jenen Zeiten ganz und gar in die Sorgen- und Vorstellungswelt des ,Alten
Fritzen” geflchtet. Und hatte jenen der Tod der Zarin vor der Vernichtung
gerettet, so hoffte wohl Himmler auf eine „hnliche Schicksalsfgung, den
gegebenen Zeitumst„nden entsprechend. šber siene Mittelm„nner hatte er seine
F„hler bezglich allf„lliger Kriegsbeendigungsm”glichkeiten ausgestreckt.
Und seine Konzeptionslosigkeit gipfelt in der Tatsache, daá er mir befahl, 100 bis
200 prominente Juden aus Theresienstadt nach Tirol, welches in der geplanten
,Alpenfestung” mit eingeschlossen war, zu verlegen; er wollte sie dort als Geiseln
halten, und ben”tigte diese mit –
/538/AE 176
als ,Sicherheitsko‰ffizienten” im Hinblick auf seine geplanten Verhandlungen mit
Eisenhower.
Wenn ich dies so recht bedenke, dann muá ich mich heute fragen, ob er mir dieses
wirklich befahl, oder ob ich es mir nur einbilde. So kindisch und bar jedweder
Realit„t, inhaltslos, planlos, ja dumm scheint es mir, daá der Chef der Deutschen
Polizei, der Oberbefehlshaber der SS, mir solches befohlen haben k”nnte; ,mich
als Sicherheitsgarant fr seine Verhandlungen mit Eisenhover”.
Freilich, nur Schellenberg, der damalige Nachrichtenchef des
Reichssicherheitshauptamtes, mag alle seine diesbezglichen ,Trmpfe” gekannt
haben.
Aber ich muá den Befehl ganz zweifelsfrei erhalten haben, denn ich fuhr im
anschluá daran ja ber Prag – Linz – nach Innsbruck.
In Linz erz„hlte ich meinem Vater vom ,Hubertusfrieden”; mir glaubte er, daá
Himmler es mir gesagt hatte; aber Himmler glaubte er keinen Buchstaben das
langen Wortes.
In Bixlegg erlebte ich einen ziemlich knalligen Bombenangriff. Es war der 17.
April 1945, denn just in dem Augenblick, als ich im Orte war, rauschte der
Bombensegen der ersten Angriffswelle herunter. Der Angriff galt dem dortigen
Schwerwasserwerk, wie man
/539, 540/AE 177
mir sp„ter erz„hlte. Der Ort wurde so ziemlich ,zur Sau gemacht”. Ich hatte mich
an einen Toreingang zu einem Garten gelegt mir die Nase in die Erde gesteckt, da
die herumzischenden Bombensplitter zu solch einer Praxis zwangen.
Nachdem einige Wellen ihre Last abgeworfen hatten, wurde es mir zu dumm und
da mein Wagen, wie durch ein Wunder noch fahrbereit war, haute ich ab.
/Nachdem einige Wellen ihre Last abgeladen hatten, wurde es mir zu dumm und
da mein Wagen wie durch ein Wunder nach fahrbereit war, haute ich ab; denn ich
hatte mich inzwischen an einen Toreingang zu einem Garten gelegt, die Nase in
die Erde gesteckt, da die herumzischenden Bombensplitter zu einer solchen Praxis
zwangen. Durchgestrichen/
Als ich auf meiner Rckfahrt wieder durch Linz kam, hatte auch diese Stadt
inzwischen einen Angriff abbekommen. Und in Prag sagte mir der Staatssekret„r
K. H. Frank – einen anderen Polizeibefehlshaber traf ich nicht mehr an, sie hatten
ihre Dienststelle verlassen und offenbar andere Stellungen bezogen, daá ich nach
Berlin nicht mehr durch k”nne, der Ruáe sei ,durchgestoáen”.
Ich erfuhr, daá Kaltenbrunner in Altausse war und bekam Befehl, mich bei ihm zu
melden. Der Himmler-Befehl kam nicht mehr zur Ausfhrung
Im Aussseer-Land angekommen sollte ich im Gebirg in Partisanenkampf machen.
Waffen und Munition waren ja in gengender Menge vorhanden. Aber
Kaltenbrunner gab mir nach wenigen Tagen Befehl, auf Engl„nder und
Amerikaner nicht zu schieáen. Einen groáen Teil der
/541/AE 178
M„nner, welche man mir an den Hals hing, hatte ich schon vorher entlassen, da
sie fr das Gebirge untauglich waren. Nachdem aber ringsum nur Nordamerikaner
waren, konnte ich gem„á dem erhaltenen Befehl, den ich quittieren muáte, nichts
anderes machen, als das Partisanenkommando aufzul”sen. Ich begab mich mit
meinem Adjudanten auf die Reise; wir wollten das Hannover`sche erreichen, aber
da hatte ich Pech. Ich fiel in amerikanische Gefangenschaft, aus der ich mich dann
erst Anfang Januar 1946 selbst entlieá; das heiát mit Genehmigung meiner
gefangenen Offizierskameraden, trmte ich. Es war ein SS-Gefangenlager, in dem
etwa 300 Angeh”rige aus vielen Divisionen stammend, gefangen gehalten
wurden. Als SS-Leutnant ,Eckermann” wurde ich dort verh”rt und karteim„áig
erfasst.
Ich war so dann als Waldarbeiter in der Forstverwaltung Miele im Kreis Celle bei
Hannover t„tig, als selbst„ndiger Holzh„ndler und zuletzt als Hhnerzchter. Hier
nannte ich mich Otto Henninger, aus Breslau gebrtig.
In den Maitagen des Jahres 1950 trat ich abermals die Reise an und gedachte ber
Sdamerika nach Ostasien zu fahren. Nach mancherlei Schwierigkeiten – ich
beschrieb meine Nachkriegserlebnisse an anderer Stelle detaillierter – gelangte ich
nach
/452, 453/AE 179
Argentinien. Da verblieb ich denn auch. Nach zweij„hrigen Dortsein lieá ich
meine Familie, welche ich Altaussee lebte, nachkommen.
Zehn Jahre war ich in diesem sch”nen Land. W„hrend der meisten Zeit als
technischer Angestellter, zuletzt bei der ,Merzedes-Benz-Argentina” t„tig.
Zwischendurch fhrte ich die einem entfernten Verwandten meiner Frau,
geh”rende Granja, ein landwirtschaftlicher Betrieb, als Administrator. Im Norden
Argentiniens, in der Einsamkeit des urweltlichen Aconquija-Massivs, einem
gewaltigen Gebirgsblock, dessen mehrere Spitzen bis auf fnftausendfnfhundert
Meter ragen, ging ich meiner Arbeit nach. Ich hatte dort hydrologische Studien zu
betreiben und bis auf fnftausendzweihundert Meter H”he hatte ich wiederholt
dienstlich zu tun. In eintausendsechshundert Meter, in Rio Potreso, an der Grenze
von Tueum„n und Catamarca, lebte meine Familie.
Je h”her wir steigen, umso weiter wird unser sonst so begrenzter Blick. Und in
dem Schweigen der Pampa, konnte ich dann das mit meinem inneren Blick
Geschaute, verarbeiten.
Am 11. Mai 1960 fuhr ich wie t„glich von Hause fort, zu meiner Tagesarbeit.
Zurck kam ich freilich nicht mehr, denn ein israelisches Kommando hatte mich
bei meiner Rckkehr von meiner Arbeitsstelle gestellt, Widerstandsunf„hig
gemachte und auf eine Quinta, welche an der Nordstrecke lag, gebracht. Von dort
aus wurde ich, ohne daá ich Widerstand leisten konnte, mit einer Viermotorigen
Maschine von Argentinien herausgeflogen und nach Israel gebracht.
/7 « Zeilen gestrichen, unleserlich/
Natrlich war es fr mich nicht gerade
/544/AE 180
angenehm; so etwas ist fr den Betroffenen nie ein Honiglecken, dies ist klar, aber
ich wurde korrekt und anst”ndig behandelt. Ich hatte mir auf alle F„lle das
Gegenteilige vorgestellt.
Am 11. April 1961 fing der Prozess gegen mich an.
Es ist Mitte August und die Pl„doyers der Anklage und Verteidigung gehen dem
Ende entgegen.
Die Anklageschrift gegen mich beinhaltet 15 Anklagepunkte.
In vier Punkten bin ich des Verbrechens gegen das jdische Volk, eine Straftat
gem„á Abschnitt 1(a) (1) des Nazi und Nazihelfer (Bestrafungs-)Gesetz 5710-
1950 und Absatz 23 der Criminal Code Ordinance 1936, angeklagt;
In sieben Punkten, des Verbrechens gegen die Menschlichkeit, eine Straftat
gem„á Abschnitt 1(a) (2) des Nazi und Nazihelfer (Bestrafungs-)Gesetz 5710-
1950 und Aabschnitt 23 der Criminal Code Ordinance 1936;
In einem Punkt, des Kriegsverbrechens, eine Straftat gem„á Abschnitt 1(a) (3) des
Nazi und Nazihelfer (Bestrafungs-)Gesetz 5710-1950 und Abschnitt 23 der
Criminal Code Ordinance 1936;
/545/AE 181
sowie in drei Punkten, wegen Mitgliedschaft in einer feindlichen Organisation,
eine Straftat gem„á Abschnitt 3(a) des Nazi und Nazihelfer (Bestrafungs-)Gesetz
5710-1950.
Auf die Frage des Gerichtspr„sidenten, ob ich mich im Sinne der Anklage
schuldig bekenne, habe ich zu allen 15 Punkten erkl„rt: ,nein, im Sinne der
Anklage nicht.”
Und die Frage meines Verteidigers, ob es stimme, daá ich eine Erkl„rung
unterschrieben h„tte, mich freiwillig vor einem israelischen Gericht zu
verantworten, habe ich mit ,ja” beantwortet.
Die n„chste Frage meines Verteidigers, ob ich diese Erkl„rung freiwillig
abgegeben h„tte, beantwortete ich mit ,nein”.
Bis zum 6. Juli dauerte die Verlesung der Anklage und das H”ren der
Anklagezeugen; sowie die Verteidigung.
Vom 7. Bis zum 24. Juli stand ich im Kreuzverh”r des Generalstaatsanwaltes Dr.
Hausner.
Mein Verteidiger Dr. Servatius sagte mir, daá es das l„ngste Kreuzverh”r in der
Geschichte der Juristik gewesen sei.
Und ich ahbe gelegentlich des Kreuzverh”rs meine Befriedigung zum Ausdruck
gebracht, daá es einmal so
/546/AE 182
lange und grndlich war und das mir Gelegenheit zur freien und offenen Rede
gegeben wurde, da dies meine bisher einzige M”glichkeit gewesen sei, vor aller
™ffentlichkeit, dem in langen 1 « Jahrzehnten auf meine Person abgeladenen
Unwahrheiten – durch die Praktiken der Zeugen in den Nachkriegsjahren vor den
alliierten Milit„rgerichten und durch eine gewisse Publiuistik entgegentreten zu
k”nnen.
Daá, wozu sich damals glaubte verpflichtet sein zu másen, gem„á den mir
erteilten Befehlen zu machen, habe ich zugegeben, alle anderen Beschuldigungen
habe ich von mir gewiesen.
Auf die Frage meines Verteidigers bezglich meines Schuldigkeitsgefhls habe
ich im Gerichtshof folgendes gesagt:
/547/AE 183
,Es ist heute eine der schwersten Fragen, die Frage ber das Schuldgefhl; und
ich glaube, daá ich bei der Beantwortung hier wohl einen Unterschied, zwischen
einer rechtlichen Betrachtung und der Beleuchtung von der Seite der
menschlichen Schuld heraus, machen muá.
Erstens:
Bei den mir vorgeworfenen Taten, handelt es sich um die Mitwirkung bei der
Deportation.
Da dieses damals eine politische Anordnung war, bin ich des Glaubens, daá
Schuld im rechtlichen Sinne, hier doch nur derjenige empfinden kann, der die
Verantwortung fr die politische Entscheidung tr„gt; denn:
Wo keine Verantwortung, da ist auch keine Schuld.
Und das Ergebnis meines Nachdenkens ist daher, daá hier die Verantwortung im
Rechtssinne zu prfen sei.
Solange das menschliche Zusammenleben in politischer Hinsicht, noch keiner
globalen L”sung entgegengefhrt ist, solange ist Befehl und Gehorsam die
Grundlage jeder staatlichen Ordnung.
Kein Staatswesen kann im Ernstfall auf Spione und Verr„ter aufgebaut werden.
/548/AE 184
Zur h”heren Sicherheit, bedient sich die Staatsfhrung eines bindenden Mittels.
Des Eides.
Die Verantwortung aber, das Gewissen, muá die Staatsspitze haben.
Und es wurde uns ja dauernd gepredigt, in Wort und in Schrift: ,Vertrauen zur
Fhrung”.
Bei einer guten Staatsfhrung hat der Untergebene, der Befehlsempf„nger, Glck;
Bei einer schlechten Unglck.
– , –
Ich hatte kein Glck.
Denn:
Das damalige Staatsoberhaupt gab den Befehl zur Vernichtung der Juden.
Und:
Meine Mitwirkung an der Deportation ergab sich aus der Tatsache, daá der
damalige ,H”here Gerichtsherr” der SS- u. Polizeigerichtsbarkeit, der ich
unterstand, Himmler,
Die Deportationsbefehle an meinem Gerichtsherren, dem C.d.S.u.d.SD, gab.
Dieser beauftragte mit der Durchfhrung meinen unmittelbaren Vorgesetzten, den
SS-Gruppenf. und Gen.ltnt. der Polizei, Mller.
/549/AE 185
Von ihm erhielt ich sodann die Befehle, soweit ich zufolge des
Gesch„ftsverteilungsplanes meines Referates, dafr zust„ndig war.
Die Strafordnung der SS- u. Pol. Gerichtsbarkeit besagt, daá suf Ungehorsam der
Tod stehe;
Die Verschluásachenanweisungen, die Geheimhaltungsvorschriften staatswichtige
Sachen betreffend, hatten ihre Zuchthaus- u. Todesstrafeprpgraphen.
Ich hatte von mir aus, alle legalen M”glichkeiten ausgesch”pft, um eine andere
Dienstverordnung zu erhalten; ja, meine Versetzung vom SD zum Geheimen
Staatspolizeiamt im Herbst 1939, erfolgte gegen meinen Willen, gem„á
erhaltenem Befehl.
Ich hatte zu gehorchen.
Ich war Uniformtr„ger.
Es war Kriegszeit. –
Ja, selbst als das Jahr 1950 herankam, und ich mich mit dem Gedanken trug, aus
Deutschland nach šbersee zu fahren, habe ich dieses nicht wegen eines
Schuldgefhles im Sinne der Rechtssprechung getan, sondern wegen der
politischen Lage und aus famili„ren Grnden.
/550/AE 186
Meine Stellung ist die gleiche, wie die von Millionen anderen, die zu gehorchen
hatten.
Der Unterschied ist nur der, daá ich einen viel schwereren Auftrag hatte, den ich
befehlsgem„á durchzufhren hatte.
– , –
Alle Beteiligten, die behaupten, man h„tte sich mhelos, bzw. ohne groáe Gefahr,
der Erfllung eines Befehls entziehen k”nnen, geben keine Einzelheiten fr ihren
eignen Fall an.
Man sagt, die M”glichkeit besteht immer, sich zu drcken und eine Krankheit
vorzuschtzen.
Ein General hat hier groáe M”glichkeien. Ein Untergebener hat solche
M”glichkeiten nicht.
Denn: wenn festgestellt wird, daá die Krankheit ein Vorwand ist, wird das seine
Folgen haben.
Auáerdem steht solches Tun, gegen den Fahneneid.
– , –
Himmler sagt beispielsweise in der Posener-Rede auch nur bezglich der SS-
Gener„le, daá sie versetzt werden k”nnen, wenn sie sich nicht f„hig fhlen. Aber:
wenn der Befehl aufrecht erhalten wird, ist er zu befolgen.
/551/AE 187
Ein Mann in einer kleineren Stellung kann sich nicht entziehen;
Besonders nicht, wenn er h”chster Geheimnistr„ger ist.
Er konnte sich selbst erschieáen dies ist wahr.-
– , –
Diejenigen, die davon sprechen, man h„tte sich der Ausfhrung der Befehle
widersetzen k”nnen, erkl„en selbst meist, sie h„tten von Vernichtungen von
Menschen nichts gewuát.
Waren also keine Geheimnistr„ger.
Die SS- u. Pol. Gerichte legten an die unteren Stellen einen sehr scharfen Maástab
an, und wrden bei offener Befehlsverweigerung ein entsprechendes Urteil
erlassen haben máen. –
Zweitens:
Die Schuld im ethischen Sinne, ein Schuldbekenntnis vor seinem inneren ,Ich”,
dies ist eine ganz andere Sache.
Sie liegt in Regionen, welche den Paragraphen einer Rechtsordnung entrckt ist.
/552/AE 188
Hier hat jeder mit sich selbst zu rechten und zu richten.
Ich tat es fr meine Person, und tue es noch.
– . –
Abschlieáend verbleibt mir die Feststellung und das Bekenntnis:
,Ich bedaure und verurteile die von der damaligen deutschen Staatsfhrung
angeordneten Vernichtungst„tigkeit gegen die Juden.”
Ich selbst aber vermochte auch nicht ber meinen eigenen schatten zu springen;
Ich war lediglich ein Werkzeug, in der Hand st„rkerer Kr„fte,
Und eines unerfindlichen Schicksals.”
/Unerschriftkrzel 6-7-61
(zum Ende der Verteidigung) gestrichen/
Diese Erkl„rung gab ich am Ende der Verteidigung ab, ehvor das Kreuzverh”r
seinen Anfang nahm.
/553/AE 189
– 15 –
Und indem ich selbst mit mir zu Gericht sitze, sagen mit viele innere Stimmen
vieles.- H„tte ich meine Gesch„fte niederlegen k”nnen? H„tte ich mich einfach
weigern k”nnen, weiter zu arbeiten?
W„re dieses Meuterei gewesen?
Was heiát aber Meuterei gegen Mord?
Meuterei steht gegen Fahnen und Diensteid!
Was ist staatlich befohlener Mord und was ist der Eid?
Geh”rt das Halten des Eides noch zu dem Bereich ethischer Werte? Zur Einheit
der Ethik?
Geh”rt es wenigstens noch zum Rande der Moral?
Was ist sschon Moral?
Daá Moral ein Teil der ethischen Werte sei, kann ich nicht mehr glauben!
Es sei denn, der Eid w„re eine N”tigung; eine Verpflichtung, gegebenenfalls zum
Hehler des Staates zu werden.
Da scheint also etwas nicht in Ordnung zu sein. Denn die meisten Staaten egal,
welcher Staatsform verformten und verformen in ihrer zu Kriegszeiten an den Tag
gelegten Tyrannis, das logische Denken der Geister.
Sie verlangen von ihren Befehlsempf„ngern im Namen der Heiligkeit des Eides,
die Zuerkennung ethischer Wertungseinstufung fr Heldenmut, Opferbereitschaft,
Gehorsam und Disziplin.
Und auf Grund dieses Verlangens befehlen sie Mord, Tod und Vernichtung.
/554/AE 190
Darberhinaus ermuntert der Staat im Kriege mittels einer bereitgehaltenen Serie
von Auszeichnungen, seine Befehlsempf„nger zur Verbung der vom ihm
befohlenen Verbrechen. Er benebelt die Gehirne seiner Befehlsempf„nger mit
Kreuzzugsphrasen, Befreiungsparolen, Hingabe und Verteidigungsbereitschaft.
Die Mordwerkzeuge werden auf beiden Seiten unter Anrufung st„rkerer Kr„fte
und M„chte gesegnet, denn jede Seite verbt seine Verbrechen fr eine
sogenannte ,gerechte” Sache.
Und solange werden alle ethischen Wertgefhle sophierend seziert, bis sie in jene
Moralstufen eingezw„ngt werden k”nnen, dennen der Staat dann sein Sanktum
verleihen kann.
Durch solche Umwertung vereist die Staatsfhrung nun auch den Geist und den
Willen seiner Befehlsempf„nger, nachdem er dessen Handlungsfreiheit l„ngst
paralysiert hat.
Da scheint also wirklich etwas nicht in Ordnung zu sein.
Was also ist Wahrheit und was ist Recht?
Eugen Kogan schreibt in seinem buch ,Der SS-Staat”: ,Was aber erst die zw”lf
bis vierzehn Millionen Vertriebenen zu erz„hlen wuáten, die in den
osteurop„ischen L„ndern vielfach auf die barbarischste Weise ,ausgesiedelt” und
in plombierten Waggons, in
/555/AE 191
Elendszgen, einzeln, gruppen- und herdenweise nach Deutschland getrieben
wurden! Man mache einer Mutter, die ihre Kinder verloren hat, einem Mann, dem
die Frau gesch„ndet wurde, Halbwchsigen, deren Eltern man prgelte, allen, die
Tod und Grausamkeit nun am eigenen Leibe erlebten klar, daá dies – in einer
proklamierten besseren Welt – eben nichts als die traurigen Folgen vorher
begangenen Massenunrechtes seien, die ohne Unterschied Schuldige und
Unschuldige treffen. Und man verdeutliche einem Volke, es sei weder Heuchelei
noch Feigheit, wenn den Erkl„rungen von Jalta und Potsdam, daá die
,Umsiedlungen” ,ordnungsgem„á” erfolgen sollten, nicht Nachdruck verliehen
wurde. Mehr Millionen haben auch die Nationalsozialisten nicht durch Osteuropa
gezerrt.” (174)
Und wenn ich noch die Worte Hiroshima, Nagasaki und Dresden hinzufge und
die L„nder Korea, Indochina, Žgypten und Algerien erw„hne, dann habe ich dazu
weiter nichts mehr zu sagen; h”chstens noch dieses: auf der Moskauer
Auáenministerkonferenz am 20. Oktober 1943 wurde die Eintschlossenheit
kundgetan, die Kriegsverbrecher zu bestrafen.
Alliierterseits aber wurde kein einziger Befehlsempf„nger wegen der Ausfhrung
erhaltener Befehle vor Gericht gestellt und bestraft. Von den
/556/AE 192
Befehlsempf„ngern, ebenfalls ganz zu schweigen.
Zweierlei Maá!
Zweierlei Recht!
Nationalistischer Egoismus allenthalben; hben und drben. Ende des II. Teiles
Adolf Eichmann /Unterschrift/
6-9-61
/557/AE 1
Quellen zum Teil II.
Frankreich
(1) Dok. 440, (T 385)
(2) Dok. 229, (N 36)
(3) Dok. 955 (T 387)
(4) Dok. 86
(5) Dok. 309 (N 37)
(6) Dok. 445
(7) Dok. 1071
(8) Dok. 441 (N 39)
(9) Poliakov ,Rot” Seite 118 – 121, Dok. V-3, 15, 16.
(10) Dok 1209
/558/AE 2
(11) Dok. 333
(12) Dok. 694 (T 401)
(13) Dok. 54
(14) Dok. 113
(15) Dok. 54
(16) Dok. 485, 486, 1166, 459
(17) Dok. 1211 (T 411)
(18) Dok. 177 (T 402)
(19) Dok. Prozess VI (IG-Farben) NI 500
(20) Dok. Prozess IV, Ahnhift S. 8080
/559/AE 3
(21) Dok. 585 (T 419)
(22) Dok. 58, 59
(23) Dok. 699
(24) Dok. 64 (T 438), 65 (T 439)
(25) Dok 142 (T 451) 1348 (T 1028)
(26) Dok. 1164 (T 467)
(27) Dok. 1260
(28) Dok. Poliakov ,Rot” S. 87, Dok. P5 3688
(29) Dok. 270 (T 456)
(30) Dok. 815 (N 40)
/560/AE 4
(31) Dok. 726 (N 62)
(32) Dok. 819 (N 41)
(33) Dok. 489
(34) Dok. 487
(35) Dok. 121 (T 471)
(36) Dok. 723,
Dok. 724 (T 610)
Dok. 961 (T 611)
Dok. 962 (T 612) ?
(37) Dok. 697 (T 473)
456 (N 63)
727
561/AE 5
(38) Dok. 820
Dok. 821
Dok. 822
Dok. 196
Dok. 826
Dok. 875
(39) Dok. 217
Dok. 218
(40) Dok. 960
(41) Dok. 299
/562/AE 6
Holland
(42) Dok. 582 (T 521)
Dok. 1627 (T 523)
(43) Dok. 1359 (T 529)
(44) Dok. 325
(45) Dok. 594 (N 47)
Dok. 325
(46) Dok. 1496 (T 531)
(47) Dok. 589 (T 543)
(48) Dok. 1356 (T 544)
/563/AE 7
(49) Dok. 725
(50) Dok. 463 (T 556)
(51) Dok. 1439 (T 571)
Dok. 1353 (T 577)
Belgien
(52) Dok. 753 (T 512)
(53) Dok. 759 (T 514)
(54) Dok. 760 (T515)
(55) Dok. 761 (N 49)
/564/AE 8
(56) Dok. 1604 (T 615)
(57) Dok 1073
(58) Dok. 3 (N12)
(59) Dok. 1446 (T 519)
Italien
(60) Dok. 1604 (T 615)
(61) Dok. 1600 (T 616)
(62) Dok. Zeugenaussage Kappler v. 27.6.61 im Milit„rgef„ngnis zu Gaeta (Italien)
šbersetzung aus dem Hebr„ischen; (S.2+3+5)
/565/AE 9
(63) Dok. 299 (liegt bei den Frankreich-Akten)
(64) Dok. 954 (T 618)
(65) Dok. 1274
(66) Dok. 964 (T 623)
Norwegen
(67) Dok. 1622
Dok. 1621
Dok. 491
Dok. 198 (T 604
/566/AE 10
D„nemark
(68) Poliakov ,Rot” S. 102, Dok. NG-S121
(69) Dok. 1074 (T 579)
(70) Dok. 251 (T 585) ?
(71) Dok. 1636
(72) Dok. 757 (T ?)
(73) Dok. 816 (T 584) ? Seite 2
(74) Dok. 1077 (T 587)
Dok. 1078 (T 588)
/567/AE 11
Slowakei
(75) Dok.1527 (T 1073) S. 5 Abs III.
(76) Dok. 1266 (N 65)
(77) Dok. 543
(78) Dok. 1526 (T 1102)
(79) Dok. 1267 (T 1057) ?
(80) Dok. 1268 (T ?
(81) Dok. 837 (T 1078)
Dok. 92 ?
(82) Dok. 1270 (T 1079)
(83) Dok. 1015 (T 1081)
(84) Dok. 836 (T 1087)
(85) Dok. 839 (T 1089)
/568/AE 12
(86) Dok. 626
Dok. 627
Dok. 369 (T 1101)
Dok. 1016 (T 1106)
(87) Dok. 499
Dok. 370
(88) Dok. 514 (N 67) Seite 5
Griechenland
(89) Dok. 998 (T 956)
(90) Dok. 344 (T 958)
(91) Dok. 1000 (T 959)
Dok. 1001 (N 54)
/569/AE 13
(92) Dok. 424 (T 960)
Dok. 426 (N 55)
Dok. 427 (T 966)
Dok. 241 (T 963)
(93) Dok. 425 (T 961)
Dok. 237 (T 962
(94) Dok. 429 (968
(95) Dok. 1343
(96) Dok. 176 (T996)
Jugoslawien
(97) Dok. 33 (T 887)
(98) Dok. 423 (T 898
(99) Dok. 1339
(100) Dok. 1340 (T 888)
(101) Dok. 642 (T 870)
Dok. 645 (T 873)
(102) Dok. 643 (T 871)
644
/570/AE 14
(103) Dok. 647 (T 874)
(104) Dok. 648 (T 875)
(105) Dok. 649
(106) Dok. 650 (T 878)
(107) Dok. 651 (T879)
Dok. 1044 (T 880)
Dok. 1045 (T 881)
Dok. 1162 (T 882)
(108) Dok. 170 (T 883)
(109) Dok. Poliakov, Rot, S. 350/51, 448
(110) Dok. 170 (T 883)
(111) Dok. 652 ( 884)
Dok. 654 (T 886)
(112) Dok. 647 (874)
Dok. 1244, S. 3
(113) Dok. 658 (T 902)
(114) Dok. 87 (T 903)
(115) Dok. 661
Dok. 1074 (T 906)
(116) Dok. 1081 (T 907)
(117) Dok. 656 (T 921)
/571/AE 15
Rum„nien
(118) Dok. 472 (T 1001)
(119) Dok. 92 (?)
(120) Dok. 573
Dok. 1225
Dok. 1227 + Dok. 404
(121) Dok. 840 (T 1002)
(122) Dok. 83 (T 1013)
Dok. 99 (T 1014)
(123) Dok. 181
Dok. 561
Dok. 562 (N 60)
(124) Dok. 477
(125) Dok. 194 (T 1032)
(126) Dok. 178 (T 1029)
Dok. 92
(127) Dok. 987 (T 1042)
Dok. 224 (T 1044)
(128) Dok. 484 (T 1052)
/572/AE 16
Bulgarien
(129) Dok. 92
(130) Dok. 1023 (T 926)
(131) Dok. 1024
(132) Dok. 1026 (T 930)
(133) Dok. 1028 (T 931)
(134) Dok. 1030 (T 934)
(135) Dok. 1033
(136) Dok. 420 (T 944)
/573/AE 17
(137) Zeugenaussage v. Thadden, 1961, S. 10.
(138) Dok. 1021 (T 1145
(139) Dok. 801
(140) Dok. 813 (T 1155)
(141) Zeugenaussage v. d. Bach Zdersky 1961
(142) Dok. 679
(143) Dok. 114 (T 1211)
(144) Dok. 1124 (N 70)
(145) Dok. 675 (N 73)
Dok. 216 (N 72)
Dok. 366 (T 1182)
Dok. 213 (T 1186)
(146) Dok. 681 (N 75)
(147) Dok. 374 (N 76), Dok. 1314 (T 1158)
Dok. 180 Dok. 1315 (T 1159)
Dok. 158 (T 1193)
(148) Dok. 678 (T 1193)
/574/AE 18
(149) Dok. 529
(150) Dok. 630 (T 1199)
Dok. 631 (N 79)
Dok. 632 (T 1200)
(151) Dok. 114
Dok. 870 (T 1226)
(152) Dok. 385 (T 1208)
Dok. 992 (N 80)
Dok. 680
(153) Zeugenaussage Krumey 1961, S. 9, 10, 12, 13.
(154) Dok. 797
Dok. 677
Dok. 848
Dok. 772
(155) Dok. 640
Dok. 162 (N 86)
/575/AE 19
(156) Dok.156 (T 1217)
Dok. 976 (T 1218)
Dok. 154 (T 1219)
Dok. 1441 (T 1222)
(157) Dok. 155 (T 1223)
(158) Dok. 387
(159) Dok. 388 (T 1230)
(160) Dok. 525
(161) Dok. 212
(162) Dok. 871 (N89)
(163) Zeugenaussage Winkelmann 1961, S. 6.
(164) Dok. 376 (N 90)
/576/AE 20
(165) Dok.221 (
(166) Dok. 44, (Seite 3.)
(167) Dok. 973 (T 1247)
(168) Dok. 853 (T 1237)
(169) Dok. 1297 u. Zeugenaussage Winkelmann 1961 und Dok. 411 (Seite 12, Punkt
142)
(170) Dok. 511 (T 1245)
(171) Dok. 377 (T 1242)
378
(172) Zeugenaussage Six (1961)
– , – Winkelmann (1961)
Dok. 1169
Dok. 27 (Vermerk zu meiner Bef”rderung durch Six)
(173) Eugen Kogon: ,Der SS-Staat”. S. 403/404
Europ„ische Verlagsanstalt 1946
Fnfte Auflage
(174) Zu Teil III, Schreiben des Pastor Achenbach an mich.
/577/
G”tzen Teil III.
Inhalt
Teil III 72 Seiten
(Unterteilt in 14 Abschnitte)
Adolf Eichmann
6-9-61
/578/AE 1
III. Teil
,Denn Frieden und Glcksgefhl und die Freude, werden der Inhalt ihres
Ganzheitslebens sein. Denn die Ganzheit kennt nur das Gute.” (Seite 67)
/579/AE 2
Teil III:
In sich ausgeglichene Naturen mit unkompliziertem Einfhlungsverm”gen, sind
in auáergew”hnlichen Zeiten, mit zunehmenden Auáergew”hnlichkeitsgrad,
sicher immer seltener. Es sei denn, ,sie h„tten ihre Jahre bereits erreicht.” Junge
Menschen wiederum befinden sich noch im Stadium der Formung und mangels
vergleichender M”glichkeiten aus der Erfahrung, wird diese Formung durch die
Umwelt vollzogen und von Individuum mehr oder weniger kritiklos akzeptiert.
Mancher der mittleren Jahrg„nge hingegen, sieht sich im Zustande der eigenen
Umkrempelung, der Einordnungsversuche seines inneren ,Ich”, zur
auáergew”hnlichen Umwelt, und er sieht sich den geistigen Einfláen dieser
Umwelt, den handlungsm„áigen Einwirkungen dieser Umwelt, auf sein inneres
,Ich”, mit den verschiedenartigsten Reaktionen, gegenber.
Das sinnlich wahrnehmbare und aufgenommene Tagesgeschehen, ,der
Tagesablauf”, wird von dem, der nicht allzu gleichgltig ,in den Tag hinein lebt”,
zu vergleichenden Vorstellungen in den Stunden der ,Abschaltung”, in den
Stunden der Muáe, weiterverarbeitet. Oft ungewollt und nicht in konzentrierter,
bewuáter Arbeit, aber, wie man zu sagen pflegt, ,man kommt nicht
/580/
Bemerkung fr den Zensor:
Diese schriftstellerische arbeit kann nicht mit der Waage der Rechtsparagraphen
gewogen werden.
Unterschriftkrzel
/581/AE 3
davon los”; ,es l„át einen nicht aus”; ,es geht einem nicht aus dem Sinn”.
Und die eigene Haltung, die eigene Reaktion zum Geschehen des Tages, wird
dabei einer geistigen Selbstbeobachtung unterzogen, wobei mein „uáeres ,Ich”,
mit meinem inneren ,Ich” – man k”nnte es auch Gewissen nennen – eine Art
Zwiegespr„ch h„lt und mein inneres ,Ich”, auf Grund dieser ,Unterhaltung”,
dann seine Position bezieht. Eine Position, die ich fr mich als ,beruhigend” oder
als fr mich ,beunruhigend” registriere. Und je nach diesem, meinem psychischen
Zustand, spre ich dann ein Mitschwingen des physischen Befindens.
Kl„tzt ein Mensch – wie ich zum Beispiel – die innere Ruhe und eine gewisse
innere, beschwingte Ausgeglichenheit, oder, um ein geflgeltes Wort aus meinen
Vorkriegsjahren zu gebrauchen, die ,innere stille Heiterkeit”, ber alles, dann
wird er – und ich spreche aus grndlicher Erfahrung – alles daran setzen, nun die
innere Unordnung, wieder zur Ordnung zu gestalten, zumindest, es zu versuchen.
In welche innere ,Hexenkche” ein Mensch jedoch im praktischen Leben
kommen kann, dessen eigene Handlungs-
/582/AE 4
Freiheit durch h”here Gewalt gebunden ist, gibt dieses Kapitel wieder. Mit einem
Beispiel will ich es im allgemeinen umschreiben:
Ein Blatt Papier; darauf Eisenfeilsp„ne gestreut.
Kreuz und quer liegen diese kleinen Eisenstckchen im wirren Durcheinander.
So sieht es bei mir aus, wenn mit die innere ruhe fehlt, wenn ich vergeblich
bemht bin, Ornung in die Dinge meines Innenlebens zu bringen.
Fahre ich nun aber mit meinem Magnet unter dieses Blatt Papier, dann ordnet sich
im Bereich des magnetischen Kraftfeldes sogleich dieses Durcheinander an
Eisenfeilsp„nchen zu einer – fast m”chte ich sagen milit„rische ausgerichteten –
Ordnung.
Was ntzt mir aber allen Ordnenwollen, wenn meine Erkenntnis nicht in Handeln
umgesetzt werden kann, wenn ich diesen Magneten nicht bedienen darf, ja wenn
ich selbst sogar nur ein solcher Eisenfeilspan bin, der in dieses Kraftfeld
eingeordnet ist. Wenn mich st„rkere Kr„fte daran hindern, gem„á meinem Willen
zu handeln und darber hinaus, gem„á einer staatlichen Befehlsgebung, mein
Handeln teilweise sogar in dem Entgegengesetzten zu
/583/AE 5
meinem inneren Wollen zu stehen hat; zu einem Wollen, daá gem„á der
Wahrnehmung meines Gefhlssinnes, aus den Bereichen der ethischen Werte zu
entspringen habe, will ich als Individuum, innere Ruhe und inneren
Gleichgewichtszustand fr mich, alleine schon aus der mir triebhaft
zukommenden Egoistik heraus, buchen k”nnen.
– , –
/584/AE 6
(1)
Ich bin weder Philosoph, noch Physiker. Aus Lust und Liebe zur Sache
besch„ftigte ich mich nach Art interessierter Laien, zuweilen sowohl mit der
einen, als auch mit der anderen Materie. Es bereitete mit Vergngen und es war
lehrsam zugleich. So wie der Briefmarkensammler von Zeit zu Zeit seine
Sammlung durchst”bert. Gerne kaufte ich mir ab und an ein besonders
empfohlenes Werk, welches sich mit diesen F„chern befaáte, und dann konnte ich
so recht wie ein abseitiger Bchernarr darin schwelgen. Es war fr mich das
gleiche, wie Sonntagvormittaggottesdienst, fr fromme Kirchenbesucher; ein
verlangendes Suchenwollen nach dem absolut Gltigen, nach den wahren Dingen,
nach dem h”heren Sinn des Seins. Wohl wissend, daá ich nur bis zu einer sehr
bescheidenen Grenze werde vordringen k”nnen, aber ein jedes Wenige nur an
neuen Erkenntnissen, befriedigte mich schon zutiefst. Dieses neugierige
Wissenwollen haftet mit viele Jahrzehnte schon an, und vielleicht gehe ich recht
wenn ich sage, solange ich berhaupt zurck denken kann. Freilich in diesen
beiden besonderen F„chern lag das beginnende rege Interesse, erst in sp„teren
Jahren und wurde oft durch l„ngere Pausen unterbrochen; sei es durch die
hastende Schnelllebigkeit des beruflichen Alltags, die jedwede Muáe zur
Sammlung raubte, oder auch gar zeitweilige Unlust, hervorgerufen durch
d”rperliche Mdigkeit und Schlappheit, ketztlich besonders zur Zeit der
argentinischen Sommer.
Schon mein Religionslehrer in der Linz a/Donau, legte den Grund fr meine
zeitweilige besondere
/585/AE 7
>Kantvorliebe<. Der evangelische Pfarrer – gebrtiger Ostpreuáe – war in Sachen
des >K”nigsbergers< geradezu Spezialist und es ist erstaunlich daá es ihm gelang,
in unseren Bubengehirnen ein solch mitgehendes Interesse zu wecken, fr eine
Materie, welche gar oft selbst den Erwachsenen langweilt. Er Jedenfalls brachte es
lebensnahe, mit vielen Beispielen aus dem Tagesleben eine Buben, gewrzt.
Mein Jugendfreund, heute Prior eine Pr„monstratenserklosters in Deutschland,
liebte damals, wenn ich es so recht betrachte, die >Philosophie aus der Technik<.
Aus seinen zahlreichen Brckenbau-Konstruktions-Skizzen, muá er die Žsthetik
und Ethik das Sch”pfungswillens mit erschaut haben; denn immer neue Entwrfe
und Ideen gebar er, und wir freuten uns beide ber die Sch”nheit der Linie. Wir
besuchten in jener Zeit gemeinsam eine h”here technische Schule. Er trat dann
zum geistlichen Stande ber. Ich freute mich sehr, von ihm, zu H„nden meines
Verteidigers, in das Gef„ngnis nach Isra‰l freundliche Gráe geschickt zu
erhalten. Und ich bedanke mich fr sein freundliches Gedenken, und weiá daá ich
eine antwort auf meine Arbeit von ihm bekomme. Sei sie positiv oder negativ,
gleichermaáen sei er dafr bedankent. Ja, mein lieber Frater Bernadus, da magst
Du mal sehen, wie es einem Menschen ergehen kann. Solches h„tten wir uns nicht
ttr„umen lassen, als wir das letztemal in der abtei Hinsdorf beisammen waren und
noch viel weniger frher im Schloáe zu Traun, oder in der >H”heren< in der
Goethestraáe, in Linz.
/586/AE 8
Der Krieg war ausgebrochen. Ich kaufte mir die >Kritik der praktischen
Vernunft<; in Reclam-Ausgabe, denn so konnte ich diese >Kritik< in meinem
Waffenrock bergen. Nicht aber k”nnte ich sagen, ich h„tte Kant selbst in reiferen
Alter zu jeder Zeit g„nzlich verstanden, denn dazu reichte mein Verstehen
zuweilig nicht aus. Ich bemhte mich, daá in mir aufzunehmen, was ich durch ihn
nun auch zu erkennen k”nnen vermeinte, um danach mein Leben zu leben.Mit der
Philosophie erging und ergeht es mir so, wie mit dem Bund, an dem sehr viele
Schláel h„ngen; und immer suchte und suche ich einen passenden, fr
verschlossene Tren, zu finden. Manchesmal passt solch ein Schláel sofort, ein
anderesmal muá ich auch langm„chtig suchen. Zuweilen muá ich mit, und auch
ohne Geschick, selbst noch ein wenig dran feilen.
Man sagt, es sei der Philosophie trotz jahrtausenderlanger Bemhungen noch
nicht gelungen, eine allgemein anerkannte Linie zu finden, die alle
philosophierenden Geister einigen k”nnte. Denn bisher gab es zu jeder Erkenntnis
>wenn< und >aber<. Der eine „uáerte seine Bedenken sanft und voll Kummer,
andere wie Schopenhauer zum Beispiel, zogen zuweilen auch forscher vom Leder.
Solcher Gerede aber vermag offenbar den Pilosoph nicht aus seinem Gleichmut
zu bringen. Denn was bereits allgemein anerkannt wrde, so argumentiert er, habe
mit eigentlicher Philosophie nichts mehr gleich, da es ja dann ein allgemeines
wissenschaftliches Erkennen, bindendes Gltiges, sei. Freilich dachte ich oft,
mein Gott, wie sch”n máte
/587, 588/AE 9
es sein, dem Sucher nach letzten gltigen Dingen, wahres Wissen geben zu
k”nnen. Aber es ist nichts als h”chstens ein Glauben an ein vermeintliches
Erkennen, je nach Vorstellung des einzelnen. Glcklich ist schon derjenige zu
nennen, der sich ein Weltbild zurecht bauen kann, darin aufgeht und seine innere
Befriedigung aus dieser Vorstellung erh„lt und dieses fr sich als vorl„ufig gltig
betrachtet.
Das Suchen nach Wahrheit, daá wird ein Ende nie haben; denn nichts hat ein
wahres Ende im Sein.
Wrde ein Ende es geben im Sein, und wir wáten darum, dann w„ren wir satt
von der Wahrheit und traurig zugleich.
Und ohne dem Hunger nach der Wahrheit, wrde keiner mehr suchen. Und das
menschliche Leben aber, w„re um vieles noch schwerer.
Heute verwirft er, was gestern nach Gltigkeit hatte.
Und heutiges Erkennen, wird morgen vervollkommt.
Dies ist das Werden.
Ein Ende jedoch findet er nie auf die Frage: was ist die Wahrheit der Dinge?
/589/AE 10
(2)
Nicht sehr zahlreich so denke ich, sind die F„lle denen das Schicksal eine solche
Konzentration des Schauerlichen vor Augen gefhrt hat, wie gerade mir. Und es
hat mich bis jetzt obendrein all dieses als Mensch berlesen lassen.
Den Krieg mit seinem Grauenhaften und das Nachkriegsgeschehen; vor allen,
dann auch die Mhen des Existenzkampfes in šbersee, weniger die physischen
Belastungen durch Klima und all des Ungewohnten – dies trifft auf Tausende zu –
als vielmehr die psychische Last, bedingt durch die Anonymit„t der Person; die
Entfhrung aus Argentinien schlieálich, und den darauf folgenden
Monsterprozess gegen mich.
Ich habe mich selbst oft gefragt, wie ich dies alles habe berstehen k”nnen, ohne
selbst Hand an mich zu legen, um endlich alles mit dem gn„dig zudeckenden
Tuch einer freiwilligen und gewollten Daseinbeendigung als Mensch, zu
verhllen.
Aber dadurch, h„tte ich Schuld zugegeben, die ich nicht hatte noch habe. Und in
dem Maáe ich mich in die Philosophie flchtete, wurde meine Neugierde, mein
Wissenwollen, immer grӇer als die mich umfangen haltende augenblickliche
Not; stets gewann ich sodann an Abstand von dem Leide des Alltages, und nichtig
erschienen mir meine pers”nlichen Sorgen. Und ich erkannte, daá es fr mich
kein Ende g„be und ebenso wenig ein Nichts. In fernen, fernen Endlichkeiten wird
die Zeit sich wieder im Raume verlieren; aber ich weiá zugleich, daá fr mich
abermals neue >Zeiten< bereit sind. Und dann erkenne ich, wie die gebundene
Enge des Augenblicks mich verl„át. Das Leid des Tages
/590/AE 11
Flieht, nur ich bleibe umstrahlt vom belebenden Glanze, mich ewig beschtzender
Sonnen.
(3)
Ich war von Kindheit an, in protestantischer Erziehung aufgewachsen. Und als ich
l„ngst schon in der SS, ja fast drei Jahre schon im Sicherheitshauptamt war, hing
ich noch immer in konservativer Verharrung dem Glauben meiner V„ter an.
Erst im Laufe des Jahres 1937, meldete ich aus freiem Willen und aus eigenem
Antrieb, meinen austritt aus der evangelischen Kirchengemeinde, bei irgend einer
Gerichtsstelle in Berlin-Neuk”ln an. Es waren keine politischen šberlegungen;
ich konnte ganz einfach den Inhalt der Bibel nicht mehr als daá gl„ubig fr mich
betrachten, was sie vorgab vermitteln zu k”nnen, n„mlich die gltige Wahrheit
der letzten Dinge. Ein zrnender und r„chender Gott war mir unvorstellbar
geworden; solches schien mir zu menschlich, keinesfalls g”ttlich.
Und je mehr ich damals forochte, umso lockerer war das Gefge, was ich bis
dahin als etwas Fundamentales betrachtete. Ich glaubte zu erkennen, das daá,
woran ich bis dahin glaubte, das Ergebnis der streibaren, rechthaberischen und
eifernden Kirchenv„ter der ersten Jahrhunderte der neuen Zeitrechnung war die
sich , welche jenes, welches Christentum genant ist, zurechtphilosophierten.
Sei es das Trinit„tsdogma oder die Vielzahl
/591/AE 12
der anderen Dogmen. Sei es der Streit um die G”ttlichkeits- oder
Menschlichkeitsthese Christus betreffend, mit dergleichen mehr.
Auch die Luhter-Melanchthon`sche Reformierung dieses philosophischen
Gebildes fuáte weitgehend auf dem Geistesgut der klassischen Philosophen des
alten Griechenlands, ebenfalls vermischt mit anderen Religionsphilosophien. Und
nachdem auch die evangelische Kirche kein Wissen vermitteln konnte, sondern
die Seligmachung im Glauben verkndete, glaubte ich, daá es sicherer und
einfacher sei, wenn ich mich kftig allein mit meinem Herrgott zusammen f„nde,
ohne mich der Vermittlung evangelischer Pastoren zu bedienen, zumal auch sie
den menschlichen Schw„chen unterworfen watren, genau so, wie auch der
Protestantismus selbst Menschenwerk ist.
Daran hat sich bei mir bis heute nichts ge„ndert und wird sich nichts „ndern.
Auáerdem hat auch die Luther-Melanchthon`sche Lehre gengend Unheil ber
die Menschen gebracht. Oder sollte ich mich irren, wenn ich z. ? die Geschichte
des dreiáigj„hrigen Krieges betrachte?
Als ich w„hrend des Prozesses gegen mich in Jerusalem vereidigt wrude – als
Zeuge in eigener Sache – sollte ich nach blicher Gepflogenheit, mit der Hand auf
die Bibel den Eid leitsten. Meiner šberzeugung gem„á erkl„rte ich, daá ich auf
die Bibel nicht schw”ren werden, sondern bei Gott, denn ich sei gottgl„ubig;
/592/AE 13
Dieses stimmt, denn das bin ich. Aber ich vermag nicht zu personifizieren. Ich
glaube an eine allwaltende und allm„chtige Sch”pfungskraft, Lenker dessen was
war, was ist und was kommt. An ,das Gott”! Und ich der Mensch, bin gem„á
dessen Wollen und dessen Toleranz ein Mitflieáendes im Flieáen des Werdens, in
unserem Sein.
—
Ich bekam von einem protestantischen Pastor i.R., Paul Achenbach einen Brief,
den er am 11. September 1961 schrieb. Er lautet u.a.:
,An den Angeklagten Eichmann, z.Zt. Israel.
. Haben Sie schon einmal darber nachgedacht, daá Ihre Auffindung in der
weiten Welt fr Sie pers”nlich zugleich Gottes Gericht, aber wenn es zu einem
Schuldbekenntnis k„me, auch Gottes Gnade bedeuten k”nnte.
. Ihre moralische Schuld haben Sie, soweit ich sehe, nicht geleugnet. Sie suchten
dieselbe aber wohl zu verkleinern.
. Wenn ich mich jetzt mhe, Ihnen innerlich ein weinig weiterzuhelfen, dann tue
ich das, im Angesicht der Ewigkeit, vor der sie stehen.
. Ein offenes, wahrhaftes, aufrichtiges, alles umfassendes Gest„ndnis vor
Menschen, wird auch von Gott in der oberen Welt aufgenommen. Ein solches
kann nicht nur fr Sie, sondern auch fr unser unter Gottesgericht stehendes
zweigeteiltes deutsches Volk, ungeahnte Auswirkungen haben – im Blick auf
Begnadigung von Gott her.” (175)
/593/AE 14
Des weiteren spricht der Schreiber von einer Studienreise, die ihn nach Israel
fhrte, von seinem Besuch im Gerichtssaal w„hrend des Prozesses gegen mich,
vom ,jngsten Gericht” und vom Teufel als Ankl„ger und anderes mehr.
Ich habe darauf folgendes zu sagen:
,An den Pfarrer Achenbach, z.Zt. Bad Krozingen.
1.) Ich wáte nicht, daá ich Sie darum gebeten h„tte, sich meinethalben abzumhen.
2.) Ihr versuchter Druck auf mich, meinerseits Schuld zuzugeben (worum Sie den
Inhalt Ihres Briefes nach zweifellos die rechtliche Schuld meinen, da Sie an
anderer Stelle, von moralischer Schuld sprechen), wo solche nicht vorliegt, weise
ich als eine namaáende N”tigung Ihrerseits, zurck.
3.) Ich darf Sie sowohl auf mein Schluáwort, als auch auf das Kreuverh”r meines
Verteidigers, im Falle des Zeugen der isra‰lischen Anklage, des evangelischen
Probstes zu Berlin, Grber, hinweisen.
4.) Ich empfehle Ihnen ein eingehendes, einschl„giges Quellenstudium, eher Sie
predigend Ihren Mund zur N”tigung ”ffnen. Ich frchte, daá sonst Ihr ,Teufel”
am ,Jngsten Tage” sich darber freuen k”nnte, daá Sie sich wegen versuchter
Verleitung eines Angeklagten zu falscher Aussage, schuldig gemacht haben.
5.) Ihre inquisitorischen Eigenschaften, sind mir nichts Neues, wenngleich ich
wahrheitshalber
/594/AE 15
Feststellen muá, daá gottlob nicht alle protestantischen Geistlichen so sind, wie
Sie, wo keine rechtliche Schuld vorliegt, laáe ich /2 Zeilen gestrichen, unleserlich/
mich auch durch Sie nicht dazu zwingen, solche zuzugeben, nur wenn es Ihnen so
paát.”
(4)
Ich sagte, daá ich freiwillig zur SS gestoáen sei. Dies stimmt auch. Und die
Grnde die mich bewogen, nannte ich schon.
Welch eine Flle innerer K„mpfe standen mir noch bevor. Ich konnte es auch
nicht ann„hernd ahnen. Einem Schwimmer war ich vergleichlich, der in ein Tang-
und Schlingpflanzengew„sser ger„t und nunmehr bestrebt ist, herauszukommen
aus diesem Durcheinander, um wieder klare Wasserbahn zu gewinnen.
Das Gew„sser war – zum Vergleich – fr mich die SS; das Durcheinander in daá
ich geriet, war jenes Konglomerat, welches die damalige >Weltanschauung< in
Wirklichkeit bildete. Da die Grenzen des Gedanklichen dieser Anschauung ich
m”chte einmal sagen, auch mit den Grenzen und Interessen des >Reiches<
endeten, wrde man diese trefender und genauer mit >Reichsanschauung< zu
bezeichnen heben.
Und h„tte ich in jener Zeit den Rat meines Religionslehrers befolgt und in diesem
Gedanken-Durcheinander, zum Zwecke der Gewinnung einer freien
Gedandenbahn, Kant`sche Erkenntnisse weiter bedacht, wer weiá, wie sich meine
innere Konfliktstellung ausgewirkt h„tte. Ich weiá, es ist máig mit >h„tte< und
>wenn< zu bedenken, denn Tatsache ist, ich tat es ja nicht. Eine Weile versuchte
ich noch, Kant`sches Fordern meiner damaligen national-
/595/AE 16
Sozialistischen šberzeugung anzupassen, und ich muá sagen, es ging eine
zeitlang recht gut. Freilich immer nur in dem bescheidenen Rahmen des
auffassenden Verm”gens meines Gehirnes.
Dann aber kam der Augenblick, wo es zum Sprung kam und jegliches
Einpassenwollen vergeblich war; jene Zeit, wo selbst ein wenig Sophisterei, deren
ich mich – wie k”nnte ich es leugnen – zur abrundung des Ganzen oftmals
bediente, hier nicht mehr half.
Es waren die Zeiten, in denen mein Chef mich als Berichterstatter zu den
verschiedenen T”tungsstellen befahl.
Ich aber lieá es, dies muá ich sagen, in der Folgezeit an jener Gesinnungsethik
fehlen, die man fglich von einem Menschen h„tte erwarten k”nnen, der sich mit
solchen Gedankeng„ngen berhaupt schon befaáte. Aber, es ist nachher stets
leicht zu reden und zu rechten, denn da waren es auf der anderen Seite auch
wiederum „uáere Bande, denen ich mich zu unterwerfen hatte. Denn abgesehen
vom Eid, den ich getreu zu erfllen bestrebt war, hatte mich meine zust„ndige
Beh”rde nach meiner Versetzung im Sp„therbst 1939, ber das Wehrmeldeamt
zur Kriegsdienstleistung bei der Geheimen Staatspolizei verpflichten lassen.
Einer solchen Verpflichtung hatte ich mich zu beugen, denn solches war damals, –
wie heute in „hnlichen F„llen, – gltiges Gesetz, dem der einzelne sich auf
legalem Wege nicht zu entziehen vermochte.
/596/AE 17
Aber wie sah nun mein Schlingpflanzengew„sser, das damalige Konglomerat
meiner Anschauungen, mit dem ich mich abplagen muáte innen, aus. Ein Schuá
nationaler Egoismus, verment noch mit Selbstsucht. Dazu kam etwas
romantischer Idealismus, auch fehlte zuweilen ein wenig vernnftige, nchterne
Sachlichkeit nicht, um die Dinge gegenst„ndlich zu sehen. Im brigen ging sie
bald auf, im kollektivistischen Denken und noch vorhandene individualistische
Tendenzen wurden diesem, gem„á dem geschworenen Gehorsam, nach und nach
geopfert. Die Unvernunft der Staatsfhrung sah ich zuweilen, wenn sie ihre
besonderen Blten trieb und flchtete mich, weil ich mit meinem Idealismus nicht
mehr weiter kam, endlich und letztlich in einen materillen Naturalismus hinein.
Die Grundtendenz aber wurde trotz allem stets pessimistischer. Meine
pers”nlichen Lebensanschauungen dievergierten zwar mit einem Teil der
gepredigten offiziellen >Weltanschauung<, aber allm„lig nahm ich so ziemlich
dann alles vorl„ufig einmal in mir auf, was sich so bot. Freilich, eine
bedingungslose innere Aufnahmebereitschaft und ein fanatisches Wollen fr alle
nationalsozialistischen Ziele konnte ich nicht aufbringen, denn dazu reichte es in
einem Herzen voll Zweifel, wohl nie.
Meine klare innere Anfangslinie nach meinem Kirchenaustritt konnte ich nicht
mehr in ihren Konsequenzen weiter verfolgen. Ich arbeitete zwar in mir und an
mir, wie der ,Schopenhauer`sche Bergsteiger”, der den ungesicherten Berpfad
ohne Bergfhrer erarbeitet, dafr aber das Gefhl der Freiheit bek„me. Und es ist
sicher, daá es mir in normalen Zeiten gelungen w„re,
/597, 598/AE 18
hier auch die von mir stets erstrebte, ausgeglichene innere Ruhe und Sicherheit zu
erlangen.
Aber ich war in eine auáergew”hnliche Zeit und in auáergew”hnliche Umst„nde
hineingestellt worden, wofr bisher Gltiges und Praktiziertes nicht nicht erprobt
war.
Meine pers”nliche Arbeit an mir, wurde berlagert und verdr„ngt durch totale
staatliche Maánahmen von einer Art die ich verwarf, und denen ich selbst, gegen
meinen Willen, unterworfen war. So kam es zur Spaltung zwischen meinem
inneren Ich, mit dem ich nur noch zu einem kleinen Teil meiner Fhrung dienlich
war, und zu meinem „uáeren Ich, welches ich fast g„nzlich der Fhrung hingab,
denn es war Krieg. Ich trieb eine Art gewollte und bewuáte Schizophrenie.
Dieses Gespaltensein wurde ausgel”st durch mein Nichtverstehenk”nnen, im
Hinblick auf die Art der Behandlung von unbescholtenen Zivilisten durch die
damalige deutsche Staatsfhrung, ihre Anmaáung gegenber den Zivilisten
ausl„ndischer Staatsangeh”rigkeit in sonderhordt, und danach das Nicht mehr mit
kommen k”nnen bezglich staatslicherseits befohlenen Massenmordes an den
Juden.
Da ich jedoch damit nicht direkt befaát war und mein Handeln an der Mitwirkung
der Deportation weder meinem Willen entsprach, noch von mir aus abgestellt
werden konnte, ich solches berhaupt nicht einmal zu beeinfluáen vermochte,
lagen meine Hemmungen, der Hauptsache nich bei meinem inneren Ich.
Mein „uáerer Mensch, zwar ohnedies gebunden, gehorchte eidgetreu der
Staatsfhrung, denn Deutschlands Feinde hatten sich, so wurde es uns gepredigt
und wir sahen es auch, zum Ziel gesetzt, mein Vaterland zu vernichten. Und
gem„á meiner damaligen Auffassung ber Fahnen- und Diensteid, kam fr mich
nur der legale Weg im Hinblick auf Žnderung meiner Kriegsdienstverwendung in
Frage. Denn der Vernichtungswille unserer damaligen Feinde, appelierte auch
trotz der Tollheiten der eigenen Staatsfhrung, an mein damaliges vaterl„ndisches
Gewissen.
Der Fehler, abgesehen vom grunds„tzlichen, war, daá mich meine damalige
Fhrung an einen fr mich vollen ungeeigneten Platz stellte, den ich von mir aus
nicht zu wechseln vermochte, es sei denn, ber den Weg der Desertation. Den
Weg aber lahnte ich ab.
Dies alles aber schuf in mir eine innere Zerrissenheit; das gerade Gegenteilige von
dem, was ich als Gleichwertig, ja besser noch als den verlorenen Jugendglauben,
fast schon vermeinte, mir erarbeitet zu haben.
Dieses Vermeinen lag in den Jahren 1937 bis Ende 1939-
Aber ab dieser Zeit sank die Kurve der inneren ruhe sehr steil nach abw„rts. Und
w„re ich um diese Zeit noch in einer Kirchengemeinschaft gewesen, so h„tte auch
diese an meinem inneren Zustande nicht zu „ndern vermocht, noch an meiner
„uáeren Bedingung.
Es war die Zeit nach dem ich zum Geheimen Staatspolizeiamt versetzt wurde.
/599/AE 19
Dabei hatte ich noch nicht einmal mit jenen charakterlichen Hemmbl”cken zu
k„mpfen, wie Neid, Habgier, Grausamkeit, Haá oder Rache. Davor war ich dank
meiner Jugenderziehung und dank der Tatsache, daá ich die Arbeit an mit selbst,
zu keiner Zeit g„nzlich aufgab, gefeit.
Dafr aber sah ich den Tod an allen Ecken und Enden jetzt, in seinen furchtbaren
Formen.
Die einzige Erkenntnis, die ich auf Schritt und Tritt in jener Zeit best„tigt fand
war, daá die Welt, in der ich als Erscheinungsform Mensch zu leben hatte, nie und
nimmer die beste, sondern nur die allerschlechteste sein muáte, die man sich
denken konnte.
Ich hielt das Menschsein fr sinnlos, denn so sehr ich auch forschte, ich konnte
bei dieser Massenvernichtung der Menschen, auf Freund und auf Feinseite keinen
h”heren Sinn im Walten der Natur mehr erkennen; ja nicht einmal eine ganz
gew”hnliche Nebenabsicht vermochte ich zu erdenken.
Und im Stillen beneidete ich die Tr„ger des gelben Budha-Gewandes, denn dieser
versuchten aus der pessimistischen Einstellung zu den ,Dingen der Welt”, fr sich
wenigstens noch das Beste herauszuholen, und taten solches offensichtlich – im
Gegensatz zu mir – mit Erfolg.
Und wenn ich alles so recht bedachte, was hatte ich noch einige Jahre vorher, fr
ein sonniges, frohes Gemt; unbeschwert, optimistisch, ohne irgendwelche
Konflikte, —
Meine harmonische Ausgeglichenheit wich
/600/AE 20
In zunehmeden Maáe der Disharmonie einer inneren Verkrampfung und mir blieb
als einziger eruhigender Trost, daá andere, mir noch bevorstehende Welten, auf
keinem Falle schlechter sein k”nnen, als die von mir jetzt als Mensch zu
Durchstehende; eine Welt der aufgezwungenen Komplexe. Aller Voraussicht nach
aber – so berlegte ich weiter – weil sich h”heres Sch”pfungswalten nicht im
Negativen verlieren k”nne, máten nach meiner Erkenntnis, kommende
Lebenswelten daher zwangsl„ufig bessere sein; denn von allem organischen
Leben ist mir keines bekannt, daá vors„tzlich Schlechtes, statt Gutes setzt;
ausgenommen der
Mensch. –
Beweisen freilich konnte dieses – mit den guten und schlechten Welten –
niemand, aber trostreich war`s doch. (Und zu meinem Pessimismus gesellte sich
w„hrend des Krieges ein geh”riger Schuá Fatalismus; welch letzteren ich bis
heute nicht abstreifte). Solches ergab dann fr mich immerhin einigen
Hoffnungsschimmer. Und so sher war ich von solchen Gedanken verhaftet, daá
ich fr meine Person beispielsweise nur dann w„hrend der Bomebenangriffe den
befohlenen Unterstaand aufsuchte, wenn ich mich dem, aus Grnden der Disziplin
nicht glaubte entziehen zu k”nnen.
(5)
Mein Egoismus und meine Selbstsucht, galten in ihrer eigentlichen Bezogenheit
und in bewuáter Hinsicht zum weitaus brwiegenden Teile meinem Volk und
meinem Vaterland. Es war richtiger gesagt, nationaler Egoismus.
Die Initialzndung hieá ,Versailles”; daran l„át
/601/AE 21
Sich nichts „ndern. Dieser einmal in Umlauf gekommene Motor, wurde durch
meine Umgebung weiter angetrieben. Meine haltungsm„áige Einstellung zum
Nationalsozialismus, volk und Staat, wurde aus der Situation heraus geformt, die
mich umgab.
Die weitere Formung meines Verh„ltnisses des ,Ich” zum ,Reich”, verlief ab nun
in jenem Bereich, indem nach und nach der nationale Stelbsterhaltungsgedanke
die Dominante spielte, und der letztlich in der gepredigten These: ,Recht ist, was
dem Volke ntzt”, gipfelte.
Selbstsucht leitet den Menschen als einer seiner Haupttriebe, denen er
unterworfen ist, von Anfang an. Seit jenen fernen Zeiten, da er als Einzelg„nger
noch, oder schon Hordenweise, pers”nlichen Krief und Kampf gegen alles zu
fhren hatte, um berhaupt sein Leben behalten zu k”nnen.
Sp„ter, viel sp„ter vereinigten sich dan die Menschen teils unter Druck, teils ohne
solchen zu einer Gemeinschaft, zum Staat. Sie leisteten dem Stammes- oder
Staatsfhrer Gehorsam; in diesem Kollektiv wurde ihnen ihre Existenz offenbar
besser garantiert, als sie solches frher je schaffen konnten. Was das Oberhaupt
ihres Gemeinschaftswesen fr richtig hieá, war fglich gut, alles andere war
schlecht. An dieser Einstellung hat sich bei den verschiedenen Formen des
menschlichen Gemeinschaftslebens bis heute im Wesentlichen nichts ge„ndert.
– , –
/602/AE 22
(6)
Die Untergangsprophezeihungen des eigenen Volkes bei nichterfllter Pflicht,
welche von der Staatsfhrung propagandistisch ausgestreut wurden, glaubte man;
auch ich glaubte sie. Und so unrichtig war sie im brigen auch gar nicht.
Stelbstverst„ndlich wollte auch ich die Unrechtbeseitigung von Versailles; wollte
die Beseitigung der vielen katasrophalen Folgen dieses Diktates. Ich geh”rte auch
zu jenen, die ein groáes und freies und starkes Reich erhofften und ersehnten.
Dessentwegen hatte ja auch ich damals alle meine Lebensbequemlichkeiten,
denen ich nachh„ngenkonnte aufgegeben. Und ich war der Meinung, daá ein
starkes Reich, mit einem geeinten Volk alleine schon die Garanten dafr w„ren,
daá diesem Volk und Reich gegenber, dann ein anderer als der ,Versailler-
Respekt”, an den Tag gelegt worden w„re.
Aber durch die Nichtachtung alles Nichtnationalsozialistischen, in dem Zertreten
jedes anderen Willens und Wollens durch den Unduldsamkeitsfaktor der
nationalsozialistischen Reichsregierung, eine Tatsache die ebenso bedauerlich wie
schmerzlich ist, entstanden in der Folgezeit notwendigerweise die
Komplikationen und Katastrophen, deren Traurigkeit wohl in ihrer GrӇe, bisher
einmalig in der Geschichte dastehen.
Ich glaube, es gab nur wenige, welche der Meinung gewesen waren, die Parolen
und Drohungen der Kampfzeitredner, wrden nach der Machtergreifung, zur
Wirklichkeit werden. Vielmehr
/603, 604/AE 23
dachten doch alle, daá die von der Fhrung nach der Revolution versprochene
Evolution , fr bare Mnze zu nehmen sei. Und daá dann ein friedliches
Nebeneinanderregieren im Kreise der europ„ischen V”lkerfamilie anheben wrde,
nachdem die Einsicht der anderen Seite, zu Konzessionen deutscherseits fhren
werde, womit dann im Laufe der Verhandlungen alle schwebenden Probleme, auf
dem Verwaltungswege ihre Erledigung finden wrden.
Ein ,tanzender Kongress” sollte fr”hliche Urst„nd feiern.
Aber leider zeigte sich hier die unvernnftige Intoleranz, gepaart mit
machthungrigem Ehrgeiz seitens der Fhrungsspitzen des Reiches. Dies ist eine
Tatsache, die nicht zu umgehen ist. Ihr Vorgehen war vergleichlich, den
m„chtigen Volksbeherrschern der alten und teilweise nicht mittleren Zeiten. Sie
bedachten dabei aber nicht genugsam, die mittlerweile auáerordentlich fein
ver„stelten Bindungen und Beziehungen in kultureller, wirtschaftlicher und
politischer Hinsicht, welche das Leben der V”lkerfamilien untereinander regelten
und von denen sie abh„ngig waren; und daá hier eine jede St”rung dieser
empfindlichen Maschinerie zu Konflikten fhren muáte. Vielmehr waren sie von
ihrer Macht d„monisch besessen und nicht achtend, das besonders
gefhlsgebundenem Denken unserer Zeit. Sie waren stehen geblieben, ja sie
schraubten wieder zurck, in das absolutistische Denken der ,Herrenmoral”.
Es waren rckl„ufig betrachtet, ohne jede zwingende Notwendigkeit, Hasardeure,
die da leichtfertig
/605/AE 24
Glck und Freiheit der Natinen in ihnr Spiel warfen. Ich sage rckl„ufig
betrachtet, denn mein damaliges Eigenurteil war zufolge meiner untergeordneten
Stellung welche ich in der Hierachie, bekleidetet, ein recht beschr„nktes.
An Informationsmaterial stand mir freilich mehr zur Verfgung, als den
damaligen Durchschnittszeitgenossen, aber Kontakt mit den hohen
Fhrungsstellen hatte auch ich keinen. Meine pers”nliche Meinung war
uninteressant und ist es bis zum Mai 1945 geblieben.
Daá ich zu einem unbedingten Bejaher zu allen Maánahmen der ehemaligen
Reichsregierung geworden w„re, dies erlaubte mit der von mir gepflegte Rest, des
ber alles hinber geretteten romantischen Idealismus nicht. Ehner ich mit dem
Nationalsozialismus Bekanntschaft machte, war dieser der mich ausfllende
Hang; ja noch mehr, er gab mir jenes Gefhl, welches in mir freudhafte
Glcksvorstellungen hervorzuzaubern in der Lage war. Es hatte nichts zu tun mit
der Burschenschaftsromantik. Eher noch m”chte ich ihn als einen primitiven
romantischen Idealismus bezeichnen; ein Zustand, in dem ich mich der
Naturschw„rmerei, ohne Grenzen und Zgel, frei hingeben konnte und in ihm ein
wunderbares Gefhl der inneren Ruhe erlangte. Und ich sch„me mich selbst nicht
einer Umdrehung der Worte, wenn ich sage, ich hatte den romantischen
Idealismus eines Primitiven. Denn ich war damals
/606/AE 25
Jedenfalls unverbildeter und glcklicher daran, als sp„ter, wo ich mich im Sumpfe
der inneren Unfreiheit befand und mich mit einem halben Dutzend und mehr der
verschiedenen Anschauungen herumzuschlagen hatte.
In die Reste dieser sch”nen Erlebniswelt, konnte ich mich dann flchten und tat es
zuweilen auch, wenn ich mich hinten und vorne, nicht mehr auszukennen glaubte,
und mit nichts mehr zurecht kam. Es war eine Art Medizinschrank, den ich mir
hielt. Und ein Adalbert Stifter und Peter Rosegger, bereiteten mir Genuá.
W„hrend all der Jahre in Berlin lag auf dem Schreibtisch meines Privatzimmers,
Roseggers reizende Gebirgsheiligenabendbeschreibung ,Als ich noch ein
Waldbauernbub war”. Ich habe sie oft und oft gelesen. Ein v”llig anspruchsloses
Geschichtchen, aber sollte jemand mit Nein-, Habgier- oder Machtgedanken
lieb„ugeln, dann lese er diese Erz„hlung; bedachtsam und mit der Ruhe des
Bergbauern.
Die jungfr„uliche Sch”nheit des B”hmerwaldes, die wohltuende Stille des
Alleinseins in der Welt der Gebirge und die von mir in diese Bereiche
hineingelegten und hineingedachten šberlegungen und Vorstellungen ber das
Werden des Seins im Laufe der Zeiten, und meine eigenen Beziehungen zu
diesem Werden, lieáen mich mit dem Versenken in diese Welt, alle Doktrinen und
mich verdrieáendes Gegenwartsgeschehen vergessen.
Selbst heute noch, im Gef„ngnis zu Isra‰l
/607/AE 26
Greife ich zu dieser erprobten Methode zurck; denn das Gefangensein und
Gefangenendasein, bringt nun einmal eine solche Flle von Ungelegenheiten mit
sich, daá ich schon oft und oft dem Tag nach der Nacht grau war, der mich ihm
auf`s neue erleben lieá.
Es gibt keinen Zweifel, daá der Tod besser ist, als die Gefangeschaft, aber der
Mensch tut gut daran, seinem Schicksal nicht auszuweichen. Und jedenfalls sind
die Kr„fte aus diesen herrlichen Vorstellungswelten jeweils stark genug gewesen,
mich stets noch ,auf andere Gedanken zu bringen”. Aber ich will ja jetzt nicht
von meinen gegenw„rtigen Gefhlen sprechen, sondern mich in die vergangene
Zeit zurck zu versetzen suchen. –
Daá ich solche ,Ausflge”, zur inneren Ruheherstellung, zur inneren
Gleichgewichtshaltung ben”tigte, war sicherlich ein Zeichen, daá da etwas nicht
in Ordnung war. Dieses ist sicher. Aber ich konnte daran nichts „ndern, denn ich
war weder Ursache, noch Wirkung; auch ich war zum Spielball der Zust„nde
geworden. Ich muáte ja selbst oft gegen mein Wollen, gegen meinen Willen
gehorchen.
Die meisten der Befehlsempf„nger von damals sagten sich – wenn es wieder
einmal gegen ihren Strich ging – ,Ach was, habe der Teufel den Satansbraten; ich
habe meinen Dienst zu schieben und hinter mir die Sintflut”. Ich will offen genug
sein und zugeben, daá auch ich mich mehr als einmal, hinter dieser Beruhigung
ausl”sen sollenden Pille verschanzte. Nur, es war ohne jede innere Wirkung.
/608/AE 27
Daher verlor ich mich lieber in meine zwar stets konfuser werdenden
Betrachtungen. Freilich hatte er etwas fr sich, der Standpunkt der Realisten, denn
er nahm die Dinge eben entgegen, wie sie sich ihm boten. Ich verfgte aber nicht
ber die Robustizit„t des Gefhls, welche dazu vonn”ten gewesen w„re. Natrlich
konnte auch ich aus meinen schw„rmereischen Liebhabereien beraustreten in die
Wirklichkeit, auch ich konnte meine tausend Bedenken einmal verlassen und dann
zweifelsohne manche Fortschritte feststellen. Es gab da zum Beispiel keine
Arbeitslose mehr. Es wurden Werte geschaffen in baulicher Hinsicht; auf dem
Gebeite der Produktion, welche wieder angekurbelt war, ob die Art der Arbeit und
die Vehemenz mit der sie vorw„rts getrieben wurde, im Hinblick auf die
Miátrauenssteigerung, den Neid und die Habgier des Auslandes, vom
Vernunftstandpunkt aus diktiert wurde, dieses konnte ich damals nicht beurteilen,
denn daran dachte ich nicht einmal. Heute muá ich solches fglich bezweifeln.
Wenngleich es ja eigentlich eine innerdeutsche Angelegenheit war und auch
geblieben w„re, h„tte unsere damalige Fhrung nicht in ihrer Unvernunft ihren
,Justamentstandpunkt” derart s„belrasselnd vertreten; ein Unterfangen, welches
unsere Nachbaren kopfstutzig machen muáte. Die Behandlung der Judenfrage,
durch die damalige deutsche
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Regierung tat ein briges, um Abkapselung und den Boykott gegen Deutschland
zu festigen.
Und Anfangserfolge verfhrten die Spitzen des Reiches, zu leichtfertigem und
unberlegtem Tun, pr„sentiert in immer neuen Forderungen. Gleichwohl muáte
endlich auch nach Danzig vom Zaune gebrochen werden. Und diese Stadt sollte
zum Schicksal Deutschland und seines Volkes werden.
Schuld an dem ganzen unheilvollen Entwicklungsprozess hatte aber nicht nur die
damalige politische Fhrung, wenngleich sie die entscheidende Verantwortung
trug, sondern auch die deutsche Hochfinanz jener Zeit. Sie schrte und trieb genau
so, wie die internationale Hochfinanz, dieses steht auáer Zweifel.
(7)
Nun, wie die Dinge einmal lagen, gab es vieles, zu dem man bejahend stehen
konnte; aber mindestens ebenso vieles geschah, wo einem Menschen wie mir, nur
das Eintauchen in andere Welten, die Flucht aus dem Alltag ern”glichte. Dieses
ewige Suchen und Dochnichtfinden, zerriá mich mehr, als ich mir davon
Erleichterung erhoffen konnte. Und der Schluá: nachdem ich doch nicht
entscheiden konnte, dann ganz ,untertauchen”, im kollektivistischen denken. Im
Denken nit der Masse. Die
/610/AE 29
Masse war fr mich damals die SS. Sie war ferner die gesante NSDAP und will
man weitergehen, der Groáteil des deutschen Volkes, daá ja im Wesentlichen
auch nicht gefragt wurde, und nicht anordnete, und auch nichts abstellen konnte.
Hier im Kollektiv war die Gelegenheit, als Einzelpers”nlichkeit zu verschwinden
und sich ideologisch gleichzufhlen mit dem Massendenken. Ich fhlte mich nicht
unwohl bei diesem Gedanken, denn es lag mir ohnedies, – zu keinem Zeitpunkt
meines Lebens, von mir aus ein h”heres Maá an Verantwortung zu bernehmen,
als ich ein solches zur Existenz meiner Familiie glaubte bernehmen zu máen.
Darber hinaus aber kein Qu„ntchen mehr.
Mit irgendwelchem Ehrgeiz oder gar Machthunger war ich nicht ausgestattet.
M”glich, daá ich daher auch meistenteils mit allen Kollegen, Kameraden und
Vorgesetzten, gut auskam; denn ich war im ihren pers”nlichen Ambitionen zu
keiner Zeit je ein Hindernis gewesen. M”glich, daá ich dieserhalb schlieálich
auch vier Jahre lang auf meinem Oberstleutnant sitzen blieb, w„hrend Kameraden,
mit denen ich lange Zeit gleichrangig war, inzwischen zu Generalen bef”rdert
wurden.
M”glich, daá ich aus diesem Grunde auch mit dem jdischen Funktion„ren, mit
denen ich zu tun hatte, gut auskam und
/611, 612/AE 30
sie mit mir.
Ich sage ,m”glich”, denn wissen tu ich gar nichts.
Freilich das Kollektiv war nichts anderes als ein milit„risch durchgegliedertes
Instrument; mehr oder weniger scheint straffste Ordnung und System, allem
Kollektiven eigen zu sein. Kritikloses, blindes Gehorchen, Disziplin und
Opferbereitschaft. Dafr versprach das SS-Kollektiv im Frieden materiell gesehen
eine Sicherung der Existenz, im Kriege den sehr m”glichen Tod.
Hat man sich einmal mit dem kolletivistischen Denken abgefunden, dann ist es
ein relativ bequemes Leben; ich meine jetzt weniger vom Standpunkt des
leiblichen Lebens, sondern ich habe dabei das Inneleben im Auge.
Freilich verlangt ein solches Denken schlieálich und endlich eine gewisse
Oberfl„chlichkeitsbereitschaft. Der eine bringt dazu von Haus aus die Neigung
mit, dem anderen wird solches, ohne daá es ihm noch recht bewuát wird,
anerzogen und der dritte – ich m”chte es einmal bildlich ausdrcken – flchtet
sich sogar in diese Bereitschaft hinein, weil er – egoistisch wie er nun einmal
denkt – der Meinung ist, dergestalt jeder inneren pers”nlichen Problemstellung,
mit all den zermrbenden Zweifeln, die ihn nie zur Ruhe kommen lassen wollen,
entrinnen zu k”nnen. Das weltliche Kollektiv nach Art der SS, verlangte die
befohlene Arbeitsleistung und die Bejahung
/613/AE 31
zur ,Weltanschauung des Nationalsozialismus”. Da diese aber noch etwas v”llig
Unausgegorenes, von allen m”glichen Erkenntnissen und Vorstellungen
Zusammengetragenes war, gab es eigentlich so recht auch keinerlei geistige oder
,weltanschauliche” Aufsicht, die Vertiefungen in diesem Bekennen h„tte
feststellen oder f”rdern k”nnen; die da lenkend und leiten h„tte Geistesgut nach
bestimmtem Plane vermitteln k”nnen. Freilichm da gab es die Ordensbrgen,
auch die SS-Junkerschulen. Einmal aber waren diese Einrichtungen, zeitbedingt,
auf rein kriegsm„áige Belange abgestellt und zum anderen, waren es
Nachwuchsangelegenheiten. Um die Probleme der ,Alten”, kmmerte sich keiner.
H„tte sich schlieálich und endlich auch keiner zu kmmern brauchen, da weder
ich noch andere, Ammenhilfe verlangten. Aber in dem Maáe, in dem die
Staatsfhrung von der herk”mmlichen Rechtsnorm – wie sie sagte nur fr die
Kriegsdauer – abwich und sich nachtr„glich dazu sogar die Genehmigung durch
den Reichstag hatte geben lassen, in dem Maáe, konnte der sonst keiner
Ammenhilfe Bedrftige, dann sehr wohl nach einer regulierenden Aussprache
Verlangen haben, besonders dann wenn er gegen seinen Willen zu einer Beh”rde
versetzt wurde, die soche Rechtsnormab-
/614, 615/AE 32
weichungen, in exekutive Bahnen zu leiten hatte.
Aber die Kardinalforderung war eine einzige und sie hieá: gehorchen.
Einjeder hat in Zeiten des Krieges irgendwie zu gehorchen, gleichgltig wo er
hingestellt wird; dies ist berall so.
Ein Losl”sen aus diesem Kollektiv, so etwa wie seinerzeit aus dem
Kirchenverband, solches gab es jetzt nicht mehr. Ich h„tte es jedenfalls auch
solange nicht getan, als Feinde mein Vaterland k„mpfend bedrohten. Das einzige
war ich tat, waren meine Bemhungen, an einer anderen Stelle des Kollektivs
eingesetzt zu werden. Etwa an der Front oder wenigstens in der allgemeinen
Polizeiverwaltung. Es war zwar ein Kollektiv, aufgebaut auf dem ,Fhrerprinzip”.
Aber das verpflichtende sture Gehorchenmssen in allen Dingen und das Warten
auf die jeweiligen Befehle und Anordnungen, nahm jeden Pers”nlichkeitswert,
beziehungsweise lieáen ihn einmal zufolge des Zwanges und im Verlaufe der
Gewohnheeit, unter dem Einfluá des Tr„gheitsgesetzes, zur Verdr„ngung
gelangen.
Mir war es recht so, denn nun ich ohnedies nicht mehr Herr meines Willens war,
bedeutete soches fr mich die einzige Zufluchtsm”glichkeit um den ohnhin
fruchtlosen Problem- und Komplexl”sungsversuchen, aus dem Wege zu gehen.
Ich habe die Erfahrung gemacht, daá wenn man schon in einem grausamen
Gegenwartsgeschehen schicksalsbedingt leben muá, und nicht recht
/616/AE 33
Regulator sein kann,sondern Regulierter ist, dann die kollektive Einordnung
immer nich leichter zu ertragen ist, da anders das Einzelwesen mit ,sich und den
Schwierigkeiten”, berhaupt nicht mehr fertig werden kann. Freilich erf„hrt das
individuelle Denken eine Zurcksetzung zugunsten des Gruppenbewuátseins,
dieses aber ist in Zeiten des Krieges, fr den sensiblen geist eher von Vorteil, weil
ihm Denkvernachl„ssigung und Verantwortungsaufteilung, vor der Wucht des
seelischen Druckes einen gewissen Schutz bietet.
Das Kollektivumfangene Bewuátsein, eingespannt in Forderungen und Befehlen
verliert zwar an Pers”nlichkeitswerten, aber auf diese verzichtet der einzelne oft
ohnedies mit tausend Freuden, denn nur im Fortfall all der vielen seelisch
beslatenden Punkte, kann das Individuum berhaupt noch bestehen. Es sei denn,
es hadele sich um Menschen denen ein Abweichen von der Rechtsnorm, h„heren
Sinn, oder berhaupt nur einen Sinn oder irgend eine Verpflichtung bedeuten
wrde. Solche aber glaube ich, sind doch nur in einer verschwindenden Minorit„t
vorhanden.
Ich fand aber das Kollektivverhaftetsein in Anbetracht der Umst„nde und
Zust„nde noch als das einzig Lindernde und nahm daher alle kollektivbedingten
Nachteile in Kauf. Es ging mir so, wie dem im technischen Kollektiv lebenden
Zeitgenossen,
/617/AE 34
dem das elektrische Licht pl”tzlich ausgeht. Solch ein in der Masse Verhafteter
stellt dann lediglich fest, ob es nur bei ihm alleine ausging, oder ob er dasselbe im
Nachbarhause auch feststellen kann. Ist er nicht alleine das Opfer der
Verdunkelung, dann wird er zwar murrend und schimpfend feststellen, daá diese
ewigen St”rungen eine eminente Schweinerei seien, er wird sich aber schlieálich
resignierend in sein Schicksal fgen, in der šberlegung, daá er soch machtlos ist
und als Einzelmensch nichts mit Erfolg dagegen unternehmen kann. Er wird sich
auch erkundigen, warum dieses notwendig sei, oder wieso es entstehen konnte; ja
er wird unter Umst„nden Vorschl„ge machen, wie solch Unliebsames, knftig in
Fortfall kommen k”nnte, er wird auf den Schaden hinweisen, der durch solche
Maánahmen entsteht, und was dergleichen noch mehr sein mag. Das Resultat
solcher Bemhungen, hat man bei seinem zust„ndigen Elektrizit„tswerk ja mehr
als einmal gesehen.
Da k”nnte man nun einwenden, sch”n, dann trete ich aus diesem technischen
Kollektiv aus, kaufe mir eine Petroleumlampe und bin frei. Bescheidener zwar,
aber dafr unabh„ngig.
Ja, in normalen Zeiten ist solches ganz sch”n und gut. Aber in Kriegszeiten gibt es
eben weder Petroleum noch Kerzen, in den St„dten; und der eventuellen Absicht,
seinen
/618/ AE 35
Wohnsitz auf das Land zu verlegen, um freier leben zu k”nnen, ist ebenfalls ein
Riegel vorgeschoben, durch eine mehr oder weniger straffe Einschr„nkung der
Freizgigkeit fr jedermann, fr die Dauer des Krieges.
Nun, es gab auch einige wenige, die warfen den Laden hin und machten
berhaupt nicht mehr mit; sie stellten sich gegen das System. Die Folgen sind ja
bekannt; das Ergebnis ebenso.
W„hrend meiner SD-Hauptamtzeit bis 1938 fiel mir ”fter Freimaurerliteratur ber
Giordano Bruno, dem ehemaligen Dominikanerm”nch, der im Jahre 1600 wegen
Ketzerei den Scheiterhaufen besteigen muáte, in die H„nde. Seine panthe‹stische
Lehre widersprach den Prinzipien der damaligen Kirche.
Abgesehen davon, daá ich kein ,Giordano Bruno” war, h„tte eine allf„llige
”ffentliche Opposition meinerseits, – etwa gegen die Art der L”sung der
Judenfrage, – das gleiche Ergebnis insoferne gezeitigt, als ich verschwunden und
unsch„dlich gemacht worden w„re; ein anderer Befehlsempf„nger w„re an meine
Stelle gerckt.
Es ist natrlich heute ein leichtes Reden, ,der Mensch ist stets Herr seines
Willens; Wahrung der Pers”nlichkeitswerte; etwas Gesinnungsethik” und
dergleichen mehr. Auch mir schwebte einmal die Freiheit des Individuums vor;
auch ich stand einmal gegen jede geistige Versklavung. In Wunsch- und
Tagtr„umen
/619, 620/AE 36
Konnte ich mich zeitweilig daran berauschen. Aber dann muáte ich erkennen und
konnte sagen, versuche es einmal jemand in der Praxis. In Mitten eines
m”rderischen Krieges, unter einer totalit„ren Staatsfhrung als Befehlsempf„nger.
Welch ein Unterschied ist hier zwischen Theorie und Praxis. /19 Zeilen
gestrichen, unleserlich/ Das willensm„áige Wollen des Einzelnen, n„mlich die
Verwirklichung des in ihm seienden Sittengesetzes, stӇt bei dem Versuch der
praktischen Anwendung, in Konsequenz des Erkennens, auf eine unberwindliche
Mauer. Denn durch Umkehrung der Werte seitens der Staatsfhrung, wurde das
Umkerungsergebnis zum neuen, ,sittlichen Gebot” erhoben. Was aber ist
sittliches Gebot, wenn es durch die Staatsfhrung zu etwas Variabelen gemacht
werden kann, und den politischen Wnschen der Staatsfhrung untergeordnet
wird, statt daá es umgekehrt w„re und die Fhrung des Staates sich diesem Gebot
unterwerfe
Was also ist Recht?
/Die Staatsfhrung zwingt seine Exekutive, das Einzelwesen zu vergewaltigen.
Und welchen wesentlichen Schutz h„tte der Befehlsempf„nger, wenn er gem„á
seinem Gewissen berhaupt handeln k”nnte. Und was noch wichtiger, welchen
praktischen Erfolg hat das Wollen des einzelnen Befehlsempf„ngers, wenn er
nach seinem Gewissen nicht handeln kann, da die Staatsfhrung pare gebietet.
Was ntzt bloáe Erkenntnis und der Wille allein, wenn die Tat keine Wirkung
zeigt? – gestrichen/ Und niemand kann sagen, daá solches nur in totalit„ren
Staaten geschehe. Auch die westliche Hemisp„re lieferte und liefert Beispiele
genug.
—
/621/AE 37
(8)
Kaum aus anderen Gebieten bezieht der nicht an Konfessionen Gebundene, soviel
ihn befriedigendes Material gegen Willk„r, Unvernunft und
Abweichungsbestrebungen von der Gesetzesnorm, wie gerade aus dem Gebiete
des materiellen Naturalismus, wenn er die Dinge von einer h”heren Warte aus
besieht.
Der Blut- und Bodengedanke, das Weiterleben im Blute der Nachkommen,das
Geborgensein im Schoáe der Sippe, sind solange keine schlechten Gedanken,
solange sie nicht von šberheblichkeitsvorstellungen begleitet sein. Aber trotzdem
k”nnen auch sie den geist, der mehr wissen will, der suchend weiter treibt, nicht
befriedigen; ich sagte schon einmal, es sind Werte innerhalb des Geviertes der
Grenzen des Reiches, Gltigkeit habend. Fragestellungen Logos und Leben im
Sinne einer allwltenden Ordnung, und damit solche nach dem h”heren Sinn allen
organischen Lebens berhaupt, finden damit keine Beantwortung. Es sei denn mit
Sophisterei; damit kann ich ja schlieálich sehr vieles beantworten; aber es kommt
dann oft einem Trugschluá recht nahe, wenn es nicht solch einer ist. Als
kleinliche, menschliche Torheit muá der im materiellen Naturalismus auch nur
kurz und flchitg Hineinsehende, beispielsweise alle Rassenvorurteile und
Rassendiskriminierungen bezeichnen.
Man frug mich einmal w„hrend des Prozesses gegen mich, ob ich Antisemit
gewesen sei.
/622/AE 35
Ich konnte diese Frage frei und gerade heraus mit einem Nein beantworten und
dafr Beweise erbringen. W„re ich es gewesen, dann h„tte ich sicher dafr auch
meine ,Grnde” gehabt und dann wrde ich solches auch erkl„rt haben. Natrlich
war ich – und dieses sagte ich auch – fr eine L”sung der Frage zwischen
Wirtsvolk und Gastvolk, nun die Komplikationen durch eine gezielte Propaganda
seitens des Wirtsvolkes auf eine Spitze getrieben wurden, die angeblich nicht
mehr sang- und klanglos aus der Welt zu schaffen war, und da diese
Angelegenheit schlieálich zu eienm unverrckbaren Dogma erhoben wurde.
Aber einmal schwebte mir eine politische L”sung vor und zum anderen hatte ich
keiner Rassenvorurteilsgefhle.
—
(9)
Ein Walten schuf das all und im All manifestierte sich das Walten; und dem
Menschen kommt im Geschehen des Seins weder eine bevorzugte Sonderstellung
zu, noch ist er das ,Ebenbild Gottes”, er kann es nicht sein, denn dazu fehlt ihm
die Allmacht.
Die Natur ist das Sein und der Menshc ist darin ein kleines Partikelchen. Kaum
erst von der Natur geschaffen, schon maát er sich an, korrigierend t„tig werden zu
wollen. Nein, dieses ging gegen meine šberzeugung.
Verlautete man seinerzeit Solche Gedankeng„nge,
/623/AE 36
etwa die ,Blutschutzgesetze” betreffend, in Verbindung mit materialistisch-
naturalistischer šberlegung, dann konnte ich h”ren, daá es ein Abschwenken in
transzendentale Welten w„re und ein Verlassen der staats- und
gegenwartsbejahenden Lienie. Natrlich stand auch ich auf dem boden des
Gegenwartsbejahenden und in vielen Dingen auch konnte ich von einer
Staatsbejahung sprechen, schon aus Grnden der Selbsterhaltung meines Volkes.
Aber die T”tung von Zivilisten, die konnte ich allen nationalsozialistischen
Bekenntnissen zum Trotz, in keiner Form ordnend unterbringen.
Unreife Geister waren am Werk, um einer H„ufung von Begriffen und
Vorstellungen, den Klang von Ewigkeitswerten aufzudr„ngen. Aber selbst nach
einem gewonnenen Kriege, h„tten diese zusammengebrauten Postulate, einer
umfassenden Art Renaissance bedurft und unr unter Erarbeitung g„nzlich neuer
und innerlich auch wirklich befriedigender Ziele, h„tte man von einem etwaigen
Weiterbstand dieser Bewegung berhaupt sprechen k”nnen. Wenngleich ich auf
der anderen Seite der šberzeugung bin, daá es der damaligen Staatsfhrung sogar
gelungen w„re, selbst Zivilistenmord, durch entsprechende psychologische
Beeinflussung, bei dem Zeitgenossen moralischen Druck solange zu
kompensieren, solange der einzelne noch nicht in jenes
/624, 625/AE 40
Lebensalter einer abgekl„rten šberschau eingeteten sein wrde, die ihn vor
propagandistischer Vernebelung feit.
Die Masse w„re ihr auf jeden Fall erlegen. Man hat es ja anderwo praktiziert und
erlebt.
Solche Gemeinschafts-Systeme aber sind als naturwidrig abzulehnen. Und man
sage nicht, das nationalsozialistische System wrde einen Einzelfall darstellen.
Der Beispiele sind viele. Ja ich m”chte behaupten, daá die wenigen F„lle, in der
Geschichte, wo dem einzelnen Gemeinschafts-System solches nicht nachzuweien
ist, weil es ihm an entsprechender Gelegenheit dazu gefehlt hat.
Es ist einer der menschlichen Urtriebem der Kampf aller gegen Alle und er wird
solange dauern, bis sie nicht alle eines Tages ,in ein und denselben Topf gesteckt
werden”.
Das einzige, worber ich mich wundere ist, daá sich zu diesen eigentlich doch
recht berlebten System, selbst Nobelpreistr„ger und die brige CrŠme der
Wissenschaften bekannten und bekennen; ihnen folgten und folgen; von geringen
Ausnahmen abgesehen.
Freilich, es ist schwer, wenn man in einem Atemzuge damit bedenkt, daá es selbst
einem Platon nicht gelang den Tyranen Dionysios, zur Verwirklichung seiner
Staatsfhrungsreformvorstellung zu gewinnen. Und auch Platon muáte erkennen,
daá die Staatsfhrung m„chtiger ist als selbst der Weise und daá sie auch dessen
ethisches Handelnwollen paralysieren kann.
Nein, es ist richtig: „ndern kann
/626, 627/AE 41
der einzelne einen Zustand, den auch das Wollen der Masse im guten Glauben mit
herbeigefhrt hat, nur in den allerseltensten F„llen. Wenn man nun selbst ein
Teilchen solch einer Masse war und das Sein dazu beitrut, daá ein solcher Zustand
eintreten konnte, den man sp„ter fr verh„ngnisvoll erkennen muáte, dann macht
sich solch einer mit Recht Selbstvorwrfe. Es ntzt zwar auch nichts, denn
Geschehenes l„át sich nicht ungeschehen machen und man konnte die
Zielrichtung nicht ahnen. Und wenn nun jemand, – dem unter der Diktatur im
Rahmen des Kollektivs, Funktionen bertragen waren, die er auszufhren oder
auszuben hatt – nun pl”tzlich nach Zerschlagung der kollektivistischen sicherheit
alleine und ganz auf sich selbst angewiesen ist, dann tritt eine ebenso pl”tzliche
Leere ein. /2 Zeilen gestrichem unleserlich/Ein Zustand in dem er logischen
Denkens oder Handelns noch weniger f„hig ist und in welchem er nach der
šberwindung des ersten Schockes, nach šberwindung jenes Zustandes, in dem er
sich unterhalb jeder Lebenswillensgrenze befindet, alles Unheil und alles
Urs„chliche, daá zu diesem Unheil fhrte durch vergleichende šberlegungen,
jawohl auch vermischt mit Trugschluá und anderer Sophisterei, in seiner
gesamten Ausschlieálichkeit, zuerst einmal den Feinden zuschiebt, und nur sie
alleine verantwortlich macht, fr das Herausreiáen seines Volkes, aus der
existenzsichernden Geborgenheit, und schlechterdings
/628, 629/
AE 42
fr alles Negative, zu dem sie, seine eigene Regierung zwangen.
Erst viel sp„ter, bei nchternerer Betrachtung erkennt er, daá die Feindseite nicht
schlechterdings fr alles und jedes Negative verantwortlich gemacht werden kann
und langsam bekennt er sich zu einer etwas objektiveren Betrachtung der Dinge,
und gibt unter dem Druck seiner inneren Fragestellung nach vermeintlichem
Recht und Unrecht, daá auch nach auáen hin zu, was er bezglich dieser
šberlegungen, gefhlsm„áig oder erkennend, schon zur Zeit der Macht seiner
eigenen fhrer empfunden hat.
Aber erst ganz zum Schluá, besch„ftigt er sich mit der Haltung seiner eigenen
Pers”nlichkeit. Hier aber ist fr ihn die Differenzierung der Wertungsgruppen,
was vermeintliches recht und was Unrecht war, noch bedeutend schwieriger, da
jetzt die Ausgangspunkte seiner Betrachtungen von einer Unzahl Faktoren
beeinfluát werden, die ihn gewissensm„áig besch„ftigten und jetzt erst recht
besch„ftigen. Sie reichen von der wirklichen oder vermeintlichen Verpflichtung,
der er unterworfen war, bis in das Gebiet der Psychologie hinein. Ganz besonders
dann, wenn es sich um eine Kollektivangelegenheit, politischer Natur handelt. Die
frage der Willens- und Handlungsfreiheit ist hier nicht nur ein Berg, hinter dem er
sich verstecken kann. Sie ist auch ein sehr reales und entscheidendes Faktum.
Einfacher freilich máte eine jede solche Betrachtung bei ehemaligen
Befehlsgebern sein.
Eines ist richtig: es l„át sich annehmen, daá im Verh„ltnis zur Masse aller
Beteiligten nur in den selteneren F„llen
/630/AE 43
eine šbertretung des sittlichen Gebotes, in Handlungen welche zur Kriegszeit
geschehen, vom befehlsempfangenden Einzelindividuum initiativ und von sich
heraus ausging. Die Staatsfhrung selbst war es, die solches befahl; das
Staatsoberhaupt; der eigene Polizeichef; der unmittelbar vorgesetzte Gerichtsherr.
Diese befahlen.
Ich selbst stehe auch heute, nach wie vor – bezglich meines Falles – auf dem
Standpunkt, daá mich eine Schuld im juristischen Sinne, in keinem Falle trifft.
Und dies ohne jede Sophisterei!
– , –
(10)
Ich geh”rte nicht zu jenen, welche nach dem verlorenen Krieg nun alles von heute
auf morgen von sich warfen und sich opportunisische lauthals zur demodratischen
Umerziehung und Entnazifizierung behkannten und sich als unfreie Verfhrte
hinstellten. Ich halte selbst heute noch die Form, wie solches durchgefhrt wurde,
fr einen Unfug, den sehr Schlaue, nicht geboren haben mochten. Ganz abgesehen
davon, daá das Verhalten gewisser M„chte nach 1945, due Meinung aufkommen
lassen konnte, als habe man den Teufel mit dem Belzebub vertrieben. –
Eine Flucht in die Philosophie alleine, h„tte mich keinesfalls restlos befriedigt,
auch ben”tigte einen guten Schuá an Tatsachen, die geeignet waren mein
Vorstellungsgeb„ude, welches sich mir jetzt neu zu errichten hatte, zu sttzen. Es
war anf„nglich ein schwaches Geb„use, daá durch nationalistische Anwandlungen
immer wieder zusammenbrach oder zusammen zu
/631/AE 44
Brechen drohte. Meist waren esVorg„nge politischer Natur, just in den Jahren der
,Umerziehung” des eigenen Volkes, die mir dann jede Lust nahmen, an mir
weiterzuarbeiten und die mich rckf„llig werden lieáen. Dann aber kamen Jahre
gewisser Ruhe und ich fand keine allzugroáen Anstoásteine; es waren die Jahre
der ersten erfolgreichen Versuche, den Schritt in den Weltenraum zu tun, es waren
die Jahre in denen sogar den Raketen einmal ein anderes Ziel gegeben wurde, als
dichtbewohnte St„dte der Erdbev”lkerung.
Und in dem Maáe ich mich immer intensiver mit meinen Gedanken befaáte,
erhielt mein geplantes Geb„ude, ohne daá es mir so eigentlich recht zum
Bewuátsein kam, jedenfalls ein Fundament, daá meinen ansprchen, die ich
keinesfalls sehr hoch schraubte, gengte. Ich brauchte es jetzt nur noch zu festigen
und auf dieses Fundament mein neues Geb„ude zu bauen.
(11)
– , –
Will ein Mensch sich ein Haus bauen, dann muá er zu allererst einmal
zusammenkratzen, was er an Geld oder Geldeswert hat, um dafr den Baugrund
und das Baumaterial zu kaufen; denn nur die wenigsten Menschen k”nnen solche
Auslagen als Nebenauslagen ansehen, die sie mhelos bestreiten k”nnen.
Dem kleinen Mann gengt ein bescheidenes H„us`chen, denn seine Mittel sind
beschr„nkt. Er kann es ja sp„ter, im Laufe der Zeit immer noch besser ausbauen.
Er kann es vergrӇern, durch Anbau oder Aufstockung. So, wie es ihm seine
Vorstellung
/632/AE 45
Und M”glichkeiten gestatten werden. Er hat inzwischen mit dem Spaten einige
Probeaushebungen vorgenommen; er weiá wie das Erdreich beschaffen ist und
wie er daher glaubt fundamentieren zu máen. Auch umz„unt er seinen Bauplatz;
er kapselt sich ab. Es ist ja nicht n”tig, daá ihm alle Nachbarn zuschauen; sie
wrden ihn auch nur unn”tig st”ren. Er beginnt jetzt einen kleinen Plan, oder auch
nur eine Skizze zu fertigen und dann gedenkt er danach Ziegel fr Ziegel zu
setzen, nachdem das Fundament tragfest geworden ist. Ein Dach ber den Kopf;
Fenster und Tren werden eingepaát und schon kann der Mensch, wenn Not am
Mann ist, einziehen, denn die meiste weitere Arbeit, wird sich ohnedies jetzt im
Inneren des Hauses abspielen. Sie ist bei fast jedem Wetter zu machen. Der „uáere
Verputz ist gegen die Unbilden der Witterung auch noch n”tig, wenngleich nicht
fr alle klimatischen Zonen von gleicher Bedeutung.
Meine Frau und meine erwachsenen S”hne wollten in Argentinien ein Haus
bauen. Eich hatte damals etwas freie Zeit und besuchte die Fachleute. Ich kam aus
dem Stauenen nicht mehr heraus, was da alles zu beachten w„re und mit was man
rechnen máte. Wie sich die Kosten verteilen wrden und welche gesetzlichen
Bestimmungen vorgesehen seien. Die fr mich zum Teil unverst„ndlichen
Fachw”rter, komplizierten und verwirrten die Dinge immer mehr.
Ich sagte mir, bei solchen Schwierigkeiten kommen voraussichtlich weder meine
Frau, noch meine
/633/AE 46
Kinder, zu Lebzeiten zu einem Haus. Da setzte ich mich eines Tages hin, und
machte eine Skizze. Im Maschinenbau w„re sie sicherlich irgendwie noch gn„dig
akzeptiert worden aber jeden Baupolier h„tte sie in hellste Verzweiflung gebracht.
Dann fundamentierten und mauerten meine S”hne, und ich mit ihnen, und ich
glaube in Jahresfrist stand der Rohbau fertig da. Nicht tagt„glich konnten wir
arbeiten, dazu hatten wir keine Zeit. Samstags und Sonntags und sonst, wenn
jeder gerade mal Zeit hatte. Und es ist nach Meinung der Fachleute, ein recht
solides und fest gebautes Haus geworden.
Genauso ging ich mit dem Bau meines neuen Weltbildes zu Werke. Die Arbeiten
und Schwierigkeiten waren ganz „hnlich, dem eben geschilderten Hausbau.
Hier stӇt man beim Suchen nach der Wahrheit, nach der Gltigkeit der Dinge,
nach umfassender Klarheit, auf eine solche Unmenge schulphilosophischer
šberlegngen, Vermutungen, Erkenntnisse und Meinungen, daá man zu Anfang
schlechterdings zurckschreckt.
Aber nach und nach geben die alten und neuen Weisen daá, was zur Sammlung
zuerst vonn”ten ist: den Abstand von den Dingen des Tages. Als ich diesen
endlich hatte, da konnte ich anfangen zu mauern. Nur eines: bauen muáte ich hier
ganz alleine
/634/AE 47
Fr mich. Mein Weltbildhaus hat sicherlich viele fachliche M„ngel und Fehler.
Ich habe es daraufhin noch nicht einmal berprfen lassen. Auch das Haus, daá
meine S”hne und ich bauten, hat einige fachliche M„ngel, aber sie st”ren meine
Familie nicht, denn die Statik wird durch sie in keinerlei Weise beeintr„chtigt und
es l„át sich recht sch”n in diesem Hause wohnen. Es interessiert auch einmal
groá, ob sich da und dort, dieser oder jener Fehler eingeschlichen hat; die
Hauptsache ist, daá man sich in einem solchen Hause wohl fhlt.
– , –
/636/ AE: 48
-(12)-
Protagoras sagte vor rund 2.400 Jahren, daá er von den G”ttern nichts wisse; er
k”nne weder sagen daá es solche g„be, noch k”nne er sagen, daá es keine g„be.
Wir sind in dieser Erkenntnis bis zum heutigen Tage nicht um einen Schritt weiter
gekommen.
Der eine glaubt an Gott; der andere nicht.
Wissen tut es keiner.
Ich glaube an einen Gott. –
Ich laá(sic) vor wenigen Jahren in Argentinien eine mich fesselnde Theorie ber
die Entstehung unserer Welten. Ein belgischer oder franz”sischer Priester stellte
sie auf.
Vor einem Zeitraum von etwa fnf Milliarden Jahren explodierte eine
Kernbreimasse vorstellungsm„áig etwa in der Gr”áe eines Wrfel von mehrern
hundert Kilometer Kantenl„nge. Der modernen Astronomie und Physik sind
solche Katastrophen nichts Neues.
Der Kernbrei wurde ,verdampft”. Mit gewaltiger Geschwindigkeit wurden diese
,Explosionsdampfwolken” in den Raum geschleudert. Nach allen Richtungen
stieben sie auseinander und ihre Geschwindigkeit nahm (und nimmt immer noch)
zu, je weiter sie sich dem Explosionsherd entfernten. Die Rotation verlieh diesen
/637/ AE: 49
Gasgebilden Form und Gestalt und die Abkhlung hatte Verdichtung zur Folge.
Und unsere Erde, als einer der Planeten unseres Sonnensystems ist ein ganz
kleines Partikelchen, ein St„ubchen nur, in der gewaltigen Zahl der anderen
Sonnensysteme im Rahmen ,unserer Milchstraáe”, von denen es ebenfalls
ungez„hlte noch gibt.
Soweit die Geschichte.
Nun, solches ist so undenkbar nicht und scheint durchaus verst„ndlich; besonders
nachdem der Menschheit selbst es bereits gelungen ist, solche Naturkatastrophen,
im kleinsten und bescheidensten Rahmen, in Form von einigen
Atombombenexplosionen w„hrend des letzten Weltkrieges, und danachfolgen
Wasserstoffbombenversuchen, nachzumachen.
Bezglich der Zeitbestimmung scheint es von seiten der berufenen Fachleute
offenbar auch keine die Theorie umstrzenden sachlichen Einw„nde zu geben. Ja,
sie ist darber hinaus, wie man lesen kann, in etwa sogar kontrollierbar;
Verfallszeiten, Halbwertzeiten und Strahlungsverlust; Umwandlung, z.B.: Radium
in Blei; sie spielen in solchen Berechnungn mit ein(sic) Rolle. Aber nicht nur
irdische Zeugen erz„hlen von l„ngst vergangenem Geschehen, auch andere Sterne
schicken uns laufend die Boten. Das auf uns kommende Licht ferner Welten, wird
spektralanalysiert und Meteorteilchen wandern in Laboratorien.
Und so ergibt es sich, daá die Explosion, von der unserer kleine Geschichte
erz„hlte, offenbar nicht einmal die einzige
/638/ AE: 50
ihrer Art ist. Und zwar andere, gewaltigere Naturkatastrophen, den lumpigen
zwanzigmillionen Grad Hitze, dem Helfer bei der Geburt unserer Welten, noch
spottend. Und wir Menschen, inmitten unserer galaktischen Welten, erahnen
supragalaktische GrӇen, die Bahnen des Raumes durchjagend.
Dies alles bewegt sich im Raum; im All, wie wir es nennen.
Einer bezeichnet als Raum das Insgesamt aller Getgend, in der die k”rperlichen
Dinge auftreten k”nnen.
Der andere gibt zu dem Dreidimensionalen des Raumes an sich, die Zeit noch /2
Zeilen unleserlich gemacht/. ,Er flieát”; ,ununterbrochen und stetig sich
ausdehnend.”
Wieder andere sehen ihn rechtwinkelig und sie stehen im Gegensatz zu denen, die
ihn gekrmmt wissen wollen.
Jene vertreten die Meinung, der Raum sei ein leeres und totes Nichts und er habe
keine andere M”glichkeit, als ausgefllt zu werden.
Und diese wiederum sagen, kein Zweifel, er hat eine Realit„t, wenngleich auch
auáerhalb unseres Geistes.
Ich meine, ein Nichts kann weder gekrmmt sein, ein Nichts dehnt sich nicht aus,
es ,flieát” nicht, ein ,Insgesamt der Gegenden” ist immerhin
/639/ AE: 51
auch ein Etwas, und daá(sic) worin etwas auftreten kann, ist folglich kein Nichts.
Ob die mir augenscheinlich bekannten Weltensysteme und darber hinaus gem„á
meiner ahnenden Vernunft weitere Welten auf die Art von stattgefunden(sic)
Explosionen, wie eine solche meine Eingangsgeschichte aufzeichnete in dieses
Etwas geschleudert wurden, eine Sache, die mir recht einleuchtend ist, und fr
meinen Hausverstand brauchbar erscheint, oder ob sich die Ordnung auf anderen
Bahnen urs„chlich vollzog, wird solange sicherlich unbekannt bleiben, bis eines
Tages der Mensch diese Welten betreten kann und seine Untersuchungen an Ort
und Stelle durchfhren wird.
Als vorl„ufigen Endwert dieser Urs„chlichkeit aber sehe ich, der Mensch,
nunmehr das ,Sein” und empfinde es. Dieses ,Sein” unseres Weltensystems hat
jedenfalls in einer ,Zeit”, die vor einer bis zehn Milliarden Jahren zu liegen
kommt, konkrete Gestalt angenommen. Ein ,Ist” kam durch einen Sch”pfungsakt
und zieht seine Bahn. /gestrichen: nach den Gesetzen des Makrokosmos/
Und hier setzt man den Beginn unserer ,Zeit”; das ,Sein” liegt in ihr.
In dieser ,Zeit” erfolgt im ununterbrochenen Kr„ftestpiel der Natur, das sich stets
vervollkommnende ,Werden” des entandenen ,Seins”.
Alles ,Sein” ist im steten ,Werden”; und dieses
/640/ AE: (52)
(Irrtmlich ausgelassen)
/641/ AE: 42
(Irrtmlich ausgelassen)
/642-643/ AE: 52
ist es, was mich ganz besonders interessiert. Hier habe ich also fr mein
Vorstellungsverm”gen etwas ,Handfestes, Greifbares”. Und ich hte mich aus
Grnden der Vorsicht, mich nicht zu sehr in andere Vorstellungsm”glichkeiten zu
begeben, in der Sorge, ich k”nnte etwas relativ Sicheres dabei verlieren. Ich
kmmere mich einfach um andere Seins-Auslegungen nicht mehr.
Es ist ja alles etwas unglaublich Fesselndes und Interessantes, aber wenn ich mir
ein Haus bauen will, dann muá ich mich schlieálich und endlich auch einmal fr
einen bestimmten Typ, fr eine bestimmte Ausfhrung entschlieáen. Oh ja, es gibt
eine ganze Menge sch”ner und herrlicher Formen, aber als ,kleiner Mann”, kann
ich mir schlieálich keinen Zwanzig-Zimmer-Palast bauen. Und was h„tte ich von
einem Palast, wenn nur die vier W„nde hochgemauert wrden und nicht mehr,
weil die Finanzen ersch”pft sind. Was ntzt mir existieren wollenden Menschen,
etwa ein glhender Gasball, eine halbfláige Feuerkugel oder ein zwar schon
fester K”rper, der aber beschaffenheitsbedingt, dem organischen Leben keine
Existenzm”glichkeit bietet.
/6 Zeilen gestrichen, ersetzt durch Text von Seite gegenber: Was ntzen mir ein
halbes Dutzend anderer theorien; sehr sch”n, interessant aber leider unglaublich
kompliziert und schwer zu verdauen./
/644/ AE: 53
-(13)-
Das ,Sein” ist ein einziges, groáes ununterbrochenes ,Werden”, solange der
Seins-Zustnad anh„lt; und das ,Werden”, ein immerw„hrendes,
ineinandergreifendes und flieáendes šbergehen von einem Seinszustand, ber das
Werden, in einen anderen Zustand des Seins.
Und dann war es eines Tages so weit, daá der Seins-Zustand unserer Erde
geeignet war, organisches Leben zu geben und zu erhalten.
Pflanze; Tier; Mensch. –
Ob Haeckel, Darwin oder andere auf dem richtigen Wege der Deutung zur
Lebenswerdung waren, ist schláig bis heute noch nicht bewiesen worden. Mir
gengt es zu wissen, daá ich im Akte der Zeugung einem einzigen von etwa 150
Millionen Spermateilchen, welches als erstes das reife Ei im Mutterleibe
befruchtete, meinen Eintritt als Mensch in das Dasein zuschreiben kann.
Ich, der Mensch, stamme aus einem gar reichen Hause; denn die Natur der ich
angeh”re, kann sich unglaubliche Verschwendung leisten; ich brauche mich daher
um gar ncihts zu sorgen, sie tut es mit ihrem unendlichen Reichtum fr mich. Und
fr mein ,Werden” ist fr das ganze ,Sein” gesorgt und ein Fallen in’s ,Nichts”,
das nicht existieren kann, ist unm”glich.
/645/ AE: 54
Und Tatsache ist, ich stehe im ,Leben” des ,Seins”; und das ,Leben” ist eine
Werdens-Bestimmtheit des ,Seins”. Und solange aber das ,Sein”, ,Leben” tragen
wird, bin ich diesem ewigen Kommen und Gehen, diesem ewigen Stirb und
Werde unterworfen. Solange einmal bin ich auf jedenfall unsterblich.
Dies aber ist es, was mich beruhigend an der Sache interessiert.
Und ich vermag nicht einzusehen, daá das Leben eine Last ist – obschon ich zur
Zeit im Gef„ngnis sitze – auch vermag ich nicht zu erkennen, inwieferne man sich
,vor dem Tode” frchten solle, oder infolge einer mjutmaálichen Endbestimmung
alen organischen Lebens, von Angst geplagt sein muá.
Etwas, welches das naturgewollte Schicksal aller Menschen ist, kann nichts
Schreckliches sein. Undenkbar ist es fr mich, wenn ich den natrlichen Ablauf
der Dinge betrachte, das Walten, welches uns Menschen in seinen Plan setzte,
k”nne nur Nutzlosigkeit und Leid, zum Lose des Lebens bestimmt haben.
Freilich, es ist eine weise Vorsehung, die uns Menschen, nicht gerade als
Menschen unsterblich werden l„át. Dies ist sehr tr”stlich. Aber der Gedanke an
die Flle der Lebensformen, welche ich einem ehernen Naturzwang noch zu
durchleben haben werde, stimmt mich heiter, glcklich und froh.
/646-647/ AE: 56
Daá wir als Menschen noch so viel an Leid und Sorge mit uns herumtragen und
gegenseitig zufgen, liegt in der Unzul„nglichkeit unser selbst. Auch der Mensch
ist einer immerw„hrenden Verfollkommnungsentwickelung unterworfen, solange
das ,Werden” es vorsieht. Und noch stehen wir Menschen erst am Anfag unserer
Formung und vieles, was uns Heutigen noch Žngste und Schrecken verursacht,
wird durch den Schleifstein des ,Werdens”, gegl„ttet.
Das Leid und die Drangsal der Menschen in frheren Zeiten, war vergleichlich,
noch ungleich grӇer als heute. Und in knftigen Epochen werden unsere
Nachkommen bei Anlegung des Vergleichsmaástabes, genau dasselben
behaupten, von uns.
Immer kann es und wird es zeitweilige Rckschl„ge, ja vermeintlihce
Rckw„rtsentwicklungen geben; doch was tut dieses zur Sache, bei Betrachtung
der Ganzheit. Es ist ein trauriges Schicksal fr in solche zeiten Hineingeborene;
dies ist unleugbar. Und der Mensch sollte versuchen, kraft seines K”nnens, dem
Rckschlag zu steuern. Er vermag es schon l„ngst /ca. 1 Zeile unleserlich
gemacht, ersetzt durch Text von Seite gegenber: ob er es endlich will, wird die
Zukunft beweisen./
Ein gtiges Walten will jedenfalls keineswegs das Verderben. Dies beweist mir
ganz deutlich, daá es mir, der ich mit in einem Teil des organischen Ablaufes der
Dinge gestellt bin, das Gefhl fr Freude und Herzlichkeit gab.
/648-649/ AE: 57
Und unm”glich ist das Wollen des Waltens, daá sein Geschaffenes, in Furcht,
Angst, Zittern und Leid gar, verkomme.
So gesehen ist meine Auffassung, welche ich mir von den Dingen mache,
freundlich und heiter. /Zusatz von Seite gegenber, nicht genau plaziert: Und ich
vermag nicht den Sartre’schen Standpunkt zu teilen, daá Leben, wie Tod,
Absurdit„ten seien. Zwar gebe ich zu, daá sie unwichtig sind, sowohl Leben sie
Sterben, von der Wartes des ,Werdens im Sein” aus gesehen, soweit es mich, als
Person anbelangt./
Ich habe den Anschluá wieder bekommen an Ruhe und Frieden; Werte, die ich in
jngeren Jahren schon einmal hatte.
Zwar beziehe ich sie jetzt aus anderen Bereichen; doch was tut dies zur Sache.
Das Ergebnis alleine ist bestimmend.
Die Zeit dazwischen aber h„tte mich mir einsparen k”nnen.
———-
Epikur sagt ber den Tod, daá dieser, solange er lebe nicht da sei. Kommt er, ist
Epikur nicht mehr da. Und Schopenhauer denkt den Tod nicht schlimmer als die
Geburt.
Ich erg„nze, halte mich zwischen Tod und Geburt, die ich nicht kenne, und sage,
die Hochzeit mit meiner Braut zu feiern ist fr”hlich; ein ,neues Leben” beginnt
dann fr beide. Und der Tod tut nichts anderes, er fhrt mich zu neuen Leben.
/Zusatz von Seite gegenber: Achtung! nicht neuem Leben, sondern wie ich es
schrieb! (Mehrzahl)/
Aber der ,Tod” des Organischen ist eine naturgesetzte Notwendigkeit, im Zuge
der fortschreitenden ,Werdung des Lebens” und dient der Vervollkommnung.
Eine Umwandlung ist es zu Neuem, nicht mehr. Wozu also Angst und Besorgnis?
/650-651/ AE: 58
Tausend mal tausend Tode, ziehen mich in tausend mal tausend Leben; in seinen
mannigfaltigsten Daseinsformen. Im ununterbrochenen Spiel. Solange, bis aus
klimatischen Grnden, die Erde, welche mein jeweiliges Leben tr„gt und ern„hrt,
mich nicht mehr erhalten kann.
Mit Erreichung der Existenzlosigkeitsgrenze fr organisches Leben auf unserer
Erde, f„llt dieses wieder zurck in andere Formen des ,Seins”. Und hiermit wird
der erste Kreis nun geschlossen, und weitere folgen. Bis abermals eine neue
Urs„chlichkeit zu neuen Beginnen /Zusatz auf Seite gegenber: Achtung! Zu
neuen Beginnen!!! (Mehrzahl)/ den Anlaá gibt. Denn nichts im All kann ruhen
und stehen und alles ist stets im fluá. Und es gibt keinen Tod als solchen, weil es
kein Nichts gibt. Denn das Glieáen schlieát sich in sich, um wieder zu flieáen.
-(14)-
Wenn ich so dieses Gebilde betrachte, dann muá ich sagen, es ist eine Zeichnung
die mich erfreut. Alles Finstere und Dunkle entschwindet und ich bin glcklich
darber. Einfach, in sich geschlossen, steht es mir stets vor Augen; anders h„tte es
im Gehetze des Alltags auch wenig praktischen Wert. Denn je mehr Zeit ich
aufwenden máte, um durch scharfsinniges Denken – falls ich mich dazu
berhaupt aufraffen m”chte – mein Weltbild vor mir zu haben, desto weniger
wrde es mir fr den Hausgebrauch ntzen.
So also kenne ich meine Rolle, welche zu spielen, im Ablauf der Dinge
/652/ AE: 59
mir zugedacht ist.
Dies gibt mir jetzt auch den Abstand vom kleinlichen Tagesgeschehen und alles
gestern noch Schwere, ist heute entschwunden.
Es ist dies die wahre Freiheit; aus der Erkenntnis geboren, daá kein Menschentand
mehr f„hig ist, mir meine innere Ruhe zu rauben. Und damit „ndert sich
gleichzeitig meine Stellung von Mensch zu Mensch; sie wird eine andere. Heutere
Aufgeschlossenheit, kein „ngstliches Lauern, Vorurteilslosigkeit, kein Neid und
kein Haá, sind mit die wichtigsten Pluspunkte. Zwar bin ich nach wie vor Egoist,
doch diesmal nicht auf Kosten der anderen. Jetzt nehmen sogar die Mitmenschen,
an diesem Egoismus auch fr sie gewinnbringenden Anteil. Denn Streitsucht,
Hader, Schwierigkeitsbereitung, Miáachtung, Verleumdung und wie die Litanei
der Verdruágrnde da lautet, erlebt mangels ausreichender Begrndung,
Abschw„chung in bisher nicht gekannten Gr”áen.
Ich erfuhr in gengendem Maáe die Auswirkung einer pessimistischen
Weltbildvorstellung; als Geb„rmutter vielen šbels kann man sie ruhig
bezeichnen.
Und in folgerichtiger Auswertung dieses Erkennens, ist zerfleischender Kampf
um souver„ne Belange kleiner Sektoren, jene Zusammendr„ngung beherbergend,
die als ,mein Volk” genannt wird, von absoluter Unwichtigkeit geworden.
/653/ AE: 60
Es ist mir nationales enghorizontiges Denken und Verharren in demselben direkt
zur Last geworden, die mich behindert.
Gegenseitiges Miátrauen, Vorherrschaftsbestrebung des einen ber den anderen,
Wertung- und Klassifizierungsgruppen der Menschen, dies alles geh”rt fortan
zum alten Germpel.
In Wahrheit, daá(sic) derzeitig immer noch andauernde und beigehaltene(sic)
System im Zusammenleben der V”lker, kann nur als eine tragische Lage der
Menschen auf Erden bezeichnet werden. Und bei Fortdauer derselben, lebt der
Mensch, bar jeder Hoffnung und Zuversicht, seine Erdentage dahin, ohne sie in
glcklichere Bahnen verbringen zu k”nnen.
Denn was ntzt dem einzelnen seine ihn befriedigende Weltbildvorstellung und
was ntzen Erkenntnis vom h”heren Sinne des ,Seins”, wenn jeden Tag
Kriegsgesetze in Kraft treten k”nnen und die Handlungsfreiheit des einzelnen,
starr mit Beschlag gelegt(sic) wird.
Zahlreich sind die durch Jahrtausende erprobten Gesellschaftsformen, mit dem
Ziel, mehr oder weniger befriedigende Systematik in das Zusammenleben der
Menschen zu bringen. Aber wirklich gerecht werdend fr heutige Verh„ltnisse,
scheint nichts von allem Herk”mmlichen zu sein. Freilich, wie berall, sind auch
hier die Dinge in stetem Fluá. Und es l„át sich annehmen, daá was bei einer
Gesamtbev”lkerung von rund drei Milliarden,
/654/ AE: 61
ein dringendes Gebot der Stunde wurde, die Menschen zu einer Zeit, wo sie mit
einer einzigen Milliarde dahin leben konnten, m”glicherweise noch nicht zu
interessieren gehabt hat. Und mir will scheinen, als seien Gedanken, die eine
globale L”sung behandeln, umstnadsgem„á, glcklich und gut. Denn im ,Werden
des Seins”, dr„ngt alles zum Ganzen.
Warum der moderne Mensch sich einer solchen L”sungsform trotz zwei
vernichtenden Weltkriege, bisher noch immer verschloá, dies scheint wie ein
R„tsel. Vielleicht ist es eine Verkettung von mancherlei Ursache und Wirkung;
und menschliche Starrk”pfigkeit scheint mir dabei nicht eine der letzten zu sein.
Nun gut, die Kommenden werden es „ndern; ohnedies werden sie nur noch ein
bedauerndes L„cherln brig haben, fr unser Verhalten.
Haben wir Heutigen etwa kein mitleidiges L„cheln bezglich der Haltung unserer
Vordern, wenn wir an die Dutzende der deutschen Kleinstaaten denken. Noch
Goethe fuhr nur wenige Stunden Postkutschenfahrt und schon war er im Ausland
und anderen Gesetzen unterworfen. Dann aber r„umte man eines Tages auf mit
dieser Miniaturstaaterei. Und warum sollte solches fr die gesamte
V”lkergemeinschaft nicht Gltigkeit haben.
Nach solcher L”sung wird sich von selbst dann ein friedliches Zusammenwirken
der Menschen untereinander ergeben. Denn in politischer Hinsicht wird es
solcherart zwangsl„ufig schon, zu einer Neutralisierung des Gegens„tzlichen
/technische Bemerkung am unteren Rand unleserlich gemacht/
/655/ AE: 62
kommen. Und dem Alltagsgeschehen wird dann jene Bedeutung zuteil, die ihm
billigerweise zur Lebensverbesserung einger„umt werden muá.
Aufgabe der L„nderregierungen, welche dann nur noch provinziellen Charakter
haben, wird sein, im Verein mit der Zentrale, die Glcklichermachung der V”lker
der Erde. Und je eher ist solches erreicht, je mehr fr die pers”nliche Sicherheit
und Unabh„ngigkeit des Einzelmenschen gesorgt und jedwede Vergewaltigung
desselben verhindert wird.
Bei gleichbleibender Tendenz aber wird trotz der sch”nsten
Weltbildvorstellungen, die der Einzelne auch(?) haben mag, die Masse
unweigerlich in die Daseinsangst der Primitiven so lange zurckfallen, bis ein
„uáerer, gewaltsamer Anlaá, zu solch einer L”sung dann zwingen wird, falls es
sich dann berhaupt noch verlohnt.
/656/ AE: 63
/technische Bemerkung am oberen Rand unleserlich gemacht/
Denn bei ehrlicher Betrachtung der Lage ist es seit langen, langen Zeiten doch so,
daá sich jeder selbst der N„chste ist. Trieblich bedingt; ein Urzustand. Alle
diesbezglichen Korrekturbestrebungen haben breiten und dauernden
Niederschlag bisher nicht gefunden. Und nur eine šbernationalisierung der
V”lker, nimmt den nun einmal vorhandenen Urtrieben, wenigstens einen Teil der
von Menschen durch die Nationalisierung knstlich geschaffenen, zus„tzlichen
Tummelpl„tze. Und solange des bei der Eigenstaatlichkeit, bei dem
Unabh„ngigseinwollen des einen Staates vom anderen bleibt, solange wird der
Standpunkt ,Jeder ist sich selbst der N„chste”, auch im nationalen Sinne, seine
unausrottbare Bedeutung beibehalten, und in Zeiten des Kriegszustandes wird die
Mehrzahl der Bev”lkerung eines Staates auf jeden Fall, willig oder widerwillig,
daá(sic) ausfhren, was der Staat befiehlt. Geht solches nicht mehr auf gtlichem
Wege, dann hat der Staat bereits dafr Vorsorge getroffen, dem Nachdruck zu
verleihen.
Und alle sittlichen Forderungen mit denen der einzelne schwanger geht, alles
ethische Wollen des einzelnen, bleibt Theorie, die praktisch keinerlei konkreten
Niederschlag zu zeitigen in der Lage ist. Denn der Machtapparat des Staates,
w„lzt alle Erscheinungen handlungsm„áiger Natur, so sie seinem Ziel und seinem
Wollen entgegenstehen, nieder.
Egal, ob Demokratie oder Totalitarismus, egal, ob Monarchie oder Republik.
/657-658/ AE: 64
Dies ist in Kriegszeiten jedenfalls die nakte(sic) Wirklichkeit, die durch nichts fort
philosophiert, ja nicht einmal fort sophistiziert werden kann.
Es ist fr einen Menschen verh„ltnism„áig leicht, von zu verwirklichenden
Sitttengesetzen zu sprechen und dabei auch gegen einen staatlichen Machtapparat,
als einzelner /Zusatz von Seite gegenber: – gleichwohl er um die praktische
Erfolglosigkeit weiá – / aufzustehen und lauthals zu sagen: ,Hier stehe ich, ich
kann nicht anders, als Euch zu sagen, daá(sic), was Ihr macht ist eine groáe
Schweinerei, ihr seid M”rder, Verbrecher und Volksbetrger und ich schreie es in
alle Welt hinaus und ich selbst werde nicht einen Tag mehr fr euch t„tig sein”,
wenn der Betreffende entweder sein entsprechendes Alter so zwischen die Fnfzig
und Sechzig mindestens, erreicht oder: keine Familie hat, oder: seine Familie
wirtschaftlich so gesichert ist, daá seine diesbezgliche Sorgepflicht als
unerheblich angesehen werden kann.
In allen anderen F„llen, wird das Individuum sich im besten Falle winden und
wenden und letztlich doch die staatlich befohlene ,Pflicht” tun. Die wenigen
Ausnahmen best„tigen die Regel.
Und nicht zuletzt waren offenbar auch solche šberlegungen mit der Grund,
wessentwegen beispielsweise die r”misch-katholische Kirche ihren Geistlichen
das Z”libat auferlegte. Der Bekennermut und der Wider-
/659/ AE: 65
stand in Zeiten der Bedrohung ethischer Werte, in Zeiten der Glaubensbedrohung,
unbeschadet der Konsequenzen fr die Person des Bekennenden, und unbeschadet
der irdischen Nutzlosigkiet seines Opfers, wird durch solch eine Freiheit von
Sorgepflichtbindungen, st„rker und hartn„ckiger.
Deswegen sagte ich, das šbel máe im Grunde, an der Wurzel, ausgerottet
werden. Die Organisationsform, die den Menschen in solche Konflikte bringen
kann máte beseitigt werden. Nicht der Mensch hat sich der Organisationsform
im Zusammenleben, anzupassen, sondern die Organisationsform, máte auf den
Menschen zugeschnitten werden. Dieses alleine scheint praktische
Nutzanwendung auf Grund der bisherigen trben Erfahrungen zu sein; das andere
ist, glaube ich, H„retisches(?) Geschw„tz. Wohl sch”n fr die Stunden der inneren
Erbauung, aber was ntzt dies, wenn Mord und Vernichtung weiterhin staatlich
befohlen werden k”nnen.
Und es ist fr mich heute ein leichtes reden(sic), wenn ich sage, ich habe fr mich
mein Weltbild, daá(sic) mich befriedigt, endlich gefunden.
Ich bin inzwischen sechsundfnfzig Jahre geworden, und sehe die Dinge auch des
t„glichen Lebens anders als frher. Sterbe ich morgen, ist es gut; sterbe ich heute,
bueno, dann ist es auch recht. Nicht von unbedingter Wichtigkeit bin ich mehr fr
die leibliche Existenz meiner Familie. Zur Not wird sie heute auch ohne
/661/ AE: 66
mich, zurecht kommen, Denn rund zwanzig Jahre ist seit dem Geschehen
inzwischen alles „lter geworden.
Der Soldat der da fiel, er wuáte, daá staatliche Hinterbliebenenfrsorge die Seinen
vor bitterster Not schtzte, denn so besagten es die Gesetze. Der
Kriegsdienstverpflichtete aber, der da gegen den staatlichen Stachel l”ckte und
dieserhalb geahndet wurde, wuáte, daá sich um seine Familienangeh”rige
niemand kmmern wrde. Im besten Falle, im allerbesten, w„ren sie dem
Familienverbande zur Last gelegen.
Und weil die Sorgepflicht, das Sorgefhl um die Seinen ebenfalls trieblich bedingt
ist, wird sich auch an der Einstellung des Menschen zu diesen Dingen nicht
„ndern.
Damit aber wird in Zeiten der Katastrophen auch die Einstellung der
Jahrg„nge zumindestens zwischen fnfundzwanzig bis fnfzig zu diesen Dingen
die gleiche sein, wie wir sie hatten und wie jene sie hatten, die vor uns waren.
Denn noch ist das System der Gesellschaftsordnung dasselbe.
/nach Zusatz von Seite gegenber, gestrichen, aber noch lesbar: Daher m”ge die
kommende Generation sich fr sich zuerst einmal jene Organisationsform zu
einem besseren Gemeinschaftsleben zurecht bauen, die solche Komplikationen
ausschlieát, denn die Weltbildvorstellung, die da beruhigt, die kommt dann ganz
von selbst und sie wird in Frieden und Ruhe leben k”nnen und die Freude wird
der Inhalt ihres lebens sein; denn die Ganzheit kennt nur das Gute./
/660/ Zusatz zu S. 66
Ich sprach von der Sorgepflicht.
Aber warum tr„gt das Individuum sich denn mit der Sorge; doch nur weil es fr
sich und den Seinen, Frieden und Nahrung will, dann lebt es in Freude.
Und ob Flora und Fauna, auch dort ist’s das Gleiche.
Um die Freude alleine, dreht sich das Fhlen und Denken der Menschen.
Aber der Sorge des Individuums um sich und den Seinen, haben die St„rkeren
unter den Menschen, sich zu allen Zeiten, als mit eines der Haupthilfsmittel, zur
Erreichung ihrer eigenen pers”nlichen Wnsche bedient. Und von den
Sklavenhaltern in grauen Vorzeiten als Einzelpersonen bis zu unseren angeblich
modernen Gesellschaftsformen als Gemeinschaftsunternehmen, ist es ein und
dasselbe. Das bereits urs„chlich im Menschen als Hauptquell seines Seins
vorhandene Sichfreuenwollen, wurde und wird ausgentzt, unter Versprechung
und Gewalt.
Die Ursache, wessentwegen berhaupt organische Einzelwesen existent sind,
n„mlich sich der durch ein Walten eingesetzten Freude zu bedienen, wird durch
menschliches Eingreifen herangezogen, um auf Kosten der Freude anderer,
entweder seine Freude mhelos zu erhalten, oder sie mhelos zu vervielfachen.
Solches aber, kann nicht im Sinne der gesetzten Ordnung und Harmonie des
Waltens sein, weil es allem uns Bekannten widerspricht; seien es die Prinzipien
der Ordnung und Harmonie in den atomaren Welten, seien es diese, der
Bewegung der K”rper im All.
/662/ AE: 67
Daher m”ge die kommende Generation sich fr sich zuerst einmahl(sic) jene
Organisationsform zu einem besseren Gemeinschaftsleben zurecht bauen, die
solche Komplikationen und Konfliktstellungen ausschlieát, denn die
Weltbildvorstellung, die da beruhigt, die kommt dann ganz von selbst.
Und das Hoffen und Sehnen der Menschheit wird sich endlich erfllen; Frieden
und Glcksgefhl und die Freude, werden der Inhalt ihres Ganzheitslebens sein.
Denn die Ganzheit kennt nur das Gute. /7 Zeilen bis zum Ende des Kapitels
weitgehend unleserlich gemacht/
_________
/3 Zeilen unleserlich gemacht; der weitere Text bis zum Ende der Seite gestrichen,
aber noch lesbar: ,… Ich, der ich aus dem Sein einer allwaltenden Ordnung in
die hauchartig vorbergehende Erscheinungsform Mensch herausgestellt wurde –
so notierte ich mir einmal – erkannte durch der Umwelt Formung, allm„lig das
,Reich”. Denn ich wurde als Deutscher geboren. Ich lernte das ,Reich” sowohl
als etwas Konkretes, wie auch seinen begrifflichen Sinn zu erfassen; alles, was
hier hineinversenkt wurde, und was ich als Nationalist empfand und ersehnte. –
So war es bis zum Jahre 1945./
/663/ AE: 63
/diese gesamte Seite gestrichen, aber weitgehend noch lesbar; obere H„lfte
nahezu identisch mit S. 62, untere H„lfte mit S. 67/
kommen. Und dem Alltagsgeschehen wird dann jene Bedeutung zuteil, die ihm
billigerweise zur Lebensverbesserung einger„umt werden muá. Aufgabe der
L„nderregierungen, welche dann nurnoch provinziellen Charakter haben, ist im
Verein mit der Zentrale, die Glcklichermachung der V”lker der Erde. Je eher ist
solches erreicht, je mehr fr pers”nliche Sicherheit und Unabh„ngigkeit des
Einzelindividuums gesorgt und jedwede Vergewaltigung desselben verhindert
wird.
Bei gleichbleibender Tendenz aber wird trotz der sch”nsten
Weltbildvorstellungen, die der Einzelne auchhaben mag, die Masse unweigerlich
in die Daseinsangst der Primitiven so lange zurckfallen, bis ein „uáerer,
gewaltsamer Anlaá, zu solch einer L”sung dann zwingen wird. (x) Fortsetzung
siehe die vier Beibl„tter 59-62
-(15)-
/3 Zeilen weitgehend unleserlich gemacht, enden mit: meine Verteitigung einen
Gefangengruá zu gehen:
,… Ich, der ich aus dem Sein einer allwaltenden Ordnung in die hauchartig
vorbergehende Erscheinungsform Mensch herausgestellt wurde, erkannte durch
der Umwelt Formung, allm„lig das ,Reich”. Denn ich wurde als Deutscher
geboren. Ich lernte das ,Reich” sowohl als etwas Konkretes, wie auch seinen
begrifflichen Sinn zu erfassen; alles, was hier hineinversenkt wurde, und was ich
als Nationalist empfand und ersehnte. –
So war es bis zum Jahre 1945.
/664/ AE: 68
Aber im Laufe der letzten rund 1 « Jahrzehnte, lernte ich langsam und ganz nach
und nach, immer wieder z”gernd und rckf„llig werdend, dann diesen
partikularisitschen Gedanken, in das Globale zu formen.
Ich bin der Meinung, daá dieses Sehnen und Hoffen nach einer Vereinigung von
Logos und Leben, welches bedauerlicherweise zeitweilig in den verschiedenen
Formen, mit verschiedener Vehemenz zum Austragen kommt, nicht nur eine auf
uns Deutsche bezogene Angelegenheit, sondern allen V”lkern dieser Erde bewuát
eigen ist.
Darin aber erkenne ich den Kern aller menschlichen Zwietracht untereinander und
mit eine der Wurzel vieler šbel.
Wird aber dieses, dem menschlihcen Wunschgedanken urs„chliche Sehnen anstatt
sektorenartig in globaler Universalit„t gedacht, und ihm Ausdruck verliehen, dann
tritt an Stelle einer alles zerst”renden Wirkung, ein friedliches Hinstreben nach
der Erfllung der menschlichen Wnsche. Ja, selbst der Hang zu dem nun einmal
vorhandenen menschlichen Egoismus geht hierbei nicht leer aus, denn ein jedes
Individuum bucht per saldo aus dem friedvollen Nebeneinanderleben, seinen
eigenen, ganz pers”nlichen Vorteil, der ihn mit gr”áeren Annehmlichkeiten als
zuvor, in den nunmehr geruhsameren Mittelpunkt seiner eigenen, kleinen,
privatpers”nlichen Welt stellen l„át.
Ich habe w„hrend der letzten Jahre
/665/ AE: 69
teils in der Stille der argentinischen Pampa, teils in der Unberhrtheit der
zerklfteten Urwelt des argentinischen Nordens, in seinem Aconquija-Massiv,
gelernt, aus zweierlei Dingen die fr mich gltige Nutzanwendung zu ziehen.
Ich sah H”lle, Tod und Teufel, weil ich dem Wahnsinn der Vernichtung zusehen
muáte; denn ich war als eines der vielen Pferde in den Sielen mit eingespannt und
konnte gem„á dem Wollen und den Befehlen der Kutscher, weder nach links noch
nach rechts ausbrechen.
Ich habe ferner lebhaften inneren Anteil an den Erkenntnissen genommen, welche
der menschliche Geist dem All bisher abgerugnen hat, bei seinen Bemhungen,
,die Sterne zu greifen”.
In jener Ruhe der argentinischen Gegenden, konnte ich mich so recht in das
Walten einer h”heren Ordnung hineinvertiefen, soweit dies fr mich gedanklich
noch m”glich war; und zu diesem versuchte ich, mir den Spiegel der
Selbsterkenntnis vorhaltend, mein Ich, meine Position als Mensch, in Relation zu
setzen. Und ganz von selbst wird dabei der Logos des nationalen Denkens,
hineingedr„ngt in andere šberlegungen, die letztlich in das unbedingte Wollen
zur universellen, zur globalen L”sung, mnden.
Und ich muá sagen, dieses Ergebnis be-
/666/ AE: 70
friedigte mich tief.
Es ist nicht einmal schwer; es ist eigentlich – wie alles in der Natur – einfach. Die
Wiederspiegelung des Makrokosmos im Mikrokosmos und umgekehrt.
Tausendmal geh”rt; auch erfaát. Aber ich zog in frheren Jahren nicht die
Nutzanwendung.
Freilich, ich stehe damit nicht alleine da; denn die Oberfl„chlichkeit ist es, welche
triumphiert. Sonst g„be es ja l„ngst schon keine Kriege, Ausrottungen, Haá und
Zerst”rung mehr.
Mit Beginn der Existenz des materiellen ,Seins” unserer Welten, den der Mensch
erkenntnism„áig vor runden fnf Milliarden Jahren glaubt ansetzen zu k”nnen,
steht dieses ,Sein” in der ,Zeit”.
Seit eben dieser Zeit, stehe auch ich, der ich mich augenblicklich im Seins-
Zustande des Menschen befinde, in irgendwelchen Lebensformen des ,Seins”,
gem„á einer Ordnung des Waltens.
Fnf Milliarden Jahre muáte ich also warten bis mich eine allwaltende Ordnung,
auf einen kurzen Zeitla?? als Daseinsform Mensch ,abkommandierte”.
Ob ich in diesem genannten Zeitraum schon einmal als Erscheinungsform Mensch
gegenst„ndlich und gegenw„rtig war, weiá ich nicht. Ob ich in knftigen Žonen
wieder einmal zu solch einer ,Kommandierung”
/667-668/ AE: 71-72
gelange, weiá ich auch nicht.
Ich glaube weder das eine, noch das andere. Nur eines weiá ich sicher, daá ich
nach Beendigung meiner augenblicklichen Lebensform, unz„hlige andere
Daseinsformen des organischen und anorganischen Lebens, als Partikelchen des
,Seins” zu durchlaufen habe.
Sechzig Jahre lebe ich als Mensch. Mag sein etwas l„nger, mag sein etwas krzere
Zeit.
Wie t”richt war ich, nur im Sektor ,Das Reich”, nur im engen, nationalistischen
Verharren zu denken.
Es ist ein Wunder, besser gesagt wunderbar, daá ein allgtiges Walten, dem
Menschen seines ,Sein”, als der Gter H”chstes, die Freude gab. Die Freude in
ihren tausendf„ltigen Formen.
Freude nutzend, und wieder teilend, sollte alleine die wahre Lebensafgabe des
Menschen w„hrend seiner Erdenjahre sein.
Alles andere lohnt wenig und ist so recht bedacht nicht einmal egoistisch. Es ist
nur t”richt, sonst aber nichts.
/6 Zeilen bis Ende der Seite unleserlich gemacht, ebenso knapp 6 weitere Zeilen
auf der neuen Seite oben/
Ende
Adolf Eichmann
6 – 9 – 61
Ich habe die letzten Seiten gestrichen. Falls man glaubt, das eine oder andere
davon verwenden zu wollen, habe ich nichts dagegen; mir ist es egal.
/Kurzsignatur/
/669/
IV. Teil (Anhang)
,G”tzen” Skizzen.
Inhalt 6 Bl„tter
5 Skizzen als Anhang zur
Illustration
Adolf Eichmann
Haifa, den
6-9-61
/677
/Anhang 1
/durchgestrichen mit der Bemerkung Ungltiger Entwurf
Testament.
Im falle meines Todes bitte ich folgendes:
1.) Ich wnsche, daá meine Leiche von meinen Brdern aus Israel nach Linz
a/Donau, Ober”sterreich gebracht wird.
2.) Daselbst ist sie zu verbrennen.
3.) Die Asche ist in sieben Teile zu teilen.
4.) 1/7 der Asche soll in das Grab meiner Eltern auf dem Friedhof zu Linz
a/Donau, kommen.
5.) 1/7 der Asche im Garten des Hauses meiner Frau und S”hne in Buenos Aires,
verstreut werden.
6.) Von den restlichen 5/7 geh”ren jedem, meiner Ehefrau Vera geborene Liebl,
und meinen S”hnen: Klaus, Horst, Dieter und Ricardo-Francisco, je ein
Siebentel.
Es soll einem jeden von ihnen dermaleinst, wenn auch sie ihr Erdenleben
beendet haben, mit in ihrem Sarg gegeben werden.
/678/
Es mag ihnen zur Beruhigung dienen, dieses zu wissen, und allf„llige Angst vor
dem Tode, ihnen nehmen.
Denn: der Tod ist nicht schlimmer als die Geburt; und tausendmal tausend
andere Leben erwarten noch unser.
Adolf Eichmann
Jerusalem, den fnfzehnten August Eintausendneunhunderteinundsechzig.
(Am 30. Jahrestag meiner Verlobung mit meiner Frau).
Die Adressen meiner Brder sind:
Otto Eichmann, Linz a/Donau, Bischofstraáe 3, Ober”sterreich
Dr. Robert Eichmann, Linz a/Donau Bischofstraáe 3, Ober”sterreich
Dieses Testament ist meiner Ehefrau Vera geb. Liebl ber Herrn Dr. Robert
Eichmann, Linz a/Donau auszuh„ndigen. Fr die Arbeit, die ich nach
meinem Tode noch mache, hatte ich nur Entschuldigung und danken den
Personen, die sich darum bemhen.
Adolf Eichmann
15-8-61/
/677/
Anhang 1
/durchgestrichen mit der Bemerkung Ungltiger Entwurf
Testament.
Im falle meines Todes bitte ich folgendes:
7.) Ich wnsche, daá meine Leiche von meinen Brdern aus Israel nach Linz
a/Donau, Ober”sterreich gebracht wird.
8.) Daselbst ist sie zu verbrennen.
9.) Die Asche ist in sieben Teile zu teilen.
10.) 1/7 der Asche soll in das Grab meiner Eltern auf dem Friedhof zu Linz
a/Donau, kommen.
11.) 1/7 der Asche im Garten des Hauses meiner Frau und S”hne in Buenos
Aires, verstreut werden.
12.) Von den restlichen 5/7 geh”ren jedem, meiner Ehefrau Vera geborene
Liebl, und meinen S”hnen: Klaus, Horst, Dieter und Ricardo-Francisco, je
ein Siebentel.
Es soll einem jeden von ihnen dermaleinst, wenn auch sie ihr Erdenleben
beendet haben, mit in ihrem Sarg gegeben werden.
/678/
Es mag ihnen zur Beruhigung dienen, dieses zu wissen, und allf„llige Angst vor
dem Tode, ihnen nehmen.
Denn: der Tod ist nicht schlimmer als die Geburt; und tausendmal tausend
andere Leben erwarten noch unser.
Adolf Eichmann
Jerusalem, den fnfzehnten August Eintausendneunhunderteinundsechzig.
(Am 30. Jahrestag meiner Verlobung mit meiner Frau).
Die Adressen meiner Brder sind:
Otto Eichmann, Linz a/Donau, Bischofstraáe 3, Ober”sterreich
Dr. Robert Eichmann, Linz a/Donau Bischofstraáe 3, Ober”sterreich
Dieses Testament ist meiner Ehefrau Vera geb. Liebl ber Herrn Dr. Robert
Eichmann, Linz a/Donau auszuh„ndigen. Fr die Arbeit, die ich nach
meinem Tode noch mache, hatte ich nur Entschuldigung und danken den
Personen, die sich darum bemhen.
Adolf Eichmann
15-8-61/
/675/
175
1
Anhang 2
P. Achenbach(1) Bad Krozingen (Baden),
Pastor i. R. Hofstrasse 14
11. September 1961
An den Angeklagten Eichmann, z. Zt. Israel.
Gelegentlich einer Studienreise durch Israel hatten evangelische Pfarrer in
Deutschland mich beauftragt, bei Herrn Dr Servatius anzufragen, ob auch
seelsorgerlich fr Sie etwas getan wrde. Nach einem Telefongespr„ch mit Herrn
Staatsanwalt Wechtenbruch erhielt ich keine Nachricht mehr.
Von einem Pfarrer, der in Israel lebt und im Blick auf eine gleiche Bitte Ihrer
damaligen evangelischen Heimatgemeinde Linz, sich mit Herrn Dr. Servatius ind
Verbindung setzte, ergab sich, daá auch er bis zu meiner Abreise aus Israel nichts
mehr geh”rt hat.
Nun weiá ich nicht, ob Sie von diesen Verhandlungen Kenntnis erhalten haben.
Vielleicht haben Sie inzwischen den Wunsch nach seelsorgerlicher Aussprache
selbst gehabt.(2) Es bewegt mich aber doch einmal pers”nlich an Sie zu schreiben.
Auf meiner Reise durch Israel war ich auch im Gerichtssaal und folgte einer
Verhandlung. Sp„ter habe ich durch Rundfunk und Fernsehen an dem fortgang
des Prozeáes teilgenommen.
Als ich im Gerichtssaal die Anklagen vernahm und auch den Verteidiger wie die
™ffentlichkeit beobachtete sah ich mich im Geist an den jngsten Tag, dem
Gerichtstag Gottes, versetzt. Schon jetzt war ja im Gerichtssaal alles ”ffentlich zu
beobachten. Am jngsten Tage wird aber unsere Schuld fr alle Welt vernehmbar
aufgedeckt. Denn wird der Teufel selbst der Ankl„ger sein. Was wird ein Mensch
dann antworten, wenn er nicht den Verteidiger JESUS zur Seite hat. Es wird am
jngsten Tage alles noch so Geheimnisvolle vor Gott offenbar werden. Am
Richterstuhl gottes kommt niemand vorbei. Darum ist es gut, wnn amn schon in
dieser Welt Schuld erkennt, bereut und soweit es m”glich ist wieder gutmacht.
Darf ich Sie an einen Liedervers erinnern, den sie wohl aus dem Konfirmanden-
Unterricht noch im Ged„chtnis haben:
“Wenn der Kl„ger mich verklagt, Jesus hat mich schon vertreten,
Wenn er gar zu schten wagt, Jesus hat fr mich gebeten,
Daá mein Mittler fr mich spricht, das ist meine Zuversicht.”
Sollte es Ihnen von diesem Gesichtspunkt aus nicht m”glich sein, einmal Ihre
ganze Schuldfrage an der Vernichtung der Juden von Gott her im Lichte der Bibel
und der Ewigkeit zu sehen. Aus zuverl„ssiger Quelle habe ich geh”rt, daá Sie
einmal ein frommer Junge gewesen sein sollen. Wenn dem so ist, w„re es doch
wichtig, sich zu fragen, an welchem Punkt die Weichen Ihres Lebens umgestellt
wurden, sodaá Sie trotz Kenntnis der Bibel dem Fanatismus des dritten Reiches
verfallen konnten. Wenn amn beabsichtigte die gesamte Judenschaft der Welt
auszurotten, dann fanden Ihre Vorgesetzten wohl in Ihrer Person ein willf„hriges
Werkzeug.(3)
Haben Sie schon einmal darber nachgedacht, daá Ihre Auffindung in der weiten
Welt fr Sie pers”nlich zugleich Gottes Gericht, aber wenn es zu einem
Schuldbekenntnis k„me, auch Gottes Gnade bedeuten k”nnte. Ihre Bereitschaft,
sich selbst das Leben zu nehmen, hebt Gottes Gericht nicht auf.(4)
Ich bin der šberzeugung, daá kein anderes Volk, als Israel, das Recht hatte nach
Ihnen zu fahnden und Sie vor Gericht zu stellen; denn die Juden sind das Volk, an
welchem wir Deutsche in einem ausmaá schuldig geworden sind, wie es bisher
nie in der Welt vorkam. Gott sucht uns Menschen immer in unserer Schuld. Das
geteilte Berlin und Deutschland sehe ich als Gottes Gericht wegen unserer Schuld
an Israel.
/676/2
Da Sie nicht nur dem richterlichen Urteilsspruch in Israel entgegesehen, sondern
auch dem Richtspruch Gottes ber Ihr Leben, Handeln und Tun, sollten Sie ein
umfassendes Gest„ndnis der ganzen Schuld(5) vor Gott und Menschen ablegen.
Es war ja schon im alten Testament so, daá wer Snde und Schuld erkannte und
im Lichte Gottes bereute, auch Vergebung empfing. Eine Bibel zum Studium
wurde Ihnen ja schon, als Sie nach Israel kamen, bersandt.(6) In ihr k”nnen Sie
ja nachlesen, was Gott zu solchen schweren Verbrechen an Menschen sagt. Ich
kann nur hoffen, daá Sie sich noch von Gott und Seinem Wort ansprechen lassen.
Ihre moralische Schuld haben Sie – soweit ich sehe – nicht geleugnet: Sie suchten
dieselbe aber wohl zu verkleinern. In Ihren Erwiderungen sttzen Sie sich auf den
abgelegten Eid. Jeder Eid, auch wenn er scheinbar vor Gott ausgesprochen wird,
hat seine Grenze am g”ttlichen gebot und allgmein gesagt an der Humanit„t. In
der Prozeáfhrung wird Ihnen ja vom Richter-Kollegium und der Anklage
Humanit„t in einem solchen Maáe zuteil, wie man das sonst in schweren
Prozessen kaum erlebte.
Wenn ich mich jetzt mhe(7), Ihnen innerlich ein wenig weiterzuhelfen, dann tue
ich das im Angesicht der Ewigkeit, vor der Sie stehen. Durch ein klares
Bekenntnis und einen ehrlichen inneren Aufschluá fr Ihren und unser aller Anteil
an dem Furchtbaren, was an dem jdischen Volk geschehen ist, k”nnte es
vielleicht doch fr Sie zu einer Entlastung kommen.
Wenn ich nicht irre, haben Sie sich auch einmal auf den Philosophen Kant
berufen, aber gerade Kant hat uns Menschen ja gesagt:
,Das Gewissen des Menschen ist der groáe Mitwisser Gottes. Es steht immer auf
Gottes Seite. Es ist der groáe Mahner in der Menschenbrust.”
Man kann das Gewissen zum Schweigen bringen, aber doch bricht eines Tages die
Not auf, sich verantworten zu mssen. Ein offenes, wahrhaftiges, aufrichtiges,
alles umfassendes Gest„ndnis vor Menschen wird auch von Gott in der oberen
Welt aufgenommen. Ein solches kann nicht nur fr Sie, sondern auch fr unser
unter Gottes Gericht stehendes zweigeteiltes deutsches Volk ungeahnte
Auswirkungen im -Blick auf Begnadigung von Gott her haben.
Lassen Sie mich Ihnen noch einige Bibelworte in Erinnerung bringen.
,Wer Israel antastet, tastet Gottes Augapfel an.” Sch.2,12.
Auf Grund der Bibel wurde mir folgender Satz bedeutsam:
,Wer Israel liebt wirkt Hand in Hand mit Gott.”
Das Ernste ist, daá fr jeden von uns pers”nlich die Stunde des Todes kommt.
Dann mssen wir vor Gottes Richerstuhl erscheinen. Unentrinnbar werden wir
dann Gott und seinem Gerichtsurteil ausgeliefert sein. Jedem wird die Frage nach
Gottes auserw„hltem Volk und nach dem, was wir den Juden getan oder diesem
oder jenem Bruder getan oder nicht getan haben, vorgelegt werden. Dann kann
sich gottes Gericht nicht mehr in Gnade verwandeln. Das ist nur m”glich, solange
wir auf Erden sind, d.h. wenn wir Buáe tun. Buáe aber heiát, sich sehen, wie Gott
uns sieht. Wer Gnade finden will vor Gott – wer Deutschland liebt und es mit vom
Verderben retten will, der stelle sich ein in die Reihen derer, die sich richten
lassen und zur Shne bereit sind. Wer Gott liebt und ihn nicht weiter erzrnen und
betrben will, der kehre heute noch um und bekenne seine Schuld, auf daá die
Gnade der Vergebung ber ihn kommen kann, und dann den jdischen Brdern
Liebe und Wohltat gebracht werde, solange es noch fr uns Zeit ist.
Seien Sie der Gnade der irdischen Richter, wie des himmlischen Richters
befohlen.
Paul Achenbach
(Unterschrift)
Die Hervorhebungen im Brief wurden von Eichmann vorgenommen.
Anmerkungen Eichmanns
zu dem Brief:
(1) Als Antwort; dem Pastor Achenbach:
1.)Er m”ge sich die Stellen lesen, die mein Verteidiger seinem Kollegen
Grber
anl„álich des Kreuzverh”rs vorgelesen hat.
(2) Nicht mit einem protst. Geistlichen.
(3) ???
Frechheit von diesem Achenbach!!
(4) Er soll siicht bekommen, auch nicht verlangt.
(7) Ich habe nicht darum gebeten, daá sich der pensionierte Pastor bemhen m”g
3